Kreis will Jugendorganisation „verhungern“ lassen

28. März 2015

Erst zieht das Sozialamt weg, dann Teile des Jugendamtes, und jetzt steht auch noch der Kreisjugendring Mecklenburgische Seenplatte vor dem Aus. Der Landkreis will die Organisation, die sich um die Belange und Interessen tausender Jugendlicher kümmert, nicht mehr fördern.

Dem Kreisjugendring Mecklenburgische Seenplatte fehlen nach eigenen Angaben rund 36 000 Euro, um seine Aufgaben für Kinder und Jugendliche im größten Landkreis der Bundesrepublik weiter wahrzunehmen.

daumen runter„Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ist deutschlandweit Modellregion für den demographischen Wandel. Es ist nicht nur verantwortungslos, sondern auch absolut unverständlich, dass der Kreisjugendring als Stimme der Jugend und auch als Fachstelle für den Austausch der Verbände und Vereine nicht mehr gefördert werden soll. Der Landesjugendring fordert die Mitglieder des Kreistages zur nächsten Sitzung am 30.März. in Neubrandenburg auf, die Existenz und Unterstützung des Kreisjugendrings sofort sicher zu stellen“, sagt Fabian Scheller, Vorstandssprecher des Landesjugendringes Mecklenburg-Vorpommern.

Protest vor dem Kreistag

Neben der jugendpolitische Lobbyarbeit und der Ehrenamtsförderung, zum Beispiel durch die Unterstützung und Begleitung von Jugendforen und dem geplanten Beteiligungsprojekt „Jugend im Kreis“, bündelt der Kreisjugendring die Interessen der Kinder und Jugendlichen in der Arbeit mit ihnen und für sie, indem er als Arbeitsgemeinschaft der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte wirkt. Darüber hinaus dient der Jugendring dem fachlichen Austausch der Mitgliedsvereine und -verbände, zum Beispiel im Jugendhilfeausschuss, im Landesjugendring MV und in der Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendarbeit MV.

Doch damit soll nach aktueller Informationslage am 1. April Schluss sein. Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sieht sich dann nach eigener Auskunft nicht mehr in der Lage, den Kreisjugendring kontinuierlich weiter zu fördern. Dieser steht damit vor dem Aus.

Im Vorfeld der Kreistagssitzung am 30. März wird der Kreisjugendring von 16 bis 17 Uhr vor der Mensa der Hochschule in Neubrandenburg (Brodaer Str. 2) für seinen Erhalt kämpfen. Unterstützer aus der Region sind dazu notwendig und Willkommen.

Hintergrund
Der Kreisjugendring Mecklenburgische Seenplatte ist ein Dachverband für 24 lokal und regional tätige Vereinen und Verbänden der Jugendhilfe/Jugendarbeit im Landkreis im größten Landkreis Deutschlands. Der Kreisjugendring ist somit ein Zusammenschluss von Jugendverbänden, Jugendbewegungen, Jugendabteilungen, Jugendgruppen und natürlichen und juristischen Personen auf freiwilliger Basis. Er fördert die Zusammenarbeit zwischen den Jugendorganisationen auf Kreisebene und nimmt gemeinsame Aufgaben wahr, die dem Wohl der Kinder und Jugendlichen dienen.


9 Antworten zu “Kreis will Jugendorganisation „verhungern“ lassen”

  1. Heinz-Peter Schifflers sagt:

    Jugend ist Zukunft. Sie zu fördern gehört zu den allerwichtigsten Aufgaben der Gemeinschaft. Gerade in einem Land, in dem die Überalterung der Bevölkerung rasant fortschreitet, in dem signifikanter Geburtenrückgang die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens in Frage stellt, muß die Förderung junger Menschen besonders hohe Priorität für unser Gemeinwesen haben. Es ist eine Überlebensfrage unseres Gemeinwesens, gerade junge Menschen zu fördern und zu fordern. Angesichts der anhaltenden Entwicklung in Richtung Überalterung der Bevölkerung, muß die Forderung der Stunde sein, junge Familien, junge Menschen zu unterstützen. In einer solchen Situation ist die Einstellung der Jugendförderung geradezu fatal und in höchstem Maße kontraproduktiv.
    Ihr Heinz-Peter Schifflers

  2. Thomas Hetzel sagt:

    Warum ist der KJR MSE in NOT?

