Einfach nur da sein, wenn andere ihn brauchen

3. Januar 2016

R2Für den Warener Pastor Leif Rother war das Weihnachtsfest ein ganz besonderes. Das erste Mal seit mehr als 20 Jahren konnte er sehr viel Zeit mit seiner Familie verbringen und stand nicht für mehrere Gottesdienste auf der Kanzel. Denn seit dem Frühjahr arbeitet der 52-Jährige nicht mehr als Pastor der Mariengemeinde, sondern als Krankenhaus- und Kurseelsorger an der Müritz.

Leicht ist auch dieser Job nicht, denn Leif Rother spricht mit Menschen, die schwer, manchmal unheilbar erkrankt sind, aber auch mit Frauen und Männern, die Angst vor Operationen haben oder die einfach nur einmal jemanden brauchen, der ihnen zuhört.

Die Kombination Krankenhaus- und Kurseelsorger zugleich gibt es in Mecklenburg-Vorpommern bislang kein zweites Mal. Finanziert wird die Stelle zu 75 Prozent von der Nordkirche und zu 25 Prozent vom Kurzentrum. Und so hat der Warener Pastor auch zwei Büros: im MediClin Müritz-Klinikum und im Kurzentrum. Darüber hinaus kümmert er sich um Patienten in der Klinik Amsee, in der AHG Klinik auf dem Nesselberg und in der Röbeler Klinik.

„Das ist ein sehr breites Spektrum. Während ich im Kurzentrum häufig auch mit gesunden Menschen zu tun habe, spreche ich im Krankenhaus mit zumeist sehr kranken Patienten. Besonders lange Kontakt habe ich zu den Patienten der psychosomatischen Klinik, da sie länger bleiben. Dort ist es schön zu sehen, wie gestärkt sie nach einem Aufenthalt in Waren nach Hause gehen“, berichtet Leif Rother.

R3Er fühlt sich wohl in seinem neuen Beruf, hat den Schritt, nach über 20 Jahren zu wechseln, bislang nicht bereut. „Es gibt ja viele Gemeinsamkeiten. Auch früher war ein großer Teil meiner Arbeit die Seelsorge. Und auch heute halte ich noch Gottesdienste ab. Und zwar jeden Sonnabend um 20 Uhr in der Kurklinik auf dem Nesselberg. Den besuchen nicht nur die Gäste des Hauses, sondern auch viele Bewohner des Wohngebietes“, so der 52-Jährige, der in diesem Jahr zum ersten Mal Opa geworden ist.

Gespräche, die weh tun

Vorbereiten kann sich Leif Rother auf die Gesprächen mit den Patienten nicht so intensiv. Er weiß nie, was ihn erwartet. Er weiß nicht, wie lange so ein Gespräch dauert und was Thema sein wird.

„Das ergibt sich meistens erst am Krankenbett. Eine Frau wollte beispielsweise mit mir zusammen ‚Stille Nacht‘ singen. Andere Patienten möchten sich mit mir  Bilder angucken und ihr Leben Revue passieren lassen. Für einige bin ich auch so ein bisschen der Vermittler zur Familie. Gerade, wenn Menschen wissen, dass sie sterben werden, können sie darüber häufig nicht mit ihren Angehörigen reden. Auch, weil die Angehörigen das nicht zulassen, weil die Gespräche über den nahen Tod weh tun“, erzählt Pastor Rother. Nicht selten besprechen die Kranken ihre Beerdigung dann lieber mit dem Seelsorger als mit der Familie.

Der Krankenhaus- und Kurseelsorger ist häufig auch der erste, der mit Kranken spricht, nachdem sie eine schlimme Diagnose erhalten haben. Die Reaktion der Menschen ist dabei genauso unterschiedlich wie die Krankenheiten selbst. „Einige weinen nur, andere sind in sich gekehrt und wieder andere sind einfach nur wütend und klagen“, berichtet der Warener, der aus eigenem Erleben weiß, wie es sich anfühlt, eine unangenehme Diagnose zu bekommen.

In den vergangenen Wochen ist Leif Rother vor allem im Kurzentrum vielen Menschen begegnet, die erst jetzt anfangen, ihre traumatischen Erlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten, die erst jetzt darüber reden. „Ausgelöst wird diese Aufarbeitung durch die aktuelle Flüchtlingskrise“, so der Pastor.
Er selbst sammelt im Gespräch mit anderen Seelsorgern des Landes, in der Familie und beim Sport die Kraft, seinen Job zu meistern, stark zu sein, wenn andere ganz schwach sind und ihn brauchen.

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