Mehr als 5000 Kilometer für den Frieden unterwegs

8. November 2015

Zwei Frauen wandern zu Fuß durch Europa. Für den Frieden. Vor wenigen Tagen haben sie auch an der Müritz Station gemacht, sind herzlich empfangen und aufgenommen worden und haben von ihrer Mission erzählt.

Sie sind Kurdinnen. Sie sind Anfang dreißig und Freundinnen. Ihre Eltern gehören zu den Vertriebenen aus Kurdistan, die vor Jahrzehnten in Anatolien Heimat fanden. Gülbahar und Sadeet sind dort geboren. Kurdisch, ihre Muttersprache, durften sie nicht sprechen. Irgendwann zog es beide nach Oslo, wo sie sich 2001 kennenlernten.

Gülbahar Adanc ist Lehrerin und hat bis vor kurzen norwegische Schüler in türkischer Sprache unterrichtet. Sadeet Che Demir ist, besser war, Restaurant-Managerin. Da sie die ethnischen Konflikte der Kurden und anderer Gruppen in der Türkei, Syrien, dem Irak und Iran auch in der Ferne nie losgelassen haben, brauchte es nur noch den berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Nach der Bombardierung kurdischer Dörfer durch die Türkei mit vielen Toten wussten Gülbahar und Sadeet: Wir müssen JETZT etwas tun.

Zwei Nächte im „Blauen Müritzwasserhaus“

Ku3Ihre Idee: 5000 Kilometer von Oslo nach Ankara zu Fuß gehen und der Regierung jedes durchquerten Landes ihren zweiseitigen Brief persönlich übergeben. Diese Idee wurde in der Nacht vom 10. zum 11. September geboren. Danach gab es für die beiden kein Halt mehr. Sie trafen sich mit Gleichgesinnten, Freunden und Unterstützern. Sie kündigten ihre Jobs, ihre Wohnungen und verstauten ihr Hab und Gut bei Freunden. Am 19. Oktober begann der Marsch, der ungefähr bis zum Juni 2016 dauern wird.

Am Abend des 30. Oktober erreichte ein Anruf aus Teterow die Bewohner im „Blauen Müritzwasserhaus“ in Waren mit der Ankündigung, dass zwei Kurdinnen auf dem Fußweg nach Waren sind und Quartier für die Nacht brauchen.

„Das war nicht das Problem. Obdach kann fast jeder in jeder Notsituation geben. Aber da war sofort der Gedanke, dass Müritzer über diese europaweite Aktion mehr erfahren müssten. Doch dazu braucht es mehr Englischkenntnissen.

Aber wenn jemand einen kennt, der noch jemand kennt, gibt es bald eine Lösung. Am Morgen des 31. Oktober stand nach getaner Arbeit in unserer Region der selbständige Zimmerermeister Thomas Rauch aus Heringsdorf auf der Matte.

Es war ein toller Vormittag mit ausgedehntem Frühstück bei Gesprächen, die fröhlicher und ernster nicht sein konnten. Während Thomas nach „getaner Arbeit“ dann in Richtung Usedom aufbrach, waren Gülhabar und Sadeet mehr als dankbar, dass sie noch eine weitere Nacht Kräfte sammeln konnten, um dann weiter in Richtung Neustrelitz aufzubrechen“, berichten die Warener, die den beiden ein Dach über den Kopf gaben.

Der Name Existence March – EM ist ein gewählter Zufall

Der gewählte Zufall der Aktion heißt Existence March – EM. EM heißt kurdisch auch WIR. Wir, so sagen Gülhabar und Sadeet, wollen mit unseren zwei Gesichtern die Interessen der Kurden und anderer ethnischer Gruppen vertreten.

Es geht um Menschlichkeit. Die bieten viele Menschen in Europa derzeit den Flüchtlingen. Der Fußmarsch führt durch Norwegen, Dänemark, Deutschland, Belgien, Frankreich, die Schweiz,  Italien, Griechenland bis in die Türkei, nach Ankara. In Rom haben sie zwei Adressen. Sadeet und Gülhabar statten auch dem Vatikan ihren Besuch ab.

Kann der Fußmarsch zweier Frauen etwas bewirken?

Er macht aufmerksam, sind beide Frauen überzeugt. Sie werden ernst genommen. Wenn die Politiker den Brief annehmen, müssen sie ihn weitergeben und mindestens darüber reden. Das norwegische Ministerium informierte umgehend die Regierung in Ankara über die Aktion von Sadeet Che Demir und Gülbahar Andanc.

Wirksam sind auch die Veranstaltungen, die in den Hauptstädten organisiert werden. Auch das Interesse der Menschen in den Orten, durch die sie kommen, wächst. Es spricht sich zudem durch die Medien herum, die aufmerksam geworden sind und den Fußmarsch verfolgen.

Aufgenommen fühlen sich Sadeet und Gülhabar überall gut. Bisher hatten sie mit ihrem Schlafsack immer ein Dach übern Kopf. Das Zelt musste noch nicht aufgeschlagen werden. Das haben sie jetzt an der Müritz zurückgelassen, weil die transportierten Pfunde für die beiden, nicht für so einen Marsch trainierten Frauen, kräftezehrend sind. Immerhin schleppt jede um die 15 Kilo.

Das Gute daran: Sie wollen am Ende des Marsches vielleicht wieder in Waren vorbeikommen.

 

Alles Gute für Sadeet und Gülhabar, die heute noch nicht wissen wie ihr Leben nach dem Existence March weitergeht. Wird es ein neues Leben? Die Zukunft bleibt offen.

Den Existence March – EM kann man auf Facebook verfolgen.

Text und Fotos: Sigrid Mielke

Foto unten: Der Dolmetscher ist Zimmerermeister Thomas Rauch aus Heringsdorf mit Sadeet und Gülhabar.

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