Von einem, der auszog, um Waren zu lieben

14. Dezember 2013

Nachfolger

Ein Rückblick von Antje Rußbüldt-Gest

Ganz ehrlich? Ich hätte es im Sommer 1994 nie für möglich gehalten, dass Günter Rhein fast 20 Jahre lang auf dem Bürgermeister-Stuhl sitzen wird. Nicht einmal eine  Legislaturperiode haben ihm damals auch viele andere Skeptiker „gegeben“. Heute, fast 20 Jahre später, zählt Günter Rhein zu den dienstältesten Bürgermeistern im Land und auch zu den beliebtesten, was seine letzten Wahlergebnisse eindrucksvoll bewiesen haben.
Was also ist passiert, seit der heute 65-Jährige die Geschicke Warens in seine Hand nahm? Der Versuch eines gemeinsamen Rückblicks auf bewegende, anstrengende, interessante und mitunter verrückte Jahre.

Gewählt 1994 von den Stadtvertretern strömte dem SPD-Mann von Anfang an viel Gegenwind entgegen. Auch, weil sich andere um den Bürgermeister-Posten betrogen fühlten. Denn eigentlich hatte die CDU die Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinen können, doch in der Stadtvertretung schmissen sich Linke und SPD zusammen und kürten Günter Rhein zum „König“.

Schwerer Start

Klar, dass dieser Deal, 750der zwar vollkommen legitim war, für Missmut und vor allem eine recht aggressive Opposition sorgte. Das bekam der Verwaltungschef fast täglich zu spüren. Auch in der Presse. Und mit der konnte der gebürtige Neubrandenburger zunächst rein gar nichts anfangen. „Rückblickend muss ich sagen, dass ich den Umgang mit den Medien heute ganz anders machen würde. Ich habe damals einfach die Macht unterschätzt. Man muss die Medien zu Beteiligten machen“, sagt Günter Rhein heute und erinnert sich dabei an manchen Strauß, den wir beide gerade zu Beginn seiner Amtszeit ausgefochten haben.
Allerdings anders, als viele Warener heute noch orakeln – Günter Rhein und ich können uns trotz aller unterschiedlicher Ansichten, trotz öffentlich ausgetragener Auseinandersetzungen und auch trotz des einen oder anderen bitteren Wortes heute in die Augen schauen, ohne dass der eine oder andere etwas bereuen müsste. „Wir haben beide voneinander gelernt“, meint der scheidende Bürgermeister, wobei er natürlich nicht verhehlt, dass er die Journalistin Antje Gest hin und wieder sehr gerne der Stadt verwiesen hätte. Das kann ein Bürgermeister zum Glück nicht und so sind wir beide noch hier.

Kein Teamplayer

Doch die ersten Jahre waren natürlich nicht nur geprägt von Reibereien mit der Opposition und der Presse. Nach der guten Vorarbeit durch seine Vorgänger musste und wollte Rhein 1994 in dem Tempo weiter machen, wie bisher, um Waren zu der Stadt zu entwickeln, die sie heute ist. „Ich habe mich in den 60-er Jahren in Waren verliebt und ich habe immer für diese Stadt gelebt. Das wird auch künftig so bleiben“, meint der Fast-Rentner und ich habe keine Zweifel, dass er es ernst meint.
Vielleicht fällt es ihm auch deshalb so schwer, das Projekt oder Vorhaben zu nennen, auf das er besonders stolz ist. „Ich kann da gar nichts heraus stellen, Waren ist einfach anders. Gute Luft, sauberes Wasser und Wald haben andere auch, wir heben uns trotzdem ab. Wir haben die Chance unserer guten Lage einfach genutzt und viele Bereiche vorangetrieben. Und zwar gemeinsam mit den Einwohnern. Ohne sie, wäre Waren nicht zu diesem Schmuckstück geworden.“

