Ein Leben für die Sparkasse: Gisela Richter sagt am Freitag adieu

27. Juni 2017

Diese Woche wird wahrscheinlich die schwerste Woche im Arbeitsleben von Sparkassen-Chefin Gisela Richter. Es ist ihre letzte Arbeitswoche. Nach fast 40 Jahren. Das sind 40 Jahre bei der Sparkasse in Waren. 40 Jahre mit vielen Höhen und Tiefen.
Mauerfall, Währungsreform, Börsencrash – um nur einige große Ereignisse zu nennen, die Gisela Richter als Sparkassen-Mitarbeiterin, und zumeist auch als Vorstandschefin erlebt hat. Am kommenden Freitag sagt die 62-Jährige „ihrem“ Haus und den rund 170 Beschäftigten Tschüss.

Die meisten Mitarbeiter, von denen sie sich verabschieden muss, haben wie sie als Jugendliche bei der Sparkasse ihr Berufsleben gestartet. Bei Gisela Richter ist eigentlich eine Freundin Schuld an der Berufswahl. Denn die Mutter der Freundin arbeitete damals in der Sparkasse und der „kleinen“ Gisela gefiel das Bankhaus in der Friedensstraße, als sie die Mutter besuchten.

Und so war für sie klar, dass sie 1977  während des Studiums der Finanzwirtschaft an der Humboldt-Uni in Berlin ihr fünfmonatiges Praktikum an der damaligen Kreissparkasse Waren absolvieren wollte. Danach war es offenbar ganz um sie geschehen: Nach dem Studium stieg sie sofort bei „ihrer“ Sparkasse ein. Und zwar an der Basis.
„Ja, ich kenne die Schalterarbeit und sie hat mir auch wirklich Spaß gemacht. Kasse machen war mein Ding. Die musste auf Heller und Pfennig stimmen. Hat sie meistens auch“, erzählt die Ruheständlerin in spé, die in Waren geboren wurde und auch nie aus Waren weg wollte.

Mit der D-Markt im Koffer-Raum des Dacia

Schnell machte Gisela Richter Karriere in der Sparkasse, arbeitete unter anderem als Zweigstellenkoordinatorin und Abteilungsleiterin. Dabei hatte sie den besten Ziehvater, den man haben konnte: Bodo Gundlach, langjähriger Sparkassenchef  und irgendwie auch eine „Institution“ in Waren. Er hat das Potential seiner Mitarbeiterin offenbar schnell erkannt und sie über Jahre gefördert. So lange, bis sie ihn ablöste. Und wenig später kam die Wende. Eine total verrückte Zeit, mit Erlebnissen, die heute für ganz viel Kopfschütteln sorgen.

Wie die Währungsunion im Juli 1990, die Umstellung der Konten auf D-Mark und die Auszahlung der ersten Scheine an die Müritzer. Ein Tag, der lange vorbereitet wurde, aber dann doch irgendwie chaotisch wurde.

Aber lassen wir doch einmal Gisela Richter erzählen: „Wir haben in Schichten gearbeitet, wollten alles perfekt machen, aber wir hatten ja nicht jedes Detail in der Hand und mussten auf das Geld warten. Irgendwann mittags riefen dann die Kollgen aus Malchow an und sagten, dass sie dringend Geld brauchen. Wir haben dann unsere Fahrer Kurt Tupeit und Hans Heise mit unserem Dacia losgeschickt. Im Kofferraum eine nicht unbeträchtliche Summe Geld. Vor der Malchower Brücke guckte der Fahrer dann in den Rückspiegel und wunderte sich, dass er nichts sehen konnte. Die Kofferklappe stand sperrangelweit auf. Darin das viele Geld. Zum Glück ist alles gut gegangen“, erinnert sich Gisela Richter.

Die heute 62-Jährige ist seit 1993 Vorstandschefin der Müritz-Sparkasse und hat sie zur führenden Bank in der Müritz-Region gemacht. Zur Freude des Landkreises, der in den vergangenen Jahren immer um die 300 000 Euro Gewinnausschüttung bekommen hat, aber vor allem auch zur Freude zahlreicher Vereine und Verbände in der Müritz-Region. Denn einige würde es ohne die Sparkasse gar nicht mehr geben. Um die 200 000 Euro gibt die Müritz-Sparkasse pro Jahr an die Vereine und Verbände und sorgt damit maßgeblich für den Erhalt der Vereinskultur sowie zahlreicher sozialer Projekte in der Region.

Wieder eine Frau an der Spitze

Darüber hinaus ist sie einer der größten Arbeitgeber und ein zuverlässiger Ausbilder. Viele junge Frauen und Männer, die sich in der Müritz-Sparkasse ausbilden lassen, haben eine echte Perspektive. „Wir setzen auf unseren eigenen Nachwuchs. In den Führungspositionen haben wir nur Leute, die wir selbst ausgebildet haben“, erzählt Gisela Richter stolz.

