Geldauflage für Bootsunfall mit abgetrenntem Arm – „Dickes Ende“ kommt erst noch

16. März 2021

Der Bootsführer, der im Juni 2020 einen Schwimmer im Tollensesee schwer verletzt hat, ist strafrechtlich mit einer Geldauflage „davongekommen.“ Aber das dicke Ende steht dem 63-Jährigen und seiner Frau aus Burg Stargard wohl erst noch bevor. „Da kommt noch ein Zivilverfahren mit Riesensummen auf Sie zu“, sagte Richterin Iris Hagedorn gestern zum Abschluss des Prozesses wegen fahrlässiger Körperverletzung. Zuvor hatten sich der Anwalt des geschädigten Schwimmers, Hubert Schilling, die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens gegen Zahlung von 5000 Euro an den 48 Jahre alten Geschädigten geeinigt. Schilling schätzt die Kosten durch Schmerzensgeld, entgangenen Lohn und die umfangreichen Folgekosten durch den verlorenen Arm auf eine siebenstellige Summe. Eine Zivilklage sei bereits auf dem Weg zum Landgericht.

Richterin Hagedorn fasste das Bootsunglück, bei dem der Hobbykapitän den durchtrainierten Triathleten mit der Schiffsschraube erfasst und dessen linken Arm abgetrennt hatte, so zusammen: „Es war ein Moment der Unachtsamkeit mit gravierenden Folgen für den Geschädigten und gravierenden finanziellen Folgen für Sie.“ Ein schärferes Strafurteil würde aber keine zusätzliche Gerechtigkeit bringen.

Der 63-jährige Angeklagte hatte den Unglückstag im Juni 2020 so geschildert: „Wir wollten Baden und sind mit dem Motorboot – Typ Lotus – von Klein Nemerow aus losgefahren. Dann haben wir nochmal angehalten, um uns zu einigen, an welche Stelle meine Frau und ich hinschippern wollten.

Wir hatten gerade wieder Gas gegeben, da „rummste es.“ Dann hat uns ein Schwimmer angeschrien, dass wir ihn schnell aus dem Wasser holen sollen.“ Wie man den sportlichen Mann herausgezogen hat, dass wisse er gar nicht mehr. Er habe den Schwimmer vorher nicht bemerkt, auch nicht dessen Schwimmboje.

Schwimmer wollte Neoprenanzug ausprobieren

Der Geschädigte berichtete im Gericht ebenfalls, dass er das Boot vorher gar nicht bemerkt habe. Der Bootsführer hätte ihn wegen der orangen Schwimmkappe oder die Schwimmboje aber bemerken müssen. Trotz aller Tragik betrachte er das Ganze allerdings auch als Unfall, der auch Anderen hätte passieren können. Er sei dem Bootsführer und dessen Frau auf jeden Fall dankbar, dass sie sofort geholfen und auch den Notarzt alarmiert hätten. Es gebe sicher auch Bootsführer, die sich in solchem Fall aus dem Staub gemacht hätten. Das wäre für ihn tödlich gewesen.

Der Angeklagte erklärte, dass er seit zwölf Jahren den Bootsführerschein habe und seit vier Jahren das Boot. Er habe auch nach vorn geguckt, aber nichts Auffälliges bemerkt. Ebenso zufällig wie der Bootsführer dort war, war es auch der Schwimmer. Dieser berichtete, dass er sonst regelmäßig einen Dreieckskurs schwimme. An diesem Tag habe er aber einen neuen Neoprenanzug angehabt und wollte genau testen wie sich dieser eigne. Deshalb sei er an dem Tag nur hin und dann zurück geschwommen.

Arm erst Tage später gefunden

Als die Schiffsschraube ihn erfasste, habe er das erst gar nicht bemerkt. Erst, nachdem er den Bootsführer angeschrien habe, warum der hier rase, habe er den Armverlust bemerkt. Auch am linken Bein oberhalb des Sprunggelenks war der Mann durch die Schraube verletzt worden. Der abgetrennte Arm wurde zwar gleich nach dem Vorfall gesucht, aber erste mehrere Tage später gefunden. Dieser habe dann „nicht mehr verwendet werden können“, notierte die Polizei.

Wie der Geschädigte beschrieb, sorgte der Schock dafür, dass er damals kaum Blut verloren hat. Schließlich habe die Frau des Bootsführers die Wunde mit Handtüchern abgedeckt und später eine Krankenschwester, die an Land war, medizinisch geholfen bis der Notarzt eintraf. Der Sportler, der als Software-Entwickler arbeitet, wurde ins Krankenhaus nach Greifswald geflogen. Dort war er vier Wochen, später zu weiteren Behandlungen in anderen Einrichtungen. In Kürze soll die erste Prothese kommen.

Inzwischen sei allerdings ein großer Teil seiner Lebensfreude verloren gegangen, da er seinen Sport nicht mehr ausüben könne. Unklar sei auch, wie er seine Arbeit auf lange Sicht nur mit einer statt mit zwei Händen bewältigen könne. Zum Glück halte das Unternehmen bisher zu ihm.

Keine Haftpflichtversicherung

Wenn der Bootsführer die nun festgelegten 5000 Euro bis Ende Oktober an den 48-Jährigen zahlt, ist der strafrechtliche Teil des Falls abgeschlossen. Wie hoch die finanziellen Folgen für ihn sind, davon gab Anwalt Schilling einen Eindruck. So koste eine Prothese um die 200 000 Euro und diese müssten wohl alle fünf Jahre ersetzt werden. Dazu kämen Schmerzensgeld sowie weitere Verluste und Aufwendungen des Geschädigten. Das werde Bestandteil des Zivilverfahrens werden.

Das Problem dabei für den Bootsführer: Der Mann hatte keine Haftpflichtversicherung für sein Boot abgeschlossen. Diese koste 80 bis 100 Euro im Jahr, sagte der Anwalt. Das müsse man auch nicht abschließen, sagte Schilling. Allerdings darf man auch nicht darauf vertrauen, dass dies durch die „eigene Haftpflicht“ abgedeckt sei. Das sei nämlich wirklich nicht der Fall, aber kaum bekannt. Als die Richterin den Angeklagten danach fragte, sagte dieser nur: Er habe das Kleingedruckte seiner Haftpflichtversicherung in dem Fall nicht gelesen gehabt.

Wie kompliziert das Laben nun ist, erzählte der Geschädigte. Bisher sei er von einem Dorf bei Neubrandenburg mit dem Auto zur Arbeit gekommen. Das gehe nun nicht mehr oder das Auto müsse umgebaut werden. Diesen Umbau habe aber seine Rentenversicherung gerade abgelehnt. Diese habe erklärt, dass er ja auch mit dem Bus zur Arbeit kommen könne. Beschwerde sei bereits eingelegt. „Das Schlimme ist, man kommt sich vor wie ein Bittsteller – obwohl man gar nichts dafür kann“, sagte der 48-Jährige.

Foto: Felix Gadewolz


Kommentare sind geschlossen.