Ein Arzt und zwei ITS-Schwestern geben interessante Einblicke in Behandlung eines Covid-19-Patienten

20. April 2020

Wir haben gestern über den ersten an COVID-19 erkrankten Patienten, der im MediClin Müritz-Klinikum in Waren auf der Intensivstation behandelt werden musste, berichtet. Am Freitag ging es für Andreas Labjon (65), der in Lebensgefahr schwebte, in die Reha-Klinik. Bis sich sein Körper vollständig von den Folgen der Erkrankung erholt hat und er in sein Alltagsleben zurückkehren kann, wird es allerdings noch einige Zeit dauern.
Das Ärzte- und Pflegeteam der Intensivstation des Krankenhauses ist mehr als erfreut, dass es Herrn Labjon wieder gut geht und freut sich über den Behandlungserfolg. Niemand, der an der Therapie Beteiligten hat sich angesteckt. Dies ist neben der positiv verlaufenen Therapie des Patienten ein weiterer großer und sehr wichtiger Erfolg für die Akut-Einrichtung.
Doch was bedeutet die Behandlung eines COVID-Patienten für das  Team aus Ärzten, Pflegern und Therapeuten.
In einem Interview haben uns die ITS‑Schwestern Sarah Malchow (Mitte) und Kathrin Gerhardt sowie der leitende Oberarzt Philipp Stahlknecht einen Einblick in ihre Arbeit gegeben. Ein Einblick, der jeden aufhorchen lassen sollte.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie aus der Notaufnahme die Information bekommen haben, dass ein Patient mit dringendem COVID-19 Verdacht auf dem Weg zu Ihnen auf die Station ist?

Sarah Malchow: Ich war schon sehr aufgeregt. Natürlich haben wir uns die Tage zuvor sehr intensiv auf diese Situation vorbereitet, wenn es dann aber auf einmal soweit ist, dann bekommt man schon ein bisschen weiche Knie. Wir haben unsere Schutzausrüstung angelegt, das Patientenzimmer vorbereitet und dann den Patienten entgegengenommen. Er war in keinem guten Zustand. Nach dem Eintreffen in der Notaufnahme ging es ihm innerhalb kürzester Zeit immer schlechter, so dass er beatmet werden musste.

Kathrin Gerhardt: Man kann schon sagen, dass die bis dahin unsichtbare Bedrohung auf einmal ein Gesicht und einen Namen bekommt. Na klar schwang auch ein bisschen Angst mit, aber diese hat nicht die Überhand gewonnen. Das ist wichtig. Ich bin Krankenschwester und ich habe diesen Beruf erlernt, um kranken Menschen zu helfen. Am Ende ist es also Herr Labjon, den wir versorgen –  ungeachtet dessen, woran er erkrankt ist.

War es für Sie eine andere Situation auf der Station, einen COVID-19 Patienten zu behandeln gegenüber einem anderen Isolationspatienten?

Philipp Stahlknecht: Es ist ein großer Unterschied zum Arbeiten in normalen Isolationszimmern. Beginnend damit, dass man es mit einer Krankheit zu tun hat, für die es keine spezifische medikamentöse Therapie gibt. Wir können leider nur die Symptome bekämpfen und deren Folgen. Ich empfand es stressiger und vor allem aufwendiger als sonst. Es ist eine echte Herausforderung, unter voller Schutzausrüstung die gewohnten Arbeitsschritte bei der Behandlung des Patienten durchzuführen. Sonst arbeiten wir nicht mit Schutzbrillen am Patienten.
Unter den FFP Masken ist das Atmen erschwert. Sie müssen ganz eng am Gesicht sitzen, um den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Durch das Tragen des Mundschutzes beschlägt die Schutzbrille immer wieder. Die Schutzkittel sind nicht atmungsfähig, und man schwitzt sehr stark – es fühlt sich an, als wenn man in eine Plastiktüte steigt.

Haben Sie sich selber ausreichend geschützt gefühlt oder hatten Sie Angst, sich anzustecken?

Kathrin Gerhardt: Ein bisschen Sorge hatte ich schon. Angst direkt würde ich es nicht nennen. Ich bin selber auch Mutter, und natürlich mache ich mir Gedanken, dass ich mich anstecken und meine Familie gefährden könnte. Andererseits bin ich ganz klar der Meinung, dass wir mit unserer Schutzausrüstung, wenn sie richtig benutzt wird, deutlich sicherer sind als außerhalb des Krankenhauses. So richtig hat man kein Gefühl für die Erkrankung, also wie groß die Gefahr für mich selbst ist. Ich empfand es durchaus etwas bedrohlicher als in anderen Isolations-Zimmern, z.B. bei Patienten mit multiresistenten Keimen.

