Warener COVID-19-Patient: Sein Leben hing am seidenen Faden

19. April 2020

Er spazierte an einem späten Nachmittag vor fast drei Wochen zu Fuß in die Notaufnahme des Warener MediClin Müritz-Klinikums. Nur vier Stunden später lag Andreas Labjon auf dem Bauch im Bett der Intensivstation und wurde beatmet: Der 65-Jährige ist der erste an COVID-19 erkrankte Patient, der im Krankenhaus auf dem Weinberg behandelt werden musste.
Der erste Fall in der Klinik und gleich ein besonders schwerer, denn das Leben des Wareners hing am seidenen Faden. Andreas Labjon war in Lebensgefahr, wie Dr. Stefan Bergt, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, berichtet. Jetzt ist der 65-Jährige über den Berg, aber längst nicht genesen. Nach 17 Tagen auf der Intensivstation wurde der Patient am Freitag – inzwischen coronafrei – in die neurologische Früh-Reha der Fachklinik Waldeck in Schwaan-Waldeck gefahren.
„Wir sind Müritzer“ hatte kurz vor seiner Verlegung die Möglichkeit, mit Andreas Labjon und mit Chefarzt Dr. Bergt zu sprechen. Aus Sicherheitsgründen haben wir das Gespräch per Skype geführt. Mit Unterstützung von Klinik-Sprecherin Jenny Thoma, der wir an dieser Stelle für ihre Hilfe danken möchten, hat das problemlos geklappt.

Bevor Andreas Labjon uns seine Geschichte erzählt, möchte er ein ganz großes Dankeschön an die Ärzte und Schwestern des MediClin Müritz-Klinikums los werden: „Das ist hier wirklich alles sehr, sehr professionell gelaufen. Ich habe der guten Arbeit der Ärzte und des Pflegeteams mein Leben zu verdanken, ich fühle mich sehr gut aufgehoben und habe gemerkt, wie besonnen man hier arbeitet und wie gut vorbereitet man hier auf so einen Fall wie mich war. Danke, danke, danke.“

Wie und wo sich der Müritzer infiziert hat, ist nach wie vor unklar. Er arbeitete bereits seit einigen Wochen im Home Office, so dass ihn das Virus im privaten Bereich erwischt haben muss. Nur ihn, denn seine Frau ist nicht betroffen.

Die „Maschinerie“ lief an

„Ich habe mich am Anfang einfach unwohl gefühlt, das Fieber-Thermometer zeigte leicht erhöhte Temperatur von 37,5. Als das nicht besser, sondern schlechter wurde, habe ich meine Hausärztin kontaktiert, die mir dann auch gleich empfohlen hat, in die Notaufnahme zu gehen. Zum Glück. Meine Frau hat mich gefahren. Ich bin aber alleine in die Notaufnahme gegangen. Dort gab es einen speziellen Bereich, der für Patienten mit Corona-Symptomen geschaffen wurde. Dann ging alles ganz schnell“, erzählt Andreas Labjon.

In dem so genannten infektiösen Teil der Notaufnahme sind die ärztlichen Mitarbeiter und das Pflegepersonal entsprechend den Richtlinien des Robert-Koch-Institutes mit Schutzkitteln, Handschuhen, Mund-Nasenschutz bzw. FFP2 Maske und Schutzbrille geschützt.

Den Mitarbeitern in der Notaufnahme ist nach Aussage von Dr. Stefan Bergt sehr schnell klar geworden, dass es sich wirklich um eine Corona-Infektion handeln könnte – die zuvor mehrfach geprobte und besprochene „Maschinerie“ lief an – auch zum Schutz der eigenen Mitarbeiter.

