Ein interessanter Blick in Warens jüngste Geschichte

5. Juni 2020

Ein besonderes Buch wurde gestern einer kleinen Gruppe von Warenern präsentiert. Ein Buch von Warenern, das an die Ereignisse vor 30 Jahren zur Wendezeit errinnern will. Eigentlich sollte das Buch einer großen Öffentlichkeit präsentiert werden, aber durch Corona war dies nicht möglich. So trafen sich im Stadtgeschichtlichen Museum die Autoren und zahlreiche Medienvertreter.

Jürgen Kniesz berichtete, dass vor ca. einem Jahr die Idee zu diesem Buch entstand. Seitdem haben 27 Zeitzeugen ihre Erlebnisse und Eindrücke aus ihrer Sicht mit ihren eigenen Worten aufgeschrieben. Nicht geschönt, sondern ganz subjektiv aus er Sicht jedes Einzelnen.

Im Oktober vor 30 Jahren gingen auch in Waren die Menschen auf die Straße, um das politische System der DDR zu reformieren. Erst wenige, dann wurden es immer mehr. Angst und Furcht wichen langsam der Hoffnung auf ein neues Leben. „Unsere Stärke war, dass wir so viele waren, alles Bürger aus unserer Stadt.“ erzählte Thomas Müller. Der Warener Kinderarzt war von Anfang an in der ersten Reihe mit dabei.

Entstanden ist Dank der Unterstützung vieler Menschen ein sehr bewegendes  Buch. Dabei übernahm Jürgen Kniesz vom Stadtgeschichtlichen Museum die Organisation, umgesetzt wurde das Projekt von Müritz Buch. In emotionalen Reden schilderten auch Christoph de Boor und Stefan Dahlmann ihre Errinnerungen an die Zeit vor 30 Jahren.

Nun hoffen die 27 Autoren, dass durch dieses Buch das Wissen um diese Ereignisse im Herbst 89 nicht verloren geht und sich auch die jüngeren Generationen mit der Geschichte der Stadt und der friedlichen Revolution beschäftigt Dazu wird es eine Zusammenarbeit mit den Schulen der Stadt geben.

Auch für die vielen Urlauber in der Müritzregion könnte das Werk ineressant sein. „Zwei Bücher verschenke ich an gute Freunde in den alten Bundesländern, die ich ohne die Wende nie kennengelernt hätte“ so Thomas Müller und mit Blick auf die derzeitigen Proteste in den USA „das größte Wunder war, dass alles friedlich geblieben ist!“

Das Buch hat 420 Seiten, kostet 16,80€ und ist in allen Buchläden erhältlich. Weiterhin enthält es einen Link zu historischen Mitschnitten aus dem Herbst 89.

Mehr Informationen gibt es unter www.herbst-89.de


4 Antworten zu “Ein interessanter Blick in Warens jüngste Geschichte”

  1. Raoul Bajorat sagt:

    Auch ich kann mich noch an unglaublich viele Erlebnisse aus dieser Zeit erinnern. Zwei kann ich zum Besten geben.

    Die unmittelbare Vorgeschichte des Herbst ´89 begann schon im Mai ´88 anlässlich der Kommunalwahl in der DDR. Die Staatsmacht hatte zu einer „Kandidatenvorstellung“ im Vorfeld der Wahl geladen. Ich bin nicht mehr sicher, wo das stattfand, es könnte ein Saal im damaligen „Rat des Kreises“, heute Raiffeisenbank am Kiez gewesen sein. Als damals 18-jähriger Abiturient und Erstwähler war ich dort.
    Die Veranstaltung zog sich erwartet zäh hin, ein Teil der Kandidaten, die angehalten waren, sich „dem Volke“ (das bestand in diesem Saal großteils aus Leuten, die da sein mussten und Funktionären) vorzustellen, war nicht in der Lage, außer Namen und Arbeitsstelle einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen.
    Ich fragte mich ernsthaft, ob ich von diesen Leuten vertreten werden wollte. Die Antwort gab ich dann bei der Wahl.
    Und plötzlich stand in einer der hinteren Reihen ein Wuschelköpfiger Mittzwanziger auf und erklärte, dass er sich wünschte, wir würden unseren Blick nach Osten richten und den Bemühungen der Sowjetführung im Rahmen von Glasnost und Perestroika folgen. Weiter kam er nicht. Es sprang einer von denen, die da sein mussten, wie von der Tarantel gestochen auf und fing an, einen offensichtlich mühsam auswendig gelernten Satz herauszubrüllen: „Im Namen meines Arbeitskollektivs verwehre ich mich auf das Schärfste gegen derart unverschämte Bemerkungen und …..Gestammel…. stehe fest hinter unserer Partei- und Staatsführung!“. An Name, Gesicht und Adresse des geifernden Krakeelers erinnere ich mich gut, den kannte ich nämlich.
    Und den Wuschelkopf mit Hang zum offenen Wort lernte ich dann kurze Zeit später kennen. Das war nämlich Christoph de Boor.

    Eine andere Erinnerung geht auf den Herbst ´89 zurück. Ich hatte als Student in Rostock gerade wieder an einer Donnerstagsdemo teilgenommen und dann bei Pastor Joachim Gauck an der Haustür meine Beitrittserklärung zum Neuen Forum abgegeben. Ich vermute mal, es war ein Freitagabend, da fand dann in Waren im großen Saal des Kreiskulturhauses auf dem Mühlenberg eine Bürgerversammlung statt. Diverse damalige und heute bekannte Gesichter waren auch da. Viele Warener ergriffen das Wort, erzählten Anekdoten. Ein Bürger erzählte, wie er offiziell zur Auszählung der Stimmen der Kommunalwahl im Vorjahr eingeladen wurde und dann dort mitbekam, wie die SED frech die Zahlen fälschen ließ. Und dass er sich erst jetzt getraue, das laut zu sagen. Ein bekannter späterer Landrat und Landesminister sprach auch. Irgendjemand äußerte, wie schön es sei, dass der Stalinismus endlich überwunden sei und es daher jetzt wieder weitergehen könne wie zuvor, was mich als 19-jährigen Studenten tatsächlich mit leicht zitternden Knien aufstehen und widersprechen ließ. Und dann stand auch noch unser heutiger Präsident der Warener Stadtvertretung auf und zitierte (an den genauen Zusammenhang kann ich mich nicht erinnern) aus dem Liedtext von “ Die Partei, die Partei, die hat immer recht…“. Ein Geraune hob an, dann Gesause, dann Gebrüll im Saal. Niemand wollte ihm ans Leder, aber die Leute hatten mehrheitlich von allem, was mit SED und Bevormundung zu tun hatte, gestrichen die Nase voll.

    Dergleichen hätten sicher viele Warener zu berichten und vielleicht ist das ja mal eine eigene Serie bei WSM wert.

    • Raoul Bajorat sagt:

      Kleine Korrektur zu oben:
      Die Kommunalwahl war natürlich auch 1989.

    • Gunther Gabriel sagt:

      Denn wer kämpft für das Recht,
      Der hat immer recht.
      Gegen Lüge und Ausbeuterei.
      Wer das Leben beleidigt,
      Ist dumm oder schlecht.
      Wer die Menschheit verteidigt,
      Hat immer recht.

      Kann man doch so 1 zu 1 unterschreiben, oder?
      Ist nämlich aus dem „Lied der Partei“ (das erwähnte Lied)
      Allerdings ist der Rest des Liedes natürlich nur schwerz zu ertragen. :-)