    Fakt ist, zwischen dem Landkreis MSE, speziell dem Jugendamt und dem Kreisjugendring (KJR) Mecklenburgische Seenplatte e. V. besteht eine langjährige Partnerschaft. Viele Jahre wurde die Arbeit des KJR über den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte finanziert (z. B. 2014: 50 % ESF, 40 % Landkreis, 10 % Eigenmittel). Die neue ESF-Periode brachte ab 2015 neue Fördermodalitäten mit sich. Diese sind für die Finanzierung der Arbeit des KJR MSE nicht mehr geeignet. Schwerpunkt der Jugendsozialarbeit nach ESF ist die direkte Arbeit mit sozialbenachteiligten Jugendlichen im Übergang zwischen Schule und Beruf. Aktuell leisten 31 Jugendsozialarbeiter/innen im Landkreis genau diese wichtige Arbeit. Der KJR MSE ist aus dem KJR Müritz hervorgegangen. Im neuen Großkreis kann der KJR viele Aspekte seiner satzungsgemäßen Aufgaben mit einer ESF-Förderung nicht umsetzen. Deshalb hat der KJR Ende 2014 seinen Antrag auf Förderung durch den ESF beim Landkreis zurückgezogen. Eine alternative Finanzierungsquelle konnte nicht gefunden werden. Der alte Vorstand trat im Januar 2015 zurück. Bis Ende März 2015 kann die Bildungsreferentin des KJR noch durch Restmittel und neue Spenden finanziert werden.

    Am KJR MSE zeigt sich deutlich das Finanzierungsdilemma der Jugendförderung in M-V. Seit 2006 wurden große Teile der Landesförderung in den ESF verlagert. Weitere Mittel der Jugendarbeit werden über den Kommunalvertag zwischen Land und Landkreis (Land 5,11 €/ Kreis min. 5,11 € pro 10 bis 26 Jährigen) bereitgestellt. Hier leistet der Landkreis freiwillig eine Gegenfinanzierung von 9 €, die ab 2016 wegen des Haushaltssicherungskonzeptes auf 7 € pro 10 bis 26 Jährigen abgesenkt wird. Durch den Bevölkerungsrückgang in dieser Altersgruppe verringerte sich dieser Topf in den letzten Jahren um ca. 30.000 € pro Jahr. Von 2015 auf 2016 wird eine Verringerung um weitere 90.000 € erwartet.

    Von einem willentlichen „verhungern” lassen der Jugendorganisation durch den Kreis, wie hier getitelt wird, kann keine Rede sein. Da alle Fördertöpfe Anfang 2015 schon verteil waren, steht nun steht im Kreistag eine politische Entscheidung an. Gelingt es den Kreistagsmitglieder der Mecklenburgischen Seenplatte am 31.03.2015, trotz der angespannten Haushaltssituation, fraktionsübergreifend ein Rettungspaket für den KJR für 2015 zu schnüren?

    Dann hätte der KJR wichtige Zeit gewonnen, für 2016 mit den gesellschaftlichen Gruppen und Partei im Landkreis herauszuarbeiten, welchen Stellenwert jugendpolitische Interessenvertretung, die Beteiligungsprojekte und Dachverbandsarbeit sowie die Unterstützung Ehrenamtlicher durch den KJR haben und wie diese finanziert werden kann. Gerade bei der demographischen Entwicklung in unserer Mecklenburgischen Seenplatte ist das besonders wichtig!

    Thomas Hetzel
    2. Vorsitzender der KJR MSE

  3. Charly sagt:

    Wenn die Rechte nicht weiß, was die Linke tut, dann ist das fatal und der Förderung der Jugendarbeit alles andere als dienlich. Offenbar liegt das entstandene Dilemma nicht am Verhalten der zuständigen Behörde.
    Charly

  4. Lieber Thomas,
    herzlichen Dank für deinen Beitrag. Es ist richtig, dass zwischen dem Kreisjugendring und der Verwaltung (Jugendamt MSE) eine enge Partnerschaft besteht. Es ist auch schön zu sehen, dass sich die Verwaltung für die Rettung des Jugendringes einsetzt. Allerdings bezieht sich die Pressemitteilung des Landesjugendringes auf die heutige Kreistagssitzung und deren Mtglieder (also nicht auf die Verwaltung des Kreises).

    Wir schreiben, der „Kreisjugendring ist in Not“, das Onlineportal titelt „Kreis will Jugendorganisation verhungern lassen“. Du führst gut aus, was nach der Kreisgebietsreform für Einsparungen (übrigens nicht nur bezüglich der Jugendarbeit) im Kreis vorgenommen wurden. Danke für die detaillierte Ausführung zum Kreisjugendring Mecklenburgische-Seenplatte. Hier kann nun auch der direkte Vergleich zu den anden Gebietskörperschaften gezogen werden. In allen anderen Kreisen und kreisfreien Städten, wo Kreis- und Stadtjugendringe gefördert werden, wird nicht auf ESF-Mittel zurückgegriffen. Die finanzielle Unterstützung des Kreisjugendrings wird üblichweise in Deutschland als Teil der Daseinsvorsorge und damit als kommunale Aufgabe wahrgenommen. Auf dem heutigen Gebiet des größten Landkreises der Bunderepublik, welche auch zeitgleich Modellregion für den demographischen Wandel ist, scheint dies auch in der Vergangenheit nie der Fall gewesen zu sein. Heute erhalten die Kreistagsmitglieder die Chance das zu korrigieren. Alles Gute für euch heute Abend. Wir drücken euch die Daumen!

