Alt Rehse: Wie kam Sarah H. zu Tode? – Revisionsprozess endet mit Geldstrafe

19. Juni 2020

Ob dieses Urteil das „letzte Wort“ in Sachen Todesfall Alt Rehse ist, darf wohl bezweifelt werden: Der 54-jährige Mann, in dessen ehemaliger Gaststätte vor vier Jahren eine junge Frau tot gefunden worden war (WsM berichtete), hat das Landgericht Neubrandenburg heute als „freier Mann“ verlassen. Und in Begleitung einer Frau, die als Beistand neben ihm saß und seine jetzige Ehefrau sein soll. Die Kammer von Richter Henning Kolf blieb mit ihrem Urteil in Sachen „Sarah H.“ um Längen unter der Strafe von fünf Jahren Haft, die im ersten Prozess im Jahr 2017 verkündet worden war. Wohl auch zum Erstaunen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage, von denen sich aber nach dem Urteilsspruch noch niemand dazu äußern wollte.

Die Kammer verhängte heute eine Geldstrafe von 1350 Euro (90 Tagessätze zu je 15 Euro) wegen vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter Nötigung und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Als die Polizisten damals kamen, soll er gerade mit Rucksack und Akkordeon zu flüchten versucht und die Beamten attackiert haben.

Die Geldstrafe soll mit einer Haftentschädigung „verrechnet“ werden, die dem 54-jährigen damaligen Lebensgefährten von Sarah H. wegen monatelanger Untersuchungshaft zustünde. Der Verurteilte, neben dem auch noch zwei Anwälte saßen, nahm das Urteil äußerlich ruhig entgegen, notierte sich aufmerksam ein Urteil des Bundesgerichtshofes, das der Vorsitzende Richter erwähnte, und das er vielleicht noch einmal verwenden könnte. Nur als die Kamera sich nach Sitzungsende noch einmal ihm und seinem „Beistand“ näherte, rief er „Lügner“.

Mit Peitsche traktiert

Der Hauptgrund, weshalb die Kammer diesmal nur wegen „Körperverletzung“ und „Nötigung“, aber nicht wegen „Körperverletzung mit Todesfolge“ urteilte, liegt in den undurchsichtigen Sterbeverhältnissen. Es sei nicht klar, woran die Frau nun wirklich gestorben sei, hieß es. Die Experten fanden an dem halb verwesten Leichnam keine ausreichenden Hinweise mehr, dass ihr Tod mit Gewaltanwendung zu tun hatte, erläuterte der Richter.

So hatte der Angeklagte zwar zugegeben, dass er die 32-Jährige im Frühsommer 2016 einem Verhör unterzogen hat. Sie soll ihm Gegenstände gestohlen und diese versteckt haben. Sie sei „vom BND und von der Dorfbevölkerung auf mich angesetzt gewesen“, hatte er vermutet. In der Folge hatte er die junge Frau gefesselt – wie war nicht mehr nachvollziehbar – und einem Glasfiberstab mit Fellstreifen als „Peitsche“, der auch gefunden wurde – traktiert. Er habe auch zweimal bemerkt, dass ihre Atmung ausgesetzt hatte, und versucht, die zu reanimieren, hieß es.

Vermindert schuldfähig

Damals im Jahr 2016 habe sich der Informatikfachmann bereits seit zwei Jahren in einer Lebenskrise befunden, sagte Kolf. Das äußerte sich auch darin, dass seine erste Ehefrau ihn verlassen hatte, er berufliche Probleme hatte, immer wieder die Dorf-Nachbarn ärgerte und diese die Polizei wegen Ruhestörungen rufen mussten. Schließlich habe er auch Sarah H. misstraut. Beide sollen in der Zeit in Alt Rehse auch Drogen konsumiert haben.

Weil der Bundesgerichtshof das erste Urteil aufgehoben hatten, wurde der 54-Jährige inzwischen auch noch einmal psychisch begutachtet. Ergebnis: Er neige zu Übertreibungen und habe eine leichte Persönlichkeitsstörung. Eine Psychose, die ihn als vollkommen steuerungs- und schuldunfähig ausweisen würde, habe er aber nicht. Damit blieb das Gericht bei der Einschätzung, der Mann sei „vermindert schuldfähig.“

Dies alles führte nun zu dem 15 Monate dauernden Revisionsprozess und der Geldstrafe. Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die eigentlich wieder eine, vielleicht etwas geringerer Freiheitsstrafe erwartet hatten, und die Verteidigung haben nun eine Woche Zeit. Bis dahin müssen sie entscheiden, ob sie wieder Rechtsmittel – das wäre erneut Revision beim Bundesgerichtshof – einlegen.


