Gerichtsbericht: Wie Friedland in die „Tagesschau“ kam – Haftstrafe für Ausländer-Angriff

3. Juli 2019

Den 19. April 2018 würde die Stadt Friedland sicher am liebsten aus ihrer Chronik streichen. Damals passierte etwas, was am 20. April als Nachricht aus der Kleinstadt sogar in der „Tagesschau“ landete: Einheimische hätten „Hunde auf Ausländer gehetzt“ und die Ausländer angegriffen und geschlagen, berichtete nicht nur die ARD-Hauptnachrichtensendung am Abend, sondern auch diverse andere Medien. Ursache: Aus einer Gruppe Betrunkener heraus waren zwei Afrikaner angegriffen worden, wobei auch Hunde im Spiel waren, wie es in einer ersten Mitteilung der Polizei hieß.
Allerdings stellte sich später heraus, dass die Tiere wohl eher aus Neugier zu den späteren Geschädigten gelaufen waren. Erst danach war es zu dem Übergriff mit mehreren Schlägen gegen die Zuwanderer gekommen. Ihre Räder wurden in den Teich geworfen und die Flüchtigen verfolgt, konnten aber fliehen. Die Angst sitze heute noch tief, berichtete ein Geschädigter vor Gericht.

Nun mussten sich zwei Täter von damals vor dem Amtsgericht Neubrandenburg verantworten, die beide „auf Bewährung waren“, einer erhielt eine Freiheitsstrafe. „Sie haben damals nicht auf Ausländer gewartet, aber es ist auch eine fremdenfeindliche Geschichte gewesen“, sagte Richterin Tanja Krüske zu dem Verurteilten. Dieser hatte die Attacke gestanden, im Gegensatz zu seinem 22 Jahre alten Mitangeklagten, der lieber schwieg.

Was war passiert? Am 19. April hatten sich drei Frauen und drei Männer aus Friedland – alle irgendwie ohne Berufsabschluss und Arbeit – am Mühlenteich versammelt. Man habe gemeinsam Alkohol getrunken, wie öfter, und „gefeiert“, wie mehrere aus der Gruppe am Gericht erzählten. Auf die Frage, was sie sonst so machen, hieß es meist „Nichts“. Es sei alles harmonisch gewesen, bis die Ausländer auftauchten, sagte eine Andere.

Hakenkreuze auf dem Kopf

Dann unterscheiden sich die Versionen. Die Zuwanderer empfanden das Kommen der Hunde und die Rufe aus der Gruppe als „Hetzen“, die Friedländer nicht. Dagegen soll einer der „Ausländer“ ihnen einen „Stinkefinger gezeigt haben“ und dass könne man ja nicht hinnehmen. Diese Version nahm der Gruppe weder die Staatsanwaltschaft noch Richterin Krüske ab. Das mit dem Finger sei wohl eher abgesprochen. Und selbst wenn es diese Geste gegeben haben sollte, rechtfertige so etwas noch lange keine Schläge.

So bekamen die Zuwanderer Faustschläge, ihre Räder landeten im Teich. Die Geflüchteten holten die Polizei, die die beiden Verdächtigen sofort mitnehmen konnte. Gestern erhielt der geständige 31-Jährige acht Monate Freiheitsstrafe. Die psychischen Auswirkungen der Attacke sind sicher größer als der körperliche Schaden, erklärte die Richterin. Das hatte ein Geschädigter vor Gericht bestätigt. Der Verurteilte soll auch 500 Euro Schmerzensgeld zahlen – obwohl er schon 8000 Euro Schulden habe.

Ein Indiz für eine ansonsten durchaus latente Fremdenfeindlichkeit trug der Verurteilte: Er hatte sich neben diverser Tatoos und Piercings auch Hakenkreuze am Kopf stechen lassen. Das Zeigen dieser NS-Symbole wurde ihm aber von der Justiz untersagt, sagte die Vertreterin der Anklage. Inzwischen ließ er einige der verbotenen Symbole übertätowieren oder überkleben. Auch dieses Verfahren ist noch nicht vorbei. So geht es auch dem 22-jährigen Schläger. Er soll der Anführer gewesen sein, und hat bereits zehn Vorstrafen und keine Bewährungsauflagen erfüllt.

Sein Verfahren wurde am Prozessende aber noch abgetrennt. Nun soll ein Psychiater die Verfassung des jungen Mannes bewerten. Davon hängt ab, ob er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt oder in einer Gefängnis-Psychiatrie untergebracht wird. Dies müsste aber das Landgericht veranlassen. Insofern kommen die Ereignisse aus Friedland mindestens noch einmal vor Gericht zur Sprache.

Die „Tagesschau“ soll aber nicht wieder aus Friedland berichtet haben.


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