29 Jahre versteckt: Neubrandenburg holt „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“ wieder hervor

10. Februar 2020

Die Kreisstadt Neubrandenburg will nun auch die einstige DDR-Auftragskunst im Rathaus freilegen und sich damit offensiv auseinandersetzen. Der Titel der Fresken, die Künstler Wolfram Schubert im Stil italienischer Malkunst 1968/69 entwarf und auch an die beiden Wände in der damaligen SED-Bezirksleitung Neubrandenburg malte, hat es in sich: „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“.
Das mit dem „Sieg des Sozialismus“ hat ja nicht so geklappt, aber allein die Geschichte der beiden je etwa 15 Quadratmeter großen Bildteile passt in die von Neubrandenburg – und die Historie des gesamten Osten Deutschlands. Das Kunstwerk war 22 Jahre zu sehen und inzwischen 29 Jahre „versteckt.“

Das farbenfrohe Werk mit den Konterfeis von Wladimir Iljitsch Lenin und Karl Marx – also den Begründern des Marxismus-Leninismus – hat der heute 93 Jahre alte Schubert damals für die Bezirksleitung der herrschenden Partei SED und den „Rat des Bezirkes“ – zu dem auch die Müritz-Region gehörte – geschaffen. Anlass war der 20. Jahrestag der DDR 1969.

Über den Einmarsch der Sowjettruppen in Prag 1968 – den „Prager Frühling“ – war Schubert damals auch informiert. Das habe er aber in anderen Bildern verarbeitet, verriet der ehemalige Vorsitzende des Bezirksverbandes der Künstler und damals zugleich einflussreicher Funktionär in der Kunstszene. In dem Auftragswerk am Friedrich-Engels-Rings fand sich nichts davon wieder. Wohl auch deshalb änderte sich 1989/90 der Umgang mit dem Wandbild. Es wurde 1991, als in dem großen Bau das Rathaus eingerichtet wurde, erst zugeklebt und später mit Leichtbauplatten überbaut.

Nun wird das Rathaus saniert und im nächsten Jahr sollen hier auch  Teile des Sozialamtes des Landkreises einziehen. „Ein guter Zeitpunkt, sich dem Bild erneut zu widmen“, sagte Oberbürgermeister Silvio Witt. Der 42-Jährige war zur Wendezeit erst 12 Jahre alt und ist im Umgang mit DDR-Kunst schon geschult. Witt sorgte dafür, dass das Karl-Marx-Denkmal in Neubrandenburg doch wieder aus dem Depot geholt und gegen etliche Widerstände, die es zentral wieder haben wollten, außerhalb der Altstadt wieder aufgestellt wurde.

„Wir wollen dieses Bild freilegen, um uns damit auseinanderzusetzen“, sagte Witt. Beim ersten Test lief das gut: Die Tochter Schuberts – eine Restauratorin „weichte die doppelte Tapete ein“, mit der das Wandbild einmal überklebt worden war. Und danach ließ sich die Schicht einigermaßen problemlos abziehen, ohne dass Farbe von den Fresken mit abgezogen wurde.

„Das sieht gut aus“, sagte auch Schubert, der beim Ablösen dabei war. Nun will seine Tochter ausrechnen, was diese Arbeit und eine Restauration insgesamt kosten könnte. Eine Wiederauffrischung der Farben sei besonders gut möglich, solange der Künstker noch lebe und es selbst entscheiden kann , hieß es. Danach steht fest, wann das Ganze freigelegt und wie es künstlerisch und seiner Zeit gemäß eingeordnet werden soll. Witt rechnet mit einer höheren fünfstelligen Summe. Eine Stiftung habe auch schon Hilfe zugesagt.

Um den „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“ in die heutige Zeit einzuordnen, sei es möglich, dass neben einer zeitgemäßen Beschriftung aus heutiger Zeit im Foyer auch noch ein drittes modernes Bild entsteht, ist eine Vorstellung des Oberbürgermeisters.


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