Was Gladiolen in Speichen mit dem Bürgermeister-Job zu tun haben

23. Januar 2016

RM1Ganz ehrlich: Es gibt nur wenige Menschen, die sich um die Teilnahme an städtischen oder kreislichen Neujahrsempfängen reißen. Mit einer Ausnahme: Wenn Röbels Stadtobere zum Rück- und Ausblick einladen, gibt’s regelrecht einen Ansturm auf die Plätze im Saal. Auch gestern Abend wieder.
Dieses Phänomen ist wahrscheinlich mit den Reden des Noch-Bürgermeisters Heiner Müller zu erklären. Denn die sind nicht nur kurzweilig und unterhaltsam, sondern in Teilen auch süffisant, und auf keinen Fall zum Gähnen, wie bei dem einen oder anderen Amtskollegen.

Auch bei seiner letzten Neujahrsrede als Bürgermeister blieb Müller gestern Abend diesem Stil treu und sicherte sich so die volle Aufmerksamkeit der Besucher – bis zur letzten Zeile.

Der Röbeler Verwaltungschef blickte nicht nur auf das Jahr in seiner Stadt zurück, sondern teilte auch ein bisschen in Richtung Umgebung aus. Zum Beispiel, als er meinte: „Unlängst wurde berichtet, dass Waren und Malchow um den vermeintlichen Titel ‚Perle der Seenplatte‘ wetteifern. Auch von Rechlin war schon der Untertitel ‚Perle der südlichen Müritzregion‘ zu hören. An dieser Perlentaucherdiskussion beteiligen wir uns aus gewissen Gründen nicht. Ganz bescheiden –müssen wir auch nicht, dann als Kronjuwel an der Müritz spielen wir in der Liga der Edelsteine.“ Peng, das hat gesessen.

Keine neuen Lebensmitteldiscounter am Hafen

RM2Und tatsächlich muss sich das „Ackerbürgerstädtchen“ nicht vor Waren und Malchow verstecken. Mit rund 135 000 Übernachtungen 2015 und der höchsten Kurabgabe in der Geschichte hat sich der Tourismus in Röbel in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt. Und so soll es weiter tun. Dabei helfen auch die 124 000 Euro, die über die Kurabgabe in die Stadtkasse flossen.

Eine touristische Nutzung wünschen sich die Politiker Röbels für den schon seit langem diskutierten Garagenstandort am Hafen. Für das Areal gab es zwar schon einige Interessenten, allerdings nur aus dem Bereich Handelsketten. Doch neue Supermärkte braucht Röbel nicht. So steht’s im Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen, der Röbel bereits einen überdurchschnittlich „hohen Besatz an Lebensmitteldiscountern“ bescheinigt. Besser deshalb eine touristische/gastronomische Nutzung.

Fast 100 Geburtstagsfeiern in einem Jahr

RM4Ein Vorhaben, das sicherlich auch noch beim Nachfolger von Heiner Müller für viel Kopfzerbrechen sorgen wird. Der Verwaltungschef hatte im vergangenen Jahr angekündigt, sich 2016 zurückziehen zu wollen, im April wählen die Röbeler einen Neuen oder eine Neue.

Dass so ein Bürgermeisterjob aber nicht mit links und 40 Fieber zu meistern ist, zeigen die Ausführungen Müllers zu einem Thema, auf das er in den vergangenen Jahren immer wieder angesprochen wurde: „Viele meinen ja, dass eine Arbeit mit so vielen Empfängen, Festen, Jubiläen und Geburtstagen gar nicht so schlecht sein kann. Deshalb habe ich das mal für 2015 aufgelistet. Ich war genau 98 mal als Gratulant der Stadt bei Seniorengeburtstagen. Bei einer mir selbst gesetzten Verweildauer von etwa einer halben Stunde waren das 2015 insgesamt 49 Stunden, eine sehr gut investierte Zeit. Nun habe ich also mein Partyleben offen gelegt. Liebe Bürgermeisterkandidaten – ob schon geoutet oder noch in der Deckung befindlich: Bürgermeister ist man 24 Stunden am Tag, bleiben also im Jahr 8711 Stunden für andere Dinge.“

Und da hat Heiner Müller auch gleich noch einen Tipp: Zu solchen Gratulationsrunden mit dem Fahrrad zu fahren ist völlig okay. Aber transportiert bitte keine Gladiolensträuße. Kommen diese, wie mir widerfahren, in die Fahrradkette, reduziert sich der Strauß ratz batz auf ein Vergissmeinnichtgebinde.“

Heiner Müller, der in Kürze sein Büro im Rathaus ausräumt, wird gewiss nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Weder seine Politik der vergangenen zehn Jahre, die Röbel sichtbar gut getan hat, noch seine unterhaltsamen Reden.

Fotos: Karsten Thorun/Stadt Röbel

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