Werbung: Kühe auf der Weide, Realität: Kühe angeleint

7. Oktober 2016

Einem Großteil der mit Weidebildern und idyllischen Landschaften werbenden Unternehmen ist nicht bekannt, wie viele der Kühe Zugang zu einer Weide haben oder noch im Stall angebunden werden. Nur bei drei von 29 Marken wird das Werbeversprechen gehalten. Dies ergab eine aktuelle Umfrage der Welttierschutzgesellschaft unter 20 Unternehmen. Lediglich vier waren überhaupt bereit, Daten zum Weidegang zu nennen.

Molkereien und Lebensmittelkonzerne werben häufig mit einer naturnahen Milchproduktion, Alpenpanoramen oder Kühen auf der Weide. Die Welttierschutzgesellschaft hat daher im Rahmen der KUH+DU Kampagne 17 Molkereien und drei Lebensmittelkonzernen auf den Zahn gefühlt und sie zur Haltung der Kühe befragt: Wie hoch ist der Anteil der Kühe mit Weidegang? Gibt es seitens der Molkerei Vorgaben zum Weidegang? Wie viele Kühe haben alternativ die Möglichkeit, über einen Laufhof Bewegung im Freien zu bekommen, und wie viele Kühe werden noch im Stall angebunden?

weideZwei Drittel der befragten Unternehmen – darunter Haribo, Ehrmann, Alpenhain oder die Molkerei Alois Müller – haben auf die Fragen der Welttierschutzgesellschaft entweder gar nicht reagiert oder die Frage nach dem Weideanteil der Kühe unbeantwortet gelassen.
Mondelez, Savencia und Zott haben in ihren Antworten verschiedenste Projekte aufgelistet, in denen sich die Unternehmen engagieren, anstatt auf die konkreten Weide- oder Stallhaltungszahlen einzugehen. Generell häuften sich Äußerungen wie „Landwirte sind eigenverantwortliche Unternehmer“ oder „die Milchlieferanten halten sich an alle einschlägigen Gesetze“. Lediglich Dr. Oetker, DMK, Hochland und Zott waren so ehrlich zuzugeben, dass sie die Zahlen zu den nachgefragten Marken schlichtweg nicht kennen.

Nur die vier Unternehmen Arla Foods, FrieslandCampina, Gläserne Meierei und OMIRA haben Daten zum Weidegang von insgesamt neun bekannten Marken genannt. Während bei den Marken Arla Bio und Hansano Weidemilch von Arla Foods alle Kühe Weidezugang haben, sind es bei der Gläsernen Molkerei, eine Marke der Gläsernen Meierei, immerhin noch mehr als 95% der Tiere (bei der Heumilch-Variante ebenfalls 100%). Ohne Weidemilchaufdruck sind es bei Hansano noch 60-70% der Kühe, die Zugang zu einer Weide haben.

„Molkereien und Lebensmittelkonzerne sind ebenso wie die Landwirte dafür verantwortlich, wie es den Kühen in Deutschland geht. Mit falschen Werbeversprechungen, die nicht annähernd die Realität widerspiegeln, werden Missstände in der Milchwirtschaft verschleiert und der Verbraucher bewusst getäuscht. Hier muss dringend gegengesteuert werden“, so Katharina Tölle, Campaignerin bei der Welttierschutzgesellschaft.

Die Tierschutzorganisation fordert Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf, eine Haltungsverordnung für Milchkühe einzuführen und ein Mindestmaß an Tierschutz für alle Kühe zu gewährleisten. Hier hat die Welttierschutzgesellschaft bereits einen Entwurf zur Erweiterung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung um Milchkühe vorgelegt, der u.a. einen verbindlichen Auslauf im Freien beinhaltet. 220.000 Menschen haben eine entsprechende Petition der Tierschützer unterzeichnet.

Mehr als die Hälfte der 4,3 Millionen in Deutschland lebenden Milchkühe hat keinen Weidezugang mehr. Dabei haben Kühe ein starkes Bewegungsbedürfnis. Der weiche Boden ist gut für die Klauen und Gelenke. Die natürlichen Licht- und Klimaverhältnisse stärken das Immunsystem der Kuh und eine natürliche Futteraufnahme wird ermöglicht. Doch der Trend geht zur ganzjährigen Haltung im Stall, in dem noch immer jede vierte Kuh teil- oder ganzjährig angebunden wird. Dem Verbraucher ist so etwas häufig nicht bekannt.


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