Eurofighterabsturz: Vor einem Jahr hatte die Region „Riesenglück“

18. Juni 2020

Vor einen Jahr, genau am 24. Juni 2019, stand die Müritz-Region unter Schock: Gegen Mittag flogen drei Kampfflugzeuge ein gefährliches Manöver über Müritz und Fleesensee. Das ging gehörig schief: Zwei Maschinen stürzten ab, ein Pilot starb, einer überlebt, die dritte Maschine flog zurück. Ein Jahr später hat sich „Wir sind Müritzer“ an den Absturzstellen umgesehen. Resümee: In den Dörfern erinnert fast nichts mehr an die Katastrophensituation von damals – nur die Straße von Silz nach Jabel und Waren ist in Nossentin in der Kurve wieder an der Stelle gesperrt, wo sie es auch schon vor einem Jahr war. Diesmal sind aber Straßenbauarbeiten in Jabel schuld.

„Bei jedem Überschallknall denkt man automatisch an damals“, sagt Hendrik Brandt. Der 37-Jährige wohnt mit Familie auf einem Grundstück direkt neben dem gesperrten Gutshaus in Nossentin. Auf dem Parkplatz daneben war damals die erste Leitstelle der Bundeswehr, die auch die Verteidigungsminister Ursula von der Leyen besuchte. Nur wenige hundert Meter im Wald – fast neben dem Kriegerdenkmal –war der größte Teil des Flugzeugwracks niedergegangen, dessen junger Pilot dabei umkam.

„Wir haben damals große Angst gehabt, vor allem um die Tochter, die in Nossentiner Hütte im Kindergarten war“, erzählt Brandt. Auch bei „Hütte“ war ein Flugzeugwrack nur wenige hundert Meter westlich der Häuser abgestürzt – in einem Roggenfeld. Überall im Ort wurden kleine und große Trümmerteile gefunden, auch direkt neben der Kita. Im Ort stehen immer noch grüne kleine Container, wo Finder verdächtige Teile reinwerfen können.

Kein Gedenken

„Ich finde, dass man an ein solch einschneidendes Erlebnis ruhig in einer gewissen Form erinnern sollte“, sagt der 37-jährige Brandt, der sich als „geschichtsinteressiert“ einschätzt. Solche Gedanken hat wohl auch Amtsvorsteherin Birgit Kurth gehabt. Sie hatte vorgeschlagen, dass Nossentiner Hütte ein Gedenken abhält, in welcher Form auch immer. Aber dafür fand sich keine Mehrheit. Dabei ist den meisten Einwohnern klar, dass alle drei Dörfer, ja sogar die Region von Malchow über Waren bis Laage, wo die Unglücksflieger herkamen, wohl eine riesige Portion Glück an dem Tag hatten.

An den Unfallstellen ist auch Normalität eingezogen. Nachdem die Bundeswehr an beiden Absturzstellen großräumig das Erdreich ausgetauscht hat, sind im Wald bei Nossentin wieder Bäume gepflanzt worden. Diese sind umzäunt, konkurrieren mit fast gleich großem Unkraut und kämpfen mit der starken Trockenheit. Auf dem sandigen Feld westlich von Nossentiner Hütte wächst ordentlich hoher Roggen, der aber überall gleich dünn erscheint. Die Landwirte, die die Ernte im Vorjahr von dort komplett entsorgen mussten, rechnen wieder mit geringem Ertrag. Es sei eben zu sandig und wieder zu trocken.

600 000 Euro Entschädigung gezahlt

Bei der Bundeswehr heißt es, der jüngere Pilot trage die Verantwortung für den Absturz. Das habe eine eingehende Untersuchung ergeben, die bisher aber noch nicht veröffentlicht wurde und es vielleicht auch nie wird. „Uns war von vornherein klar, dass das so ausgeht“, sagen viele Leute in Nossentiner Hütte. Eine genaue Analyse dessen, was passierte, hat ihnen noch niemand erläutert. Doch wenn der Pilot die Schuld trägt, der gestorben ist, dann kann auch keiner mehr rechtlich belangt werden, schlussfolgern die Einheimischen.

Alles in allem hat die Bundeswehr bisher rund 600 000 Euro an Entschädigungen an Landwirte, Anwohner, Firmen, die Feuerwehren und Ämter ausgereicht. Ein besonders großer Posten war der Austausch der mit Kohlenstofffasern kontaminierten Feuerwehrkleidung. Über weitere Anträge mit etwas mehr als 200 000 Euro muss noch entschieden werden.

Doch in jedem Unglück steckt auch ein Fünkchen Hoffnung, wie Einheimische sagen. Denn wenn man sich einmal die Statistik der Bundeswehr anschaut, geht daraus hervor, dass Eurofighter sonst zuverlässig sind und es noch nie so einen Absturz gab. Damit dürfte so ein Unglück „rein statistisch gesehen“ nie wieder hier an der Seenplatte passieren, sagt ein Malchower. Trotzdem schauen viele immer noch aufmerksam nach oben – wenn dort wieder Kampfflugzeuge üben – egal woher sie kommen.