Und: Die Müritz-Sparkasse ist auch ziemlich weiblich. Leitende Positionen haben häufig Frauen inne. Der Vorstand ist seit Jahren durchweg weiblich besetzt – bis jetzt. Denn nach dem Ausscheiden von Gisela Richter rückt mit Christian Henning ein Mann nach.

Vorstandschefin wird aber wieder eine Frau: Andrea Perlik, 48 Jahre alt, und eine „Ziehtochter“ von Gisela Richter.  Auch sie schon sehr erfahren, Sparkassen-Frau durch und durch. Auch sie will das weiterleben, was Gisela Richter wichtig war: Die Sparkasse bleibt in der Fläche, die heutigen 10 Filialen in der Müritz-Region sollen Bestand haben. Und das ist besonders für die Bewohner in den Dörfern wichtig. Wie beispielsweise in Möllenhagen. An die Eröffnung der dortigen Filiale hat Gisela Richter übrigens besondere Erinnerungen. „Die ersten Kunden waren da, aber kein Geld in der Kasse. Also haben alle anwesenden Sparkassenmitarbeiter ihre privaten Portemonnaies geleert und ausgeholfen. Hat gereicht, bis das Geld eingetroffen ist“, so die Warenerin.

Nicht nur diese nette Anekdote ist Geschichte, auch das Berufsleben von Gisela Richter wird es bald sein.Traurig? „Ja, aber das Leben ist ein Maßband. Das muss man akzeptieren“, sagt die Noch-Vorstandschefin, aber man merkt schon, dass ihr der Abschied sehr schwer fällt. Auf der anderen Seite freut sie sich auf mehr Zeit für ihre beiden Kinder, die nicht in Waren leben und vor allem die Enkeltochter, die in Kürze in die Schule kommt, und den kleinen Enkelsohn.

Wir wünschen Gisela Richter einen erlebnisreichen, nie langweiligen Ruhestand, der hoffentlich mit weniger Zahlen auskommt, und Andrea Perlik einen guten Start in ihren neuen, verantwortungsvollen Job.

An diese Stelle sei noch eine ganz persönliche Anmerkung erlaubt:

Wer ist eigentlich Gisela Richter, haben sich viele Müritzer in den vielen Jahren ihrer „Sparkassen-Herrschaft“ gefragt. Und warum haben sie das gefragt? Weil sich die Vorstandschefin der Müritz-Sparkasse trotz ihrer Position nie in den Vordergrund gedrängt hat. Rote Teppiche waren nie ihr Ding, Veranstaltungen, auf denen es nur ums „Sehen und gesehen werden ging“, mochte sie nie.
Natürlich gab’s auch für die 62-Jährige viele Pflichtanlässe, an denen sie nicht vorbei kam. Aber selbst dort wurde häufig gefragt: „Ist Frau Richter auch hier?“, denn sie hielt sich im Hintergrund, kein Schickimicki, keine großen, überschwänglichen Reden.
Dem Vernehmen nach mussten sogar die Organisatoren des Morizaner-Mahls ziemlich lange betteln, bis sich Gisela Richter breitschlagen ließ, als erste und bisher einzige Fürstin das Zepter zu übernehmen. Sie hat sich lieber um „ihre“ Sparkasse gekümmert, als mit Champagner anzustoßen. Dabei hätte sie dazu bei den guten Ergebnissen der Müritz-Sparkasse allen Grund gehabt.
In diesem Sinne: Danke, Frau Richter, für mehr als 25 Jahre gute, sehr faire  Zusammenarbeit und alles Gute für ihre Zukunft!                                                                                                                              
Antje Rußbüldt-Gest

 

Foto im Text: Sparkassenchefin Gisela Richter mit Kerstin Kirwitzke-Hohls, die sie fast 25 Jahre lang als Sekretärin begleitet hat.

Foto unten: Andrea Perlick, ab 01. Juli Vorstandsvorsitzende, die langjährige Vorstandschefin Gisela Richter, Landrat Heiko Kärger, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse ist, und Gabriele Gundlach, ab 1. Juli ebenfalls Mitglied im Vorstand.


Eine Antwort zu “Ein Leben für die Sparkasse: Gisela Richter sagt am Freitag adieu”

  1. Christine Bülow sagt:

    Ich bin seit 50 Jahren Kundin bei der Sparkasse und ich fühle mich nach wie vor gut aufgehoben, mein Geld übrigens auch.
    Vielen Dank an Frau Richter für ihre tolle Führungsarbeit. Ich wünsche ihr tolle Jahre ohne Verpflichtungen. Es gibt kein großes schwarzes Loch, wenn man in den (Un)Ruhestand geht. Im Gegenteil, es gibt viel Zeit, die man jetzt für sich und andere hat. Viel Spass dabei!