    Liebe Antje, lieber Charly,
    die vorherigen Darstellungen beschreiben den gleichen Sachverhalt. Immer weniger Gelder und immer weniger Strukturen ist ein aushungern, ganz gleich ob es sich um Strukturen der Jugendarbeit, Justitz, etc…handelt. Mit dem Begriff „Kreis“ ist nicht die Verwaltung des Kreises gemeint (also das Jugendamt MSE), sondern die Politik, der Kreistag. Nach Jahren der ESF-Projektförderung gilt es nun ein Zeichen zu setzten und den Jugendring als einen wichtigen Teil der politischen Arbeit und als Daseinsvorsorge für die junge Menschen im Kreis zu sichern!

    Von daher wird der Landesjugendring auch weiter (wie auch die Jahre zuvor) eng und partnerschaftlich mit dem Kreisjugendring Mecklenburgische-Seenplatte zusammenarbeiten und zusammenstehen.

    Christian Thönelt
    Referent beim LJR M-V

    • Sehr geehrter Herr Thönelt, dann scheinen Sie Ihre eigene Pressemitteilung nicht zu kennen. Dort heißt es unter anderem: „Doch damit soll nach aktueller Informationslage am 01. April Schluss sein. Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sieht sich dann nach eigener Auskunft nicht mehr in der Lage, den Kreisjugendring kontinuierlich weiter zu fördern. Dieser steht damit vor dem Aus.“
      Da steht: Der Landkreis. Und nicht die Mitglieder des Kreistages. Leider fehlen in Ihrer Pressemitteilung auch die Hintergründe, nämlich unter anderem, dass sich der Kreisjugendring zum Ende des Jahres auflösen wollte.

  5. Michael Steiger sagt:

    Um es deutlich zu sagen: wir arbeiten gut und gerne mit dem Jugendamt Mecklenburgische Seenplatte zusammen.
    Wir freuen uns, jede Woche aufs Neue zu sehen, wieviel Engagement für uns aufgebracht wird. Aber heute um 17 Uhr ist Kreistagssitzung in Neubrandenburg, da geht es für uns ums Ganze. Es gibt einen Antrag von der Linken und von der Grünen Fraktion, welche den Erhalt des Kreisjugendringes mit Geschäftsführerstelle vorsehen.
    Wir freuen uns über jede Stimme im Kreistag und jede Unterstützung vor dem Gebäude!

  6. Liebe Antje,
    unsere PM ist mir durchaus bekannt…(;
    Die PM ist mit einem Link zum Kreisjugendring versehen, um die Hintergründe der gesamten Notlage transparent zu legen.

    Der Kreisjugendring hat nie dafür votiert, sich aufzulösen. Vielmehr handelte es sich um einen Tagesordnungspunkt auf der vorletzten Mitgliederversammlung. Der ehemalige Vorsitzende hat erklärt, dass er bei einer weiteren Finanzierung durch ESF-Mittel seinen Vorsitz nicht weiter ausfüllen kann und wird (Hintergrund ist das komplizierte Abrechnungsverfahren und die damit einhergehende Arbeitsausrichtung, welche der Vereinssatzung engegensteht). Zu dieser Erklärung wurde das Szenario eröffnet, dass sich bei fehlender Bereitschaft für einen neuen Vorsitz der Verein auflösen müßte. Es wurde allerdings ein neuer Vorsitz gefunden, der nun für den Erhalt des Kreisjugendringes kämpft.

  7. Charly sagt:

    Wenn eine Äußerung nicht verstanden wird, dann müßen sich das stets diejenigen anlasten, von denen sie stammt. Wer mißverständliche Öffentlichkeitsarbeit betreibt, und
    sich nachher in mehrfachen und erläuternden Nacharbeiten um Richtigstellungen bemühen muß, hat einen Fehler gemacht, der zu fatalen Interpretationen führen kann. Die Jugendarbeit ist zu wertvoll, um sie zum Gegenstand öffentlicher Interpretationen und Diskusionen zu machen. Rechthabereien helfen schon überhaupt nicht. In diesem Falle ist die gute Zusammenarbeit mit dem zuständigen Jugendamt und mit den politischen Vertretern unerläßlich. Sie haben doch offenbar auch bisher Bereitschaft zur positiven Zusammenarbeit gezeigt. Zum Wohle unserer Jungen Menschen hoffe ich, daß das auch in Zukunft so bleibt