„Herr Labjon kam schon in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand zu uns. Das Fieber war auf über 39 Grad gestiegen, die Sauerstoffsättigung katastrophal. Es war Eile geboten“, berichtet der erfahrene Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin. Um das Leben des Wareners zu retten, ist er sofort auf die Intensivstation gebracht und wenig später schon beatmet worden. Das Ergebnis des Testes lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Das kam erst einen Tag später – POSITIV.
„Da kann man noch so lange Arzt oder Pflegekraft sein. In dem Moment, in dem man liest, ja, es ist Corona, werden erst einmal die Knie weich“, gibt Dr. Bergt unumwunden zu. Doch alle wussten, was zu tun ist – Ärzte und Schwestern sind in den Wochen zuvor bestens auf genau so einen Fall vorbereitet worden. „Neben dem Kampf um das Leben des Patienten stand für uns auch der Schutz unserer Mitarbeiter an vorderster Stelle. Alle unsere Maßnahmen, die wir zuvor in der Theorie ausgearbeitet und dann angewendet haben, waren erfolgreich, keiner unserer Mitarbeiter zeigt irgendwelche Corona-Symptome“, freut sich der Chefarzt.

Kapazität kann schnell erschöpft sein

Andreas Labjon ging es aber immer schlechter. Neben der Beatmung war unter anderem auch eine Dialyse notwendig. „Corona greift nicht nur die Lunge an, auch Herz, Muskeln und Nieren“, macht der Intensivmediziner deutlich. Die Behandlung schlug an. Nach fünf Tagen Beatmung im Koma und einem weiteren Tag Beatmung im Wachzustand ging es weiter aufwärts. Anfangs konnte der Warener kaum sprechen, das klappt inzwischen wieder sehr gut, doch der 65-Jährige ist sehr geschwächt.
„Cornona macht was mit dem Körper. Aufstehen und gleich wieder losgehen, funktioniert nicht. Corona ist keine Erkältung, Corona kann schwerwiegende Folgen haben. Bis Herr Labjon wieder der ist, der er vor der Infektion war, vergeht mindestens ein halbes Jahr“, sagt Dr. Stefan Bergt und appelliert damit auch an die „Verharmloser“, die immer noch meinen, dass Corona nur ein bisschen Husten und Schnupfen sei. Es gibt unterschiedliche Verläufe, und nicht nur ältere und kranke Menschen erkranken sehr schwer. Über Spätfolgen ist momentan noch wenig bekannt.

Für das MediClin Müritz-Klinikum war der erste Corona-Fall gleich eine Bewährungsprobe. Ein Mensch, an COVID-19 erkrankt, der um sein Leben kämpft. Das Müritz-Klinikum hat diese Probe mit Bravour gemeistert. Dank der perfekten Vorbereitung und der engagierten Mitarbeiter. Und auch, weil die Kapazitäten derzeit ausreichend sind. Doch das, so Dr. Stefan Bergt, ist eine trügerische Beruhigung.
Denn zum einen geht es nicht alleine um das Vorhandensein von Beatmungsplätzen, sondern vielmehr um gut geschultes Personal für die Intensivmedizin, das aber nicht unbegrenzt zur Verfügung stehe. Und zum anderen können die gegenwärtig noch sehr ausreichend vorhandenen Kapazitäten ganz schnell erschöpft sein – dafür reichen beispielsweise mehrere Infektionen in Alten- und Pflegeheimen, wie in der vergangenen Woche auch in Mecklenburg-Vorpommern passiert.

Andreas Labjon erholt sich jetzt in der Reha-Klinik. Die Ärzte und Schwestern – seine Lebensretter – will er unbedingt noch einmal besuchen, wenn es ihm besser geht, und sich dann im „Stehen“ bedanken. Und er weiß: Über seine positiv verlaufene Therapie freut sich die gesamte Belegschaft des MediClin Müritz-Klinikum.

„Wir sind Müritzer“ wünscht Andreas Labjon alles Gute und hofft, dass er schnell wieder auf die Beine kommt. Das nächste Mal möchten wir uns „live“ mit dem sympathischen Warener unterhalten. Bis dahin: Werden Sie ganz schnell gesund!

Foto ganz oben: Kurz, bevor Patient Andreas Labjon in die Rehaklink verlegt wurde: ITS-Schwester Sarah Malchow, Chefarzt Dr. Stefan Bergt und der leitende Oberarzt Dr. Philipp Stallknecht (von links)

Foto im Text links: Nachdem es Andreas Labjon wieder etwas besser ging, hat es ihm das Team der ITS ermöglicht, ein bisschen Frühlingsluft zu schnuppern – im Krankenbett auf dem Hubschrauberlandeplatz des Hauses.