GeburtstagUnd dieses „Wir“ betont ausgerechnet jemand, der von sich meint, nicht teamfähig zu sein. „Ich bin absolut kein Teamplayer, sondern ein Macher. Das ist wie in einem guten Betrieb, einer muss das Sagen haben. Was natürlich nicht heißt, dass ich mit meinen Mitarbeitern nicht auch diskutiere“, gibt Günter Rhein einen kleinen Einblick in seine Verwaltungsarbeit. So ganz verkehrt kann sein Führungsstil nicht gewesen sein, denn die Fluktuation in der Verwaltung, vor allem auch in der Führungsebene, hält sich in Grenzen.
Einer, der fast von Anfang an seiner Seite steht ist Dr. Gunter Lüdde, der einst über die Grünen zur Politik kam, als Stadtpräsident keinen noch so deftigen Wortwechsel scheute und 1995 ins Bauamt wechselte. “Ohne ihn wäre in Waren nicht so viel entstanden. Ich bin froh, dass ich einen so guten Mann an meiner Seite hatte“, lobt der Noch-Verwaltungschef seinen Amtsleiter und erinnert sich dabei an so manchen Abend, den er mit Gunter Lüdde verbracht hat, um darüber zu diskutieren, wie es weiter geht.
Zum Beispiel, als das Kay’sche Haus zur Debatte stand. Dabei handelt es sich um das Eckhaus zwischen Kirchenstraße und Neuer Markt, in dessen Erdgeschoss sich heute ein Schuhgeschäft befindet. Das Gebäude war mehr als marode, die Stadt wollte dennoch die Sanierung und pulverte selbst ordentlich Fördermittel hinein. Das gefiel nicht allen. Doch das Haus wurde gerettet und trägt heute zweifellos mit dazu bei, dass Waren sich als Schmuckkästchen präsentiert.

Die wirkliche rechte Hand

„Wir haben uns wirklich Guenti2um jedes einzelne Haus in der Innenstadt gekümmert, uns mit den Bauherren zusammengesetzt und nach Lösungen gesucht und uns letztendlich über jeden Schandfleck, der verschwunden ist, gefreut“, erinnert sich der einstige Neubrandenburger, der kurz nach seiner Wahl zum Bürgermeister von Waren nach Jabel gezogen ist und sich auch dafür Kritik anhören musste.

Neben Gunter Lüdde gab und gibt es in der Stadtverwaltung aber noch eine Person, ohne die Günter Rhein wohl zwischenzeitlich aufgegeben hätte: Sabine Krins. Sie ist von Anfang an Sekretärin des Bürgermeisters und hält ihm mehr als den Rücken frei. „Das hat nicht von Anfang so geklappt. Wir mussten uns auch erst zusammenraufen“, gibt Sabine Krins rückblickend zu. Mehr lässt sie sich aber nicht entlocken, obwohl sie in Waren, in der Verwaltung und in der Politik zweifellos besser Bescheid weiß als der Bürgermeister selbst.
Doch Sabine Krins schweigt, wenn man ihr Fragen nach dem „Chef“ stellt und blockt ab, wenn sie merkt, dass es jetzt besser ist, nicht mit ihm zu verbinden. Mehr als einmal hat sie mich – zwar nett und freundlich – , aber doch sehr bestimmend „abgewimmelt“, auf der anderen Seite dann aber auch wieder versucht, eine Verbindung zu vermitteln. Je nach dem, was gerade gut war für den „Chef“. „Wenn ich Frau Krins nicht gehabt hätte, wäre ich sicher so manches Mal baden gegangen“, sagt Günter Rhein und weiß, dass er den Kontakt zu ihr auf jeden Fall halten will.

Das wurmt: Unerledigte Dinge

RundbauWenn sich der künftige Ruheständler an die vergangenen 20 Jahre zurückerinnert, fallen ihm aber nicht nur die vielen gelungenen Dinge ein, sondern auch Rückschläge und unerledigte Vorhaben. Ganz oben steht dabei das Kietzgrundstück, auf dem einst der „Müritzring“ seine Gäste empfing, und das gegenwärtig so vor sich hin dümpelt. Hier wünscht sich der Müritz-Fan eine pavillonähnliche Gastronomie mit Außenplätzen direkt am größten Binnensee Deutschlands.
Ebenfalls ganz oben auf der „Schwarzen Liste“: Das Gelände des einstigen Ferienlagers „La Pasionaria“. „Die damalige Vergabe war aus heutiger Sicht einfach eine politische Fehlentscheidung, das muss ich unumwunden zugeben“, so Günter Rhein, der nicht viel Hoffnung hat, dass auf dem Areal am Ufer der Feisneck noch mal etwas passiert. „Da wird es immer Probleme mit dem Nationalparkamt geben“, vermutet er.

Probleme ganz anderer Art Spendabelhaben ihn in all den Jahren entlang der Müritz begleitet. Denn eigentlich ist der Sozialdemokrat einmal mit dem Ziel angetreten, den Uferwanderweg vom Volksbad bis nach Ecktannen zu realisieren. Bis auf ein klitzekleines Stück ist davon auch heute noch nichts zu sehen. „Mir hat damals ein alter Warener gesagt: Das hat der Kaiser nicht geschafft, das haben die Kommunisten nicht geschafft und das wirst Du auch nicht schaffen. Sieht so aus, als wenn er Recht behält.“

Wenn’s um Mehrheiten geht

Sehr gerne hätte Günter Rhein zumindest die so genannte Spangenlösung als eine Umgehungsvariante realisiert, um wenigstens die Anwohner der Strelitzer und der Mozartstraße zu entlasten. Und noch viel lieber hätte er heute schon eine verkehrsberuhigte Innenstadt, die beispielsweise mit einem Poller vor der Kirchenstraße zu machen wäre. Bislang gab es für diese Idee aber keine politischen Mehrheiten.