Philipp Stahlknecht: Das Wissen um die knappen Ressourcen und den schonenden Umgang mit diesen macht das Arbeiten am Patienten nicht einfacher. Wir haben versucht, Kittel und Masken personenbezogen so oft wie möglich in einer Schicht wiederzuverwenden. Dabei schießen einem schon immer wieder Gedanken durch den Kopf, ob man den Kittel jetzt auch vorsichtig genug und korrekt aus- bzw. wieder angezogen hat etc.

Vor welchen besonderen Herausforderungen standen Sie bei der pflegerischen Versorgung des Patienten?

Sarah Malchow: Pro Schicht haben wir uns circa 10 Mal oder mehr in das Zimmer ein- und ausschleusen müssen. Das bedeutet natürlich einen immensen zusätzlichen Zeitaufwand. Ich musste jedes Mal die gesamte Schutzausrüstung, sprich Kittel, FFP2-Maske, Handschuhe und Schutzbrille an- und im Anschluss natürlich auch wieder ablegen. Gerade, weil wir die Masken und die Kittel personenbezogen innerhalb einer Schicht wiederverwenden wollten, sind auch hier die Abläufe beim Ablegen nochmal intensiver als sonst bei Isolationspatienten.
Speziell nach der ersten besonders akuten Phase müssen wir Pflegekräfte häufiger zum Patienten, als die Ärzte. Wir machen die Körperpflege des Patienten, unterstützen bei der Mobilisation, überprüfen und korrigieren die Lagerung, reichen das Essen, geben Medikamente, wechseln Spritzen oder machen die Infusionstherapie.

Kathrin Gerhardt: Bevor ich das Zimmer betreten habe, musste ich mir sehr genau und strukturiert überlegen, was ich alles machen möchte und was ich dafür benötige. Es ist wichtig, ein gut funktionierendes Team zu sein. Wenn doch einmal etwas vergessen wurde, dann sind die anderen Kollegen draußen aktiv und reichen die benötigten Materialien in die Schleuse.

Vor welchen besonderen Herausforderungen standen Sie bei der medizinischen Versorgung des Patienten?

Philipp Stahlknecht: Da wir den Patienten unmittelbar nach dem Eintreffen auf unserer Intensivstation in Narkose  versetzt und ihn auf den Bauch gedreht hatten, um seine Lungenfunktion zu verbessern, mussten hier entsprechend regelmäßig die Lagerung und die vitalen Funktionen geprüft werden. Kurzzeitig stand der Patient vor der Notwendigkeit einer extrakorporalen  Lungenersatzbehandlung. Dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen. Allerdings erlitt er nach wenigen Tagen ein bei Krankheitsbildern dieser Intensität typisches dialysepflichtiges Nierenversagen. Die Nierenersatztherapie war für uns eine zusätzliche  Herausforderung und brachte zusätzlichen Aufwand mit sich. Körpergewichtsabhängig hat so ein Gerät einen höheren Verbrauch an Dialyseflüssigkeiten und das Dialysegerät musste teilweise stündlich bedient werden. Um die medizinische Wirksamkeit nicht zu gefährden, erfordert es eine gewisse Schnelligkeit bei der Bedienung des Gerätes, sobald dieses ein akustisches Signal aussendet.

Sie müssen sich vorstellen, dass ein zur Behandlung nicht mehr benötigtes Gerät, welches das  Isolationszimmer wieder verlassen soll, gründlich mittels Wischdesinfektion dekontaminiert werden muss. Dies dauert zum Beispiel alleine bei einem ITS-Bett circa 45 Minuten. Diesem Umstand geschuldet, ließen wir natürlich regelmäßig benötigte Hilfsmittel, sofern möglich, ständig in dem Isolationszimmer. Dazu gehören neben den medizinischen Geräten wie z.B. dem Beatmungsgerät und der Dialysemaschine dann auch das Sonografiegerät oder aber der Toilettenstuhl und Therapiehilfen der Physiotherapeuten.
Die zunehmende Anzahl notwendiger medizinischer Geräte und der Platzmangel, in dem ursprünglich gewählten Einbettzimmer, zwangen uns im Behandlungsverlauf  dazu, dass wir unter der Behandlung noch das Patientenzimmern wechseln mussten.

