Viele kranke Kinder: RS-Virus grassiert derzeit auch an der Müritz

16. Oktober 2021

Während über Corona-Erkrankungen gerade auch bei Kindern derzeit sehr viel berichtet wird, macht den Kinderärzten seit einigen Wochen ein ganz anderer Virus richtig zu schaffen: Das Respiratory Syncytial Virus, kurz RSV genannt. Das RSV ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege, der insbesondere bei Säuglingen, Frühgeborenen und Kleinkindern „zuschlägt“. Und dieser Virus grassiert derzeit in Deutschland und sorgt auch im Warener MediClin Müritz-Klinikum für eine volle Kinder- und Jugendklinik. „Ja, seit August haben wir sehr viele Mädchen und Jungen mit RSV aufnehmen müssen“, bestätigte Chefärztin Dr. Kathrin Hake auf Nachfrage von „Wir sind Müritzer“.

Mindestens 30 Kinder mit nachgewiesenem RSV mussten in den vergangenen Wochen stationär in Waren behandelt werden, alleine in der letzten Woche waren von 14 Mädchen und Jungen auf der Station der Kinder- und Jugendklinik 12 nachweislich mit dem „fiesen“ Virus“ infiziert. Fies deshalb, weil die Kleinen richtig schlimm erkranken, nicht vergleichbar mit der ansonsten üblichen Herbst-Erkältung.

„Die Kinder husten sehr doll, haben teilweise eine Trinkschwäche und brauchen auch Sauerstoff, weil ihre Sauerstoffsättigung nicht ausreicht. Die meisten müssen inhalieren, einige bekommen Infusionen, weil ihnen die Flüssigkeit fehlt, und einige brauchen auch Physiotherapie“, berichtet Dr. Kathrin Hake. Viele der kleinen Patienten können nach drei bis vier Tagen wieder nach Hause, andere müssen aber auch sieben bis zehn Tage bleiben. Das jüngste Kind, das mit RSV in Waren behandelt werden musste, war erst 18 Tage alt.

Corona-Maßnahmen sind „schuld“

„Die Kinderarztpraxen an der Müritz sind derzeit voll mit Kindern, denen dieser Erreger zu schaffen macht. Bei sehr schlimmen Symptomen und einer schlechten Sauerstoffsättigung überweisen die niedergelassenen Kinderärzte dann an uns“, so Dr. Kathrin Hake, die seit fast zehn Jahren als Chefärztin der Warener Kinder- und Jugendklink arbeitet. Diese doch sehr auffällige Häufung von RSV schon im August und in den frühen Herbstmonaten kannte sie bisher nicht. Normalerweise „schwappt“ diese Erreger-Welle erst von April bis November übers Land.

Doch Corona hat auch das verändert. Lockdown, Ausgangssperren, Schul- und Kindergartenschließungen haben eine übliche saisonale Ausbreitung von RSV im letzten Winter verhindert. „In der Regel begegnen Kinder jedes Jahr RSV und bauen dabei einen gewissen Immunschutz auf“, heißt es dazu vom des Robert-Koch-Institut. Diese Hilfe bei der Abwehr der Erreger fehle jetzt, weil es im letzten Winter wegen der Corona-Maßnahmen fast keine RSV-Erkrankungen gab. Die Folge: Besonders viele Kinder erkranken gerade am RS-Virus.

So berichtet das RKI aktuell von einem deutlichen Anstieg der Krankenhauseinweisungen bei ein- bis vierjährigen Kindern mit RSV. Im Monat September seien vor der Pandemie circa 60 bis 70 Kinder in Krankenhäusern in Deutschland behandelt worden – im September 2021 waren es doppelt so viele. Und es wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet.

Während bei Erwachsenen erkältungsähnliche Symptome wie Schnupfen, Husten, Halsschmerzen und Fieber auftreten können, verläuft die Infektion bei Säuglingen und Kleinkindern teils deutlich schwerer – gerade, wenn sie zum ersten Mal mit dem Erreger in Berührung kommen.

Vor allem für Frühgeborene gefährlich

Nach der Infektion der oberen Atemwege kommt es innerhalb von zwei bis drei Tagen in der Regel zu einer Infektion der unteren Atemwege, so dass sich eine schwere Bronchitis oder eine Lungenentzündung entwickeln kann. Weitere Symptome sind eine schnelle Atmung, Husten, ein verringerter Sauerstoffgehalt im Blut sowie eine Trinkverweigerung. Wegen des sich schnell verschlechternden Allgemeinzustandes müssen Kinder bei einem schweren Verlauf oft im Krankenhaus behandelt werden. Besonders gefährdet für einen schweren Verlauf sind Frühgeborene, deren Lunge noch nicht vollständig ausgereift ist und Säuglinge in den ersten sechs Lebensmonaten.

Nach der Infektion dauert es im Schnitt fünf Tage bis die ersten Symptome auftreten. Meistens beginnt alles harmlos mit eine Schnupfen, Husten und Halsschmerzen. Auch eine Bindehautentzündung im Auge sowie eine Mittelohrentzündung können begleitend auftreten.

Vor allem wenn Kinder anfangen, schwer zu atmen, sollten Eltern schnell handeln.

Ähnlich wie bei anderen Atemwegserkrankungen verläuft die Übertragung von RSV hauptsächlich über Tröpfchen, die Infizierte ausatmen, aushusten oder niesen. Bei RSV spielt aber auch die Schmierinfektion eine Rolle, da der Erreger auf Oberflächen überleben kann: Laut RKI bis zu 20 Minuten auf Händen, 45 Minuten auf Papierhandtüchern sowie mehrere Stunden auf Kunststoffoberflächen. Und das ist es auch, was den Ärzten und Schwestern auf der Warener Kinderstation richtig zu schaffen macht. „Wir müssen uns komplett vermummen, um das Virus nicht weiter zu verbreiten. Das ist ein enormer Aufwand“, so Dr. Kathrin Hake gegenüber „Wir sind Müritzer“.

Bild: Chefärztin Dr. Kathrin Hake bei der Untersuchung eines Kindes. Foto: Archiv MediClin


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