Foto im Text rechts: Chefarzt Dr. Stefan Bergt im Skype-Interview mit „Wir sind Müritzer“.

Foto unten: Andreas Labjon im Gespräch mit „Wir sind Müritzer“ – aus Sicherheitsgründen per Skype.

Bilder: Jenny Thoma, MediClin Müritz-Klinikum


6 Antworten zu “Warener COVID-19-Patient: Sein Leben hing am seidenen Faden”

  1. Liz sagt:

    Ich wünsche Herr Labjon alles Gute und vor allem eine vollständige Genesung!
    Danke für diesen Bericht .

  2. Mario sagt:

    Danke für den ausführlichen Bericht. Vielleicht denken mal einige darüber nach, die so gern die Verschwörungstheorien und Verharmlosungen von sich geben!
    Das Team um Dr. Bergt leistet super Arbeit, hat mir 2017 das Leben nach einer Lungenembolie gerettet. Von dieser Stelle ganz liebe Grüße an das Team der ITS und an Herrn Dr. Branc von der Inneren!

  3. Rudi sagt:

    Koma ist schon heftig.
    Auch sehr interessant wie er sich angesteckt hat. Das heißt ja, dass es entweder ein extremer Zufall war, dass er genau den einen auswärtigem infizierten Besucher unserer Stadt im Supermarkt oder auf der Straße begegnet ist
    oder eher wahrscheinlich:
    In Waren geht seit mindestens 3 Wochen das Coronavirus um.
    Man kann eigentlich nur hoffen, dass die Dunkelziffer ganz ganz groß ist und es somit ganz viele unbemerkte leichte Verläufe bei dieser Krankheit gibt. Und hoffentlich diese leichten Verläufe keine Spätfolgen haben.

  4. Erika sagt:

    Danke, dass durch diesen Artikel die Leser von WsM einen Einblick um das Geschehen bei einer Coronaerkrankung bekommen konnten. Herr Dr. Bergt weist ja auch noch einmal sehr ausdrücklich daraufhin, dass es sich nicht um eine Bagatellerkrankung handelt, die man mal eben so überstehen kann. Genau aus diesem Grund handeln unsere Politiker aus meiner Sicht völlig richtig, in dem sie die Kontaktbegrenzungen nur langsam wieder zulassen. Können wir wirklich die Touristen in unseren wenigen Kliniken behandeln, damit sie wie Herr L. diese heimtückische Krankheit gut überstehen? Die Abläufe im Müritz-Klinikum konnten lange geplant und der Umgang mit Schutzkleidung durch das Personal geübt werden, so dass die sehr anspruchsvollen Hygieneregeln eingehalten werden konnten. Wenn sich kein einziger Mitarbeiter, bei der Versorgung und Behandlung von Herrn L. Infiziert hat – Hut ab!!!

  5. Anne sagt:

    Zu allererst einmal die besten Genesungswünsche an Herrn Labjon.
    Jeder Genesene Patient bringt ein Stück Hoffnung mit sich.
    Und dann ein herzliches Dankeschön an viel Respekt an alle Ärzte und Pflegekräfte, die zur Zeit an vordester Front stehen und einen Super Job machen.
    Ich selbst arbeite im Einzelhandel und erlebe täglich, dass es leider immernoch viele Menschen gibt, die die Covid 19 Erkrankung nicht ernst genug nehmen. Das fängt leider schon bei der Einhaltung des Mindestabstandes an, welchen viele ignorieren. Deshalb auch ein Dankeschön an das Team von WsM für diesen Bericht. Und auch sonst macht ihr immer einen guten Job. Ich lebe leider nicht mehr in MV, verfolge aber täglich die aktuellen Geschehnisse aus der alten Heimat. Macht weiter so ????

  6. Eva S. u. Anne K. sagt:

    Wir wünschen Herrn Labjon beste Genesung und viel Kraft. Den Ärzten und dem Pflegepersonal kann man nicht genug danken für ihre großartige Arbeit. Bleiben Sie gesund.