Im Bärenwald Müritz ist die Winterruhe nicht mehr weit

23. Dezember 2020

Sich aufs Ohr hauen, auf der faulen Haut liegen, mal alle Fünfe gerade sein lassen: Bären wissen, wie’s geht und ziehen sich in der kalten Jahreszeit in die Winterruhe zurück. Eigentlich. Noch aber haben einige Bären im Bärenwald Müritz die Winterzeit nicht komplett eingeläutet. Pressesprecherin Petra Konermann hat notiert, was derzeit im Bärenwald los ist, wer welche Schlafgewohnheiten hat und warum es manchmal auch Kabbeleien zwischen den Bewohnern gibt.

Bärin Sylvia sitzt auf ihrem fülligen Hinterteil, immer wieder fallen ihr die Augen zu, ihr Kopf sackt kurz nach unten. Sylvia nimmt ihn wieder hoch. Kurz darauf geht alles wieder von vorn los: Augen zu, kurz einnicken, wieder ein klein wenig wach. Die Winterruhe hat die 17 Jahre alte Bärin schon fast übermannt, aber nur fast. Noch hat sie sich nicht in ihre Schlafhöhle zurück gezogen, in ihrem Fall eine mit Stroh ausgepolsterte Beton-Behausung.
Aber zur Probe hält Sylvia dort schon immer mal auch tagsüber ein Schläfchen. Und wehe, die Tierpfleger kommen auf ihrer morgendlichen Fütterungsrunde zu früh. Dann ignoriert sie das angebotene Futter und schläft einfach weiter – um dann etwas später ein klein wenig mobil zu werden. „Alle unsere Bären haben sich im Herbst, als sie noch zwei Mal am Tag gefüttert wurden, eine dicke Speckschicht für den Winter angefressen. Immerhin verliert ein Bär in der Winterruhe bis zu einem Viertel seines Körpergewichts. Aber nur einige Bären haben sich tatsächlich schon in Winterruhe begeben“, berichtet Tierpflegerin Sabine Steinmeier. Bereits zurückgezogen haben sich Sindi, Mascha und Luna, Dushi, Ida und als bislang einziger männlicher Bär Felix.

Winterruhe – ja oder nein?

„Bären sind keine Maschinen, keine Automaten. Obwohl wir unsere Bären seit vielen Jahren begleiten, können auch wir nie mit Gewissheit sagen, welcher Bär wann in die Winterruhe geht und ob überhaupt. Die Bärin Ida zum Beispiel war sonst immer bereits im Oktober in ihrer Winterhöhle verschwunden, auch im vergangenen Jahr. Aber in diesem Jahr hat sie sich erst Anfang Dezember zur Winterruhe zurückgezogen“, erklärt die Tierpflegerin (Foto rechts).
Für sie und ihre Kolleginnen ist die Winterzeit im Bärenwald immer wieder eine besondere. Die Tiere kommen zur Ruhe und zeigen auch mit ihrem dann eher schläfrigen und trägen Streifen durch die weitläufigen Gehege, dass alles in Ordnung ist. Denn nur ein Bär, der seinen natürlichen Instinkten folgen kann, frisst sich Winterspeck an, gräbt sich Höhlen und wird im Herbst und Winter insgesamt träger oder ruht ganz. „Das alles zu beobachten, ist für uns jedes Jahr aufs Neue eine spannende Geschichte“, erklärt Sabine Steinmeier.

Streit um die Winterhöhle

Sie berichtet, dass jeder Bär auf seine ganz eigene Art Vorsorge für den Winter trifft. Einer gräbt mal hier mal dort rechtzeitig mehrere Höhlen gleichzeitig, um sich dann für eine zu entscheiden. Manch‘ einer gräbt auch gar nicht und setzt auf die Bärenhäuser und Bärenröhren, die im Bärenwald in jedem Gehege den Tieren angeboten werden. Und es gab sogar ganz schlaue. „Lothar, unser erster Bär im Bärenwald, der ja leider schon verstorben ist, der hatte mal im Herbst nur so ein bisschen gebuddelt. Dann wurde es kalt, der erste Frost kam. Lothar hatte dann einfach Sindi, die schon längst in Winterruhe war, aus ihrer Höhle vertrieben und sich dort einquartiert. Die beiden haben einen ziemlichen Radau veranstaltet, denn Sindi wollte ihre Höhle natürlich nicht so ohne weiteres abtreten. Ihr blieb dann nichts weiter übrig, als Lothars Höhle fertig zu graben und sich dann dort hineinzulegen“, erzählt Sabine Steinmeier.

Kein fester, tiefer Schlaf

Sie betont, dass ein Bär nicht in Winterschlaf verfällt, sondern in Winterruhe geht. Denn ganz tief und fest schläft ein Bär eigentlich nicht, auch wenn es den Anschein hat. Mutter Natur hat dafür gesorgt, dass die Bären auch während der Winterruhe nicht in Gefahr geraten können. Sollte die nämlich vor oder gar in der Winterhöhle eines Bären drohen, dann können die schnell ihren Kreislauf „hochfahren“ und sich der Gefahr stellen.
Wenn ein Bär im Winter ruht, dann schaltet er einen „Gang“ runter. Sein Herz schlägt dann nur noch 10 mal statt 40 mal pro Minute. Auch ihre Atmung können Bären reduzieren. Atmen sie sonst etwa 30 mal pro Minute, sind es in der Winterruhe nur noch 10 Atemzüge pro Minute.
Wie genau jedoch der Bär es anstellt, seinen Energiehaushalt im Winter zu reduzieren und zum Beispiel sogar seine Nierenfunktion einzuschränken, ohne nach der Winterruhe gesundheitliche Einschränkungen zu haben, das ist noch nicht genau erforscht, das ist nach wie vor ein Geheimnis.
Sind die Bärenwald-Petze in der Winterruhe, werden sie von den Tierpflegerinnen natürlich nicht gestört. „Uns bleibt nichts weiter übrig, als den Frühling abzuwarten. Dann gibt es ein Wiedersehen“, sagt Tierpflegerin Sabine Steinmeier. Die anderen Bären, die nicht oder noch nicht in Winterruhe gegangen sind, werden täglich weiterhin gefüttert und beobachtet. So wie Sylvia, die derzeit kaum noch ihre Augen offenhalten kann.

Fotos: Pfotenpaparazzi, Maria Andresen, Petra Konermann


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