3 Antworten zu “Eurofighterabsturz: Vor einem Jahr hatte die Region „Riesenglück“”

  1. Anwohner sagt:

    Die Eurofighter waren nicht abgestürzt, weil sie unzuverlässig sind, sondern weil sie in ca. 5 km Höhe extrem rIskante Flugmanöver trainiert haben. Solche Manöver werden jeden Tag irgendwo über uns trainiert. Auch über der Absturzstelle immer wieder gern.

    Schon zwei Tage nach dem Unglück wurde exakt dort wieder geflogen, obwohl die Bundeswehr das Gegenteil behauptet hatte. Das kann man in der Animation in diesem Artikel gut erkennen:
    https://edr401mvpa.wordpress.com/2019/06/26/lugen-wie-gedruckt-eurofighter-fluge-vorerst-eingestellt-ndr-nordkurier-usw-26-6-2019-eurofighter-aus-rostock-laage-und-aus-anderen-stutzpunkten-fuhren-routinemasige-luftkriegsvorbereitung/

    Den aktuellen Flugbetrieb kann man live im Internetradar verfolgen: https://tar1090.adsbexchange.com/

    Eurofighter und Tornados mit so albernen Namen wie RAMBO, SNIPER und JUDGE sorgen für die tägliche Dosis Fluglärm und Umweltschädigung. Schade für die Urlauber, die hier eigentlich Ruhe finden wollten.

    Beim Risiko Statistik ins Spiel zu bringen, ist zu kurz gedacht. Und wenn schon Statistik, dann diese: Die Anzahl der militärischen Flüge nimmt seit Jahren zu und damit steigt auch die Gefahr von Flugunfällen.

    Das Bombodrom wurde zwar verhindert, aber seitdem hat die Bundeswehr den ganzen Nordosten zu einem Truppenübungsplatz gemacht.

  2. Horst sagt:

    „Uns war von vornherein klar, dass das so ausgeht”, sagen viele Leute in Nossentiner Hütte. Eine genaue Analyse dessen, was passierte, hat ihnen noch niemand erläutert. Doch wenn der Pilot die Schuld trägt, der gestorben ist, dann kann auch keiner mehr rechtlich belangt werden, schlussfolgern die Einheimischen.

    Blödsinn!!!

    Erstens ist der Abschlussbericht noch nicht fertig, das war nur ein vorläufiger Bericht.
    Zweitens ist das wie bei einer Privatfirma, der Arbeitgeber haftet für die Taten des Arbeitnehmers. Es sei, denn der Arbeitnehmer hat vorsätzlich oder grob fahrlässig (und selbst das nur in Ausnahmefällen) vorschriftswidrig gehandelt.
    Das war hier nicht der Fall.
    Es war ein Fehler, der leider passieren kann. So ähnlich wie ein Kranführer, der beim Hausbau ein Betonteil am Krankhaken wegen Unachtsamkeit gegen einen Stadtbus (der gerade vorbeifährt) schwenkt und dabei Personen verletzte werden.
    Die Privatfirma hat dafür eine Haftpflicht und die öffentliche Hand zahlt das selbst aus ihrem Budget.

    Nur muss dafür natürlich erst einmal geklärt werden, wer da die Schuld trägt.
    Es könnte ja auch zum Beispiel der Eurofighter an sich ein Problem gehabt haben. Dann wäre die Herstellerfirma „Schuld“.
    Deshalb:
    Abschlussbericht abwarten (kann ingesamt 2-3 Jahre dauern)

    Der Fall jetzt ist aber so glaskar, dass man einen Pilotenfehler einräumt.
    Deshalb haftet dann auch die Bundeswehr für alles und im schlimmsten Fall haften dann auch die Ausbilder vor Ort in Laage intern (Jobverlust). Aber nur wenn sie selbst Fehler gemacht haben. Zum Beispiel den Piloten nicht richtig eingewiesen etc.
    Aber das kann fast schon ausgeschlossen werden ohne den Abschlussbericht zu kennen.
    Es ist aber ein Irrglaube, nur weil der Pilot jetzt nicht mehr belangt werden kann, kann man niemanden mehr belangt werden. Gerade in diesem Bereich wird wirklich alles aufgeschrieben und Protokoll geführt.
    Es gibt sogar eine spezielle Stelle bei der Bundeswehr für Flugunfälle – nennt sich „General Flugsicherheit“ mit 50 Mitarbeitern.

    Nur höchstwahrscheinlich war der Pilot wirklich zu 100 % Schuld. So schlimm es auch klingt und rechtlich wird dann natürlich niemand belangt.
    Finanziell zahlt dann die Bundeswehr aber alle materiellen Schäden.

  3. EinWarener sagt:

    und wer finanziert die Bundeswehr mit Ihren exorbitanten Ausgaben?
    Dieses ganze Waffengerassel und die Feinbildpolemik, als wenn der Planet Erde nicht andere Probleme hätte.
    Aber letztendlich liegt es leider in der Natur des Menschen, oder geht es doch nur um Profit einiger weniger?