Jedes vierte Schulkind in MV hat psychische Probleme 

22. Januar 2020

Mehr als ein Viertel aller Schulkinder in Mecklenburg-Vorpommern zeigt psychische Auffälligkeiten. Zwei Prozent aller Jungen und Mädchen zwischen 10 und 17 Jahren leiden an einer diagnostizierten Depression, 2,3 Prozent unter einer Angststörung. Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit „Ängste und Depressionen bei Schulkindern“. Mädchen sind dreimal so häufig von Depressionen und fast doppelt so häufig von Angststörungen betroffen wie Jungen. Hochgerechnet sind insgesamt etwa 4.700 Schulkinder in Mecklenburg-Vorpommern betroffen.

Für die Versorgung depressiver Schulkinder gibt die DAK-Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr pro Kopf durchschnittlich 3.000 Euro mehr aus als für seelisch gesunde Gleichaltrige.

Im Auftrag der DAK-Gesundheit hat die Universität Bielefeld die Gesundheits- und Versorgungssituation von Jungen und Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern umfassend untersucht. Die repräsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus 2016 und 2017 nimmt insbesondere die seelische Gesundheit von Jungen und Mädchen in den Fokus. „Wir wollen das Tabu brechen, das psychische Erkrankungen noch immer umgibt“, sagt Sabine Hansen, Leiterin der DAK-Landesvertretung in Mecklenburg-Vorpommern. „Die betroffenen Kinder leiden oft für sich im Stillen, bevor sie sich jemandem anvertrauen und eine passende Diagnose bekommen. Wir müssen aufmerksamer werden – ob in der Familie, in der Schule oder im Sportverein – und nachhaltig helfen.“

Verhaltensstörungen verbreitet

27 Prozent aller Jungen und Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern sind von einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensstörung betroffen. Vor allem jüngere Schulkinder fallen am häufigsten durch Entwicklungsstörungen auf, zu denen Sprach- und Sprechstörungen gehören.  Auch Verhaltensstörungen, wie etwa ADHS sind verbreitet.
Seltener, aber von hoher Relevanz für die Versorgung, sind affektive Störungen, zu denen auch die Depressionen gehören. Zwei Prozent aller DAK-versicherten Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 17 Jahren sind so stark betroffen, dass sie einen Arzt aufsuchen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Häufigkeit der Diagnose „Depression“ in Mecklenburg-Vorpommern 2017 um sechs Prozent gestiegen. Mädchen leiden deutlich häufiger als Jungen.
Mit einer diagnostizierten Angststörung kämpfen 2,3 Prozent aller Schulkinder. Hochgerechnet auf alle Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern entspricht dies etwa 4.200 mit Angststörungen oder Depressionen. Diese Störungsbilder treten auch parallel auf: Jeder sechste Junge mit einer diagnostizierten Depression hat parallel auch eine Angststörung. Bei den Mädchen ist es fast jedes vierte.

Stadtkinder eher betroffen

Depressionen und Angststörungen zählen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den schwerwiegendsten Leiden in der Gruppe der psychischen Erkrankungen. Depressionen sind gekennzeichnet durch Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Interessenverlust. Bei schweren depressiven Episoden haben die jungen Patienten Schwierigkeiten, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Sie ziehen sich stark zurück, schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. Bei Angststörungen ist der natürliche Angstmechanismus des Menschen aus den Fugen geraten. Die Betroffenen zeigen Reaktionen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind und losgelöst von einer realen äußeren Gefährdung ablaufen.

In Mecklenburg-Vorpommern lebt knapp ein Drittel der DAK-versicherten Kinder in städtischen Gemeinden. Die Studie zeigt, dass Stadtkinder eher Diagnosen für eine psychische Erkrankung bekommen als Gleichaltrige vom Land (plus 14 Prozent). Stadtkinder haben insbesondere im späten Jugendalter (15 und 17 Jahre) häufiger Depressionen (plus 67 Prozent). „Die Gründe für die beobachteten Zusammenhänge können an den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und Lebensbedingungen liegen. Für Stadtkinder existiert aber auch ein dichteres Angebotsnetz an niedergelassenen Fachärzten. Sie bekommen leichter Hilfe und damit auch eine passende Diagnose“, erklärt Sabine Hansen.

