„Der Wagen“ – Berndt Seite verarbeitet Erinnerungen in einem Flucht-Buch

8. Januar 2022

Der Tierarzt und vermutlich bekannteste Politiker aus der Müritz-Region – Ex-MV-Regierungschef Berndt Seite – hat seine frühen Kindheitserfahrungen in einem Buch verarbeitet. Es heißt „Der Wagen“ und ist, wie die letzten Bücher Seites schon, im Weimarer Bertuch-Verlag erschienen. Die beiden Erzählungen haben auf etwa 170 Seiten ein gemeinsames Thema: Die Flucht. So war Seite damals knapp 5 Jahre alt, als seine Familie in Leiterwagen – wie hunderte andere deutsche Familien – aus dem damaligen Niederschlesien, heute in Polen, vor der heranrückenden Front flüchtete. In langen Trecks, unter Beschuss und in ständiger Gefahr.
Und genau diesem Thema hat der 81-Jährige nun ein Stück gewidmet, das unter die Haut geht.

Ein 12 Jahre altes Mädchen und ein gleichaltriger Jungen sind die Figuren, die vieles durchmachen, was hunderte Menschen damals erlebt haben und was sie noch Jahrzehnte hinweg geprägt hat. Tod, Gewalt, Hunger und sexuelle Gewalt. Viele, die das Buch schon gelesen haben, sind sehr berührt.

„Im Alter tauchen die Erinnerungen viel stärker wieder auf, als ich es lange erwartet habe“, sagte Seite gegenüber „Wir sind Müritzer“. Nicht alle geschilderten Dinge habe er selbst erlebt, aber viele Ereignisse sind autobiografischer Natur, sind also Familienmitgliedern oder Bekannten passiert. „Das war noch bis 1953 überall Gesprächsthema“, erinnert sich der Walower.

Grundsätzlich gelte: Kriege machen vor niemandem halt, das gelte überall in der Welt bis heute. In der zweiten, längeren Geschichte setzt sich Seite mit Noah und seiner Arche auseinander und bringt sie in Verbindung mit der Moderne. Ein Experiment, das der Ex-Politiker schon lange vor hatte. Auch hier geht es um Flucht und Verantwortung.

„Der Wagen“ ist bereits das 15. Buch aus der Feder Seites, der nach einer Krankheit aber schwerer schreiben kann. Allerdings hat er sich das meiste, wie er sagt  „von der Seele geschrieben.“ Für 2022 hofft der weiter politisch interessierte Autor, dass er noch einmal einen Gedichtband veröffentlichen kann.

Seite war schon der DDR Synodaler in der evangelischen Kirche. Mit der friedlichen Revolution kam der Tierarzt in politische Verantwortung, wurde Landrat in Röbel, ging vom Neuen Forum zur CDU und wurde 1992 Ministerpräsident. Die Gewalt in Lichtenhagen, Treuhandprivatisierungen, hohe Arbeitslosigkeit und – fast wie heute, die Werftenkrisen – bestimmten seine Regierungsarbeit. 1998 musste die CDU in die Opposition, später schied Seite aus dem Landtag aus und widmete sich dem Schreiben.


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