Drei Verfolgungsjagden und ein Toter: Prozess gegen unbelehrbares Trio hat begonnen

10. Juni 2020

Die Liste der Vorwürfe ist lang – und am Ende könnte sogar die Einweisung in eine psychiatrische Haftklinik für den Hauptverantwortlichen stehen. Seit gestern verhandelt das Landgericht Neubrandenburg mehrere Fälle, die vor einem halben Jahr an der Seenplatte und in Vorpommern für großes Aufsehen sorgten. Die Rede ist von einem Postautoraub in Salow bei Friedland, bei dem eine Postangestellte am 11. Dezember niedergeschlagen und schwer verletzt wurde (WsM berichtete).
Die mutmaßlichen Täter – ein 21-Jähriger aus der Region Greifswald und sein 19-jähriger Komplize aus Neubrandenburg – sind damals von mindestens neun Streifenwagen und auch einem Hubschrauber verfolgt worden – und das nicht das erste Mal. Schon vorher gab es zwei ähnliche Fälle, bei denen auch ein Mensch starb.

Als die Raserei mit dem Postauto nach mehr als 50 Kilometer zum Teil über die alte Bundesstraße 96 zu Ende ging, gab es bei Jarmen etliche Verletzte und mehrere beschädigte Fahrzeuge. Auch Schüsse waren gefallen, aber niemand wurde getroffen. Der 21-Jährige, der anscheinend gar keine Grenzen kennt, hatte das Postauto letztlich in einen Graben gesetzt. Seitdem befinden sich der Mann und sein 19-jähriger Komplize in U-Haft.

Vor Gericht werden auch die anderen Fälle verhandelt, bei denen der eher schmächtige 21-Jährige mit zwei Fahrzeugen – ohne einen Führerschein zu besitzen – schon durch Verfolgungsrennen mit der Polizei aufgefallen war. Die erste Fahrt war bei Greifswald Ende November, dort starb ein Bekannter, als der Wagen gegen einen Baum raste. Nur elf Tage später wurde wieder ein Fahrzeug gestohlen – bei Neubrandenburg, wo der 18-Jährige in einem betreuten Wohnen untergebracht war. Auch hier mussten Polizisten zur Seite springen, sonst wären sie überfahren worden, letztlich wurde der Wagen festgefahren. Der 18-Jährige konnte gefasst werden, die anderen flüchteten und „drehten tags darauf das Ding mit dem Postauto.“

Dem 21-Jährigen werden deshalb auch fahrlässige Tötung, schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Seine beiden mitangeklagten Bekannten müssen sich wegen Raub, Körperverletzung und Diebstahl verantworten. Eine junge Frau, die bei den Delikten auch dabei gewesen sein soll, muss sich später extra verantworten.

Am ersten Prozesstag nahm das Gericht gestern die Anklage entgegen. Schon nach etwa 30 Minuten zog sich die Kammer zur Beratung zurück – und schloss dann die Öffentlichkeit aus. Begründung: Der Hauptangeklagte, der eine Persönlichkeitsstörung haben soll, wird von zwei psychiatrischen Gutachtern beobachtet. Sie sollen bewerten, ob der junge Mann dauerhaft in einem psychiatrischen Haftkrankenhaus untergebracht werden soll. Dabei könnten solche intimen Details aus seinem Leben zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit – bis zur öffentlichen Urteilsverkündung – rechtfertigen, hieß es. Das soll am 6. August sein. Die Mutter des getöteten Beifahrers blieb im Saal: Sie tritt als Nebenklägerin auf.

Foto: Felix Gadewolz


2 Antworten zu “Drei Verfolgungsjagden und ein Toter: Prozess gegen unbelehrbares Trio hat begonnen”

  1. meckerkopp sagt:

    Ein eindeutiger Fall für die Psychiatrie!
    Bloß nicht wegsperren, wo sollen sonst die schönen Widwest Schlagzeilen herkommen.

    • Simon Simson sagt:

      Meckern ja gern und hier. Ich meine aber: Psychiatrie heißt doch nur, dass es um medizinische Indikation geht, nur oder auch. Es gibt offene und geschlossene Einrichtungen, letztere auch mit geringen Sicherheitsanforderungen, z.B. für Demenzkranke oder mit hohen, entsprechend Haftanstalten für kranke Deliquenten, die andere in Gefahr bringen. Auch Straftäter können krank sein und jede Krankheit ist ein Fall für die Medizin, nicht nur für liebe Mitbürger.