Durchschnittlich 60 Tage stationär

Der Report zeigt erstmals auf Basis von Abrechnungsdaten, wie stark bestimmte Faktoren die Entwicklung eines Seelenleidens beeinflussen. So tragen Kinder mit einer chronischen körperlichen Erkrankung insbesondere im Jugendalter ein bis zu 4,5-fach erhöhtes Depressionsrisiko. „Dann belastet es, wenn man vernünftig sein muss und nicht so unbekümmert leben kann, wie körperlich gesunde Gleichaltrige“, so Hansen. Das familiäre Umfeld kann für die Entwicklung eines Seelenleidens ebenfalls ein Faktor sein: Kinder psychisch kranker Eltern sind deutlich gefährdeter (3-fach), selbst eine depressive Störung zu entwickeln.

„Mit dem Kinder- und Jugendreport 2019 haben wir für Mecklenburg-Vorpommern auch belastbare Analysen zur Versorgungssituation von Kindern mit psychischen Auffälligkeiten“, erklärt Julian Witte von der Universität Bielefeld als Studienautor. Depressive Schulkinder in Mecklenburg-Vorpommern bekommen seltener ein Antidepressivum (13 Prozent) als im Bundesdurchschnitt (17 Prozent).

Etwa im Bundesdurchschnitt liegt Mecklenburg-Vorpommern beim Anteil der Jungen und Mädchen mit einer Klinikeinweisung: Jedes 13. Schulkind mit einer diagnostizierten Depression wurde 2017 hierzulande stationär behandelt, durchschnittlich für 60 Tage. Nach der Entlassung fehlt oft eine passende ambulante Nachsorge. In der Folge ist mehr als jedes fünfte dieser Kinder zwischen zehn und 17 Jahren innerhalb von zwei Jahren mehrfach stationär in Behandlung. „Wir haben offenkundige Versorgungslücken nach der Krankenhausentlassung, die wir schließen müssen“, betont Sabine Hansen.

Neue Software soll helfen

Die DAK-Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern startet das neue integrierte Versorgungsangebot „veo“, damit Betroffene nach einer Krankenhausentlassung besser aufgefangen werden. „veo“ ermöglicht depressiven Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren für drei Jahre eine vernetzte ambulante Nachsorge und Versorgung. Das Programm „veo“ ist einzigartig. Es hilft Kinder- und Jugendtherapeuten, Psychiatern sowie Haus- und Fachärzten dabei, die die ambulante Nachsorge zu optimieren. Weitere wichtige altersgruppenspezifische Beteiligte wie Beratungsstellen, Schulpsychologen und Jugendämter werden ebenfalls eingebunden. Das Ziel ist eine bessere Vernetzung und damit eine schnelle und unproblematische Hilfe für die betroffenen Kinder – ohne lange Wartezeiten und komplizierte Terminabsprachen.

Parallel intensiviert die DAK-Gesundheit ihre Aktivitäten im Bereich Stressprävention. Gemeinsam mit der Cleven-Stiftung hat sie mit fit4future Teens ein neues Präventionsprogramm zum Thema Stressprävention für weiterführende Schulen entwickelt. Außerdem bietet sie Kindern ab zwölf Jahren individuell an, ihre seelische Stärke mit einer neuen Software zu trainieren. „DAK Smart4me“ ist kostenfrei zugänglich und passwortgeschützt auf Smartphones und allen anderen Bildschirmgeräten nutzbar. Infos dazu gibt es unter: www.dak.de/smart4me

Der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit für Mecklenburg-Vorpommern untersucht umfassend die Behandlungsdaten der Jahre 2016 und 2017 von mehr als 24.200 minderjährigen Versicherten der DAK-Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern. Die Analysen sind am renommierten Lehrstuhl für „Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement“ der Universität Bielefeld gelaufen.


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