Angebliche Entführung entpuppt sich als stressiges Ende einer „On-Off-Beziehung“

4. September 2020

Manchmal liegen eben doch Welten zwischen der ersten Polizeimitteilung und der Wirklichkeit. Das hat sich jetzt bei einem Prozess in Greifswald gezeigt, bei dem es um eine angebliche Entführung vom 18. März auf der Sonneninsel Usedom ging, die in ganz MV für Schlagzeilen gesorgt hatte. Was sich anfangs wie eine sorgfältig vorbereitete Entführung darstellte, die nur durch Zufall kurz vor der Grenze zu Polen endete, entpuppte sich als hochdramatisches Ende einer sogenannten Dauer-„On-Off-Beziehung“, wie es beide Ex-Partner vor Gericht nannten.
Trotzdem muss sich der 48 Jahre alte Angeklagte nun für Freiheitsberaubung und Körperverletzung verantworten. Zunächst kamen dem Mann aber die Tränen, als er auf der Anklagebank über die dauerhaft stressige Partnerschaft dem Gericht über Jahre berichtete.

„Ich war fünf Jahre mit einer ‚Borderlineri'“ zusammen“, sagte der Angeklagte, der aus Königs Wusterhausen stammt und erst vor wenigen Monaten nach Usedom gegangen war – um die Partnerschaft zu retten. Dabei sei er aber „weit über seine Grenzen gekommen“, wisse er nun. Aber er schäme sich auch dafür, was er getan habe.

Im Hin und Her der Beziehung hatte sich das Paar eigentlich schon am Jahresende 2019 getrennt. Trotzdem wollte der Mann an jenem Tag im März in Korswandt bei Ahlbeck von seiner zufällig getroffenen Ex-Lebensgefährtin Antworten haben, warum ausgerechnet jetzt nun wirklich Schluss sein sollte.

In den Kofferraum gesperrt

Dann weichen die Schilderungen etwas voneinander ab. Sie sagt, er habe sie beschimpft. Er sagte, sie habe ihn wie sonst auch immer unflätig beschimpft und seine Ex-Frau, die er immer noch liebe, und seine Tochter aus der ersten Beziehung schlecht geredet. Da sei ihm die Hutschnur geplatzt, er nennt es „Kurzschlussreaktion“.

Auf jeden Fall sperrte er die 45-jährige in den Kofferraum des Kombiwagens, wobei sie am Hals verletzt wurde. Gutachter sehen darin den Versuch, die Frau zu würgen. Das bestreitet er aber. Nach dem Einsperren habe die Frau dort einen Werkzeugkoffer gefunden und damit eine Autoscheibe zertrümmert. Da seien ihm die Nerven durchgegangen. „Ich wollte, dass sie mal mir zuhört und bin losgefahren“, erklärte der Angeklagte. Ein Bekannter will ihn abhalten, er schubst ihn zurück.

Nach kurzer Zeit bog er mit dem Wagen links in den Wald ab, dort geht es Richtung Polen. Dort habe die Frau zu fliehen versucht, wobei er sie von hinten packte und zurück ins Auto sperrte. Von herausgerissenen Haaren ist die Rede. Nach einer weiteren kurzen Fahrt habe man sich unterhalten wollen, sagt er. Sie sah das anders. Schließlich fuhr sich der Mann im Wald fest. Bevor er wieder freikam, war ein Polizeihubschrauber in der Luft zu hören. Er raunte ihr noch zu ‚Wir sehen uns nie wieder‘, bevor er Richtung Polen flüchtete.

Urteil Ende September

Die Polizei befreite die Frau, die von „Todesangst“ berichtete, aber äußerlich keine schweren Verletzungen erlitten hatte. Der Geflohene wurde von polnischen Beamten gefasst und kam in U-Haft. Damit der selbstständige Gartenbauer wieder seiner Tätigkeit nachgehen kann, ließ ihn das Gericht nach einigen Wochen frei, mit der Auflage, sich von der 45-Jährigen und der Insel Usedom fernzuhalten.

Das klappte aber nur teilweise. Zum einen chattete man über andere Facebookseiten oder einen sogenannten Fake-Account, zum Anderen fuhr der 48-Jährige nach Usedom, um angeblich wichtige Unterlagen zu holen. Wohl auch, weil er dort eine neue Partnerin hat.

Das Gericht bekommt das mit und lässt den Mann wieder in Haft nehmen. Vor Gericht beteuert er, „nie wieder etwas mit der 45-Jährigen zu tun haben zu wollen“. Ob das die Schöffen, die Staatsanwaltschaft und der Richter glauben,  dürfte schwierig werden. Nach mehreren Stunden Verhandlung vertagt sich die Kammer auf den 24. September, dann wird mit einem Urteil gerechnet. Dem rabiaten „Entführer“ droht eine Gefängnisstrafe.


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