Mit einer Mehrheit, wenn auch nicht im Stadtparlament, ist die Kreisgebietsreform beschlossen worden. Sehr zum Verdruss von Bürgermeister Günter Rhein, der sich mit seiner Meinung offen gegen seine Landespartei gestellt hat und nach wie vor fest davon überzeugt ist, dass die Gebietsreform in dieser Art und Weise ein Fehler war. Viele Probleme, die er vorausgesagt habe, seien inzwischen bereits eingetreten. „Als Kreistagsabgeordneter werde ich weiterhin dafür kämpfen, dass die Dinge, die den Bürger betreffen, auch beim Bürger bleiben. Also beispielsweise die Kfz-Zulassungsstelle“, erklärte der 65-Jährige und macht damit deutlich, dass wir auch nach seinem Ausscheiden aus der Stadtverwaltung von ihm hören und gewiss auch lesen werden.

Die Ehefrau an erster Stelle

KussDoch zunächst will sich der „Macher“ mehr in das Privatleben zurückziehen und viel Zeit mit seiner Frau Reinhild, mit der er 33 Jahre verheiratet ist, verbringen. Die musste in den letzten Jahren nämlich oft auf ihren „Günti“ verzichten, hat sich aber nie beschwert. „Sie muss mich schon ganz schön lieben, sonst hätte sie das nicht alles mitgemacht. Nicht nur, dass ich viel zu selten für sie und die Familie da war, oft habe ich meinen Frust vom Tage bei ihr abgeladen. Das begann manchmal sogar schon morgens, wenn ich in die Zeitung geschaut habe“, gibt der scheidende Verwaltungschef zu. Das ging wohl sogar so weit, dass seine Frau Reinhild manchmal morgens die Zeitung versteckt hat, um ein ruhiges Frühstück mit ihrem Mann genießen zu können.

Ganz oben auf der aktuellen „To-Do-Liste“ von Günter Rhein steht das Aufräumen und Sortieren. Denn mit den Kisten, die er aus seinem Amtszimmer mit nach Hause nimmt, platzt der Abstellraum im heimischen Jabel endgültig aus allen Nähten. Da sind zum einen jede Menge persönliche Unterlagen, die mal durchgeschaut werden müssen, da sind Fotos von Dienstreisen, aber da sind auch Kleiderschränke, die dringend eine Entlastung brauchen. Und dann ist da noch jede Menge Holz, das klein gemacht werden will.

Langeweile kommt im Hause Rhein also auch nach dem 17. Dezember nicht auf. Der kommende Dienstag ist der letzte Arbeitstag für Günter Rhein, ehe er in den Urlaub geht und am 31. Dezember dann Verantwortung und Rathausschlüssel an Norbert Möller übergibt. Nach fast 20 Jahren.

Ganz ehrlich?  Es waren gute Jahre für Waren (Müritz)!

Zum Titelbild: Günter Rhein räumt gegenwärtig sein Arbeitszimmer aus und nimmt persönliche Dinge mit nach Hause.


2 Antworten zu “Von einem, der auszog, um Waren zu lieben”

  1. biene sagt:

    Wünsche unseren ehemaligen Bürgermeister für die weitere Zukunft noch viele schöne Jahre im Kreise seiner Familie.
    Lg.Biene aus Waren

  2. Heinz-Peter Schifflers sagt:

    Gratuliere zu dem sachlich wie emotional guten Artikel von
    Antje Rußbüldt-Gest . ….Super !
    Ja, „es waren gute Jahre für Waren“ !
    In den fast 20 Jahren seiner Amtszeit als Bürgermeister hat sich Günter Rhein
    um die Entwicklung und das positive Image unserer schönen Stadt verdient
    gemacht. Jenseits aller parteipolitischen Orientierungen war er stets der Bürgermeister a l l e r Warener Bürgerinnen und Bürger. Für sein außerordentlich
    großes Engagement gebürt ihm Dank und Anerkennung!
    Möge er seinen nun beginnenden (Un-)Ruhestand bei bester Gesundheit noch lange genießen!!
    Heinz-Peter Schifflers