Fußball als „Verblödung des Geistes“

17. Juni 2014

Vor fast 100 Jahren hat man an der Müritz offenbar noch überhaupt nichts vom Fußball gehalten. Das beweist ein Artikel vom Vorsitzenden der Ortsgruppe Waren des Arbeiter-Jugendvereins, Alfred Johansen, der 1921 erschienen ist.
Das Stadtgeschichtliche Museum Waren hat uns den aus heutiger Sicht doch recht lustigen Beitrag zur Verfügung gestellt:

Fußball

Wie eine ansteckende Krankheit, die durch das Land ziehend, zunehmend ihre Opfer fordert, ergreift der Fußballsport die Jugend. Nicht nur große Teile der indifferenten Arbeiterkinder werden hiervon befallen und verhindert, ihr Denken auf Menschheitsideale zu richten; nein, leider hat es den Anschein, als wenn auch in einigen der kleineren Gruppen unserer „Arbeiter-Jugend“ der Fußballsport zu einer Epidemie wird.

Unter dem Wort „Körperstählung“ wird die Gefährlichkeit dieses Spiels von der Jugend verkannt. Nicht Kräftigung des durch Werktagsarbeit entkräfteten Körpers bringt Euch das wahnsinnige Rennen hinter dem alles beherrschenden Ball, sondern Verblödung des Geistes, Verhinderung des gesunden Denkens verbirgt sich hinter diesem scheinbar guten Spiel. Ich stehe auch auf dem Standpunkt, daß der Mensch nicht nur um geistiges Wissen ringen soll, daß uns als Arbeiterjugend durch die unsozialen Gesellschaftsverhältnisse in so beschränktem und unzulänglichem Maße zuteil wurde, sondern daß den Geistesfunktionen auch gesunde Körperkräfte Stütze sein müssen. Deshalb auch wandern wir, um die physischen Schlacken des Werktags abzuschütteln, auch deshalb tanzen wir unsere frisch-fröhlichen Reigen, um den durch Alltagsarbeit meist einseitig ausgebildeten Körper in gesunde normale Funktionen zu lenken. Ist das aber gesunder Sport, Ihr Fußballspieler, wenn Ihr mitkeuchender Brust, ausgetrockneter Kehle, in Schweiß gebadet den Ball jagt, nicht selten zertrampelte Schienbeine und Bauchschüsse zurücklassend? Das Fußballspiel kennt keine natürlichen Grenzen. Einmal diesem Spiel verfallen, wedet Ihr meist der geistig ringenden Arbeiterjugend entfremdet weden.

Glücklicherweise sind unsere Mädels durch den anders gebauten Körper verhindert, an diesem Tollen teilzunehmen; um so mehr kann man aber ihren Unmut über die Störung des Gemeinschaftsleben durch Spiele dieser Art verstehen.

Die guten Seiten des Spiels zerfallen für uns als Arbeiterjugend sämtlich. Wir haben außer den genannten, so schöne Spiele, die wirklich Körper und Geist erfrischen und durch die unser Gemeinschaftsleben nur gefestigt wird. Laufen, Schwimmen, Speerwerfen usw.

Jugendgenossen! Erkennt darum die Gefährlichkeit des Fußballspiels; seht in ihm als ringende Arbeiterjugend Euren Feind, der Euch die Ausbildung Eures Geistes vernachlässigen läßt. Verspürt an erster Stelle Wissensdrang und sammelt geistige Schätze, die wir als Kämpfer für eine neue, bessere Zeit so notwendig haben und lenkt die Körperübung in gesunde Bahnen.  Frei Heil!“[1]


[1] Mitteilungsblatt des Verbandes der Arbeiter-Jugend-Vereine, Bezirk Mecklenburg-Lübeck Nr. 7, 1.7.1921


Eine Antwort zu “Fußball als „Verblödung des Geistes“”

  1. Wie Recht er mit seiner Aussage doch damals schon hatte