War ich in das Zimmer eingeschleust und erledigte dort meine Arbeitsabläufe, fühlte ich mich ein bisschen wir ein Taucher mit Blei am Fuß. Ich kam auf Grund der Schutzausrüstung und der damit verbundenen eingeschränkten Bewegungsfreiheit in den Arbeitsabläufen nicht in meinem gewohnten Tempo voran. Klingelte dann draußen das Telefon, konnte ich nicht mal eben schnell aus dem Zimmer raus und den Anruf beantworten. Schon die Behandlung eines einzelnen Patienten bindet deutlich mehr personelle Ressourcen als man denken sollte.

Der Patient ist bei gutem Wohlbefinden entlassen worden. Stimmt Sie das zuversichtlich für die Herausforderungen, die in der nächsten Zeit noch kommen können in Bezug auf COVID-19?

Philipp Stahlknecht: Natürlich sind wir alle sehr froh, dass der Patient von dem Virus geheilt ist und das Schlimmste überstanden hat. Das ist ein toller Erfolg für ihn und bedeutet für  unser Team Freude, Erleichterung und motiviert uns im Hinblick auf die kommenden Covid-19 Patienten ungemein. Alle Mühen haben sich gelohnt und rückblickend war es doch eine sehr dankbare Aufgabe. Von dem Moment an, von dem der Patient uns durch seine Kooperation bei der Behandlung unterstützen konnte, hat er dies auch vollumfänglich getan. Das hat vieles erleichtert.
Uns fällt auch ein Stein vom Herzen, dass sich niemand von den Mitarbeitern angesteckt zu haben scheint. Die erste Bewährungsprobe in Sachen Coronavirus haben wir bestanden und gut gemeistert, würde ich sagen.

Ich denke dass ich auch im Namen meines Chefarztes sagen kann, dass ich sehr stolz auf unser gesamtes Team bin: wir haben alle konzentriert Hand in Hand gearbeitet und haben als ITS-Team von allen Seiten eine fantastische Unterstützung erhalten. Hierbei gilt mein Dank neben dem direkt an der Therapie beteiligten ITS-Schwestern und den ärztlichen Kollegen der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin auch den Mitarbeitern der Rettungsstelle, der Radiologieabteilung, der Physiotherapie und den Reinigungskräften. Wir haben in der Behandlungsphase die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, eine Neuorganisation der gesamten Intensivtherapiestation probehalber „durchzuspielen“ um gegebenenfalls für die Behandlung mehrerer COVID-19 Patienten gerüstet zu sein. Das bedeutete einen hohen Arbeitseinsatz auch in der Anästhesiepflege. Die Kollegen  der operativen Fachabteilungen und der OP-Pflege haben viel Geduld bei der Umstrukturierung der Prozesse rund um die Nachbetreuung von OP-Patienten im Aufwachraum gezeigt – ich danke Ihnen allen sehr!

Den Artikel über Andreas Labjon finden Sie hier: https://www.wir-sind-mueritzer.de/allgemein/161636/


2 Antworten zu “Ein Arzt und zwei ITS-Schwestern geben interessante Einblicke in Behandlung eines Covid-19-Patienten”

  1. B.Rehfeldt sagt:

    Gänsehaut pur ! Großartige Menschen sind das , und die Anerkennung für ihre Arbeit durch die Gesellschaft kann nicht groß genug sein. Anerkennung auch durch entsprechend angemessene Bezahlung, ich hoffe, dass das ganz oben auf der Agenda der Politiker nach dieser Krise steht.
    Zum anderen sollte unbedingt aufgearbeitet werden, warum es im ganzen Land und vor allem im medizinischen Bereich an Schutzkleidung fehlt. Für mich ein Skandal und unverantwortlich.
    Das Prozedere mit der wiederverwendeten Schutzkleidung in so einer Situation ist in einem Land wie Deutschland unfassbar.
    Ich hoffe, dass die richtigen Fragen nach der Verantwortlichkeit gestellt werden.

  2. @Herr Philipp Stahlknecht
    Ich würde Ihnen gerne etwas von unserem Antibeschlagmittel für Brillen zukommen lassen. Es kann sowohl auf Schutzbrillen wie auch normalen Brillen zum Einsatz kommen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Optik Wolter