9 Antworten zu “Alt Rehse: Wie kam Sarah H. zu Tode? – Revisionsprozess endet mit Geldstrafe”

  1. W.Müller sagt:

    Typisch deutsche Rechtssprechung! Und da wundert man sich wenn die AFD gewählt wird ? Armes Deutschland

  2. Ein Warener sagt:

    Jetzt wissen wir was ein Leben Wert ist.
    1350€!!! Und eine Entschädigung bekommt er auch noch. Das ist eine Schande für die deutsche Rechtssprechung.
    Aber was will man auch von der Politik erwarten. Man kann in Deutschland morden , Vergewaltigen, Kinder schänden und so. Dann hat man eine schwere Kindheit gehabt oder ist dank der Rechtsanwälte krank und schon kommt man frei.
    Wo ist der Rechtsstaat? Deutschland ist es bestimmt nicht mehr.
    Solange unsere Politiker besseres zu tun haben, siehe Amtor, als dafür zu Sorgen, das es Recht und Ordnung gibt, kann ja fast jeder machen was er will. Es muss sich dringend was ändern!!!

    • FrankS sagt:

      Sehr geehrter Warener Mitbürger,
      da haben sie in ihrem Kommentar ja aber alles untergebracht, was Ihnen aktuell auf der Seele liegt, mit dem Artikel aber fast nichts zu tun hat.
      Der jetzige Verfahrensstand zeigt gerade wie gut unser Rechtsstaat funktioniert. Dies ermöglicht es einem Angeklagten, sich gegen ein Urteil zu wehren und nachdem jetzt das 3. Gericht das Verfahren geprüft hat, kommt aktuell dieses Urteil heraus, dass aber mit großer Wahrscheinlichkeit von der Staatsanwaltschaft angefochten wird.
      Nur wenn das Urteil so ist wie jetzt, dann war der Angeklagte zu Unrecht eingesperrt und verdient dafür eine Entschädigung, auch das garantiert unser Rechtsstaat.
      Der Angeklagte mag kein Sympathieträger sein aber das stand nicht zur Verhandlung, der Tod der Frau war ihm nicht nachzuweisen.
      Die Geldstrafe gab es für andere, ihm nachzuweisende Delikte.
      Ich weiß, Sie werden jetzt wieder sagen, immer dieses Gutmenschengequatsche, aber das hat nicht damit zu tun. Ich bin stolz auf unsere Rechtsordnung, auch wenn sie nicht perfekt ist und es ist wert diese zu verteidigen.
      Ich möchte nämlich nicht, dass wie in anderen Ländern Präsidenten und Staatschefs Einfluss auf die Urteile ihrer Gerichte nehmen, das ist dann garantiert kein Rechtsstaat!

    • Jürgen sagt:

      Täter werden hofiert,Opfer werden verhöhnt,in diesem Fall ist es auf unnatürliche Weise aus dem Leben gerissen worden.Ich habe hohen Respeckt vor der Rechtssprechung in ????????,aber ein Menschenleben ist eben nichts wert ,der Richter kann nur nach Beweislage und sicheren Fakten den Typen verurteilen,denke das Urteil wird ihn noch ein wenig verfolgen,hoffe das der Staatsanwalt noch
      Revision einlegt wenn es noch möglich ist.Denk ich an ????????in der…..Heinrich Heine oh wie Recht er hatte.mfg

  3. N.Tup. sagt:

    Ein krankes ,perverses System und dafür sind die Menschen 89 auf die Strasse gegangen

  4. meckerkopp sagt:

    Eine Posse wie aus dem Lehrbuch.
    Tausende Euro aus dem Fenster geschmissen, Gerichte blockiert, die wichtige Fälle auf Wartelisten setzen.
    Dadurch werden am Ende noch Straftäter freigelassen, weil die Zeit in Untersuchungshaft zu lang war.
    Am Ende wird wieder Einspruch erhoben und es wird wohl noch eine größere Entschädigung geben!
    Meckerkopp

  5. Eine Warenerinnerung sagt:

    Ich bin fassungslos und hoffe nur ,dass niemals jemand aus meiner Familie so einem Innenschein begegnet !

  6. MH sagt:

    Ich verstehe das nicht,die Frau ist in seinem Haus gestorben,lag wochenlang da,das ist für mich unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge,mindesten!Wie schon erwähnt wurde,ein Menschenleben ist nichts mehr wert,hat man ja auch schon in anderen Fällen in Deutschland gesehen,wie lapidar die Urteile ausgefallen sind!Einfach nur Unmöglich!

  7. S.J. sagt:

    Es kann kein Recht sein, das jemand entschädigt wird ,der einen anderen Menschen fesselt, aus welchen Gründen auch immer, es hat zum Tode geführt. Für solche Straftaten , Lapidare Urteile :-(
    Aber für arme Verkäuferinnen ,die einen Flaschenbon mitnehmen , harte Strafen , das ist doch alles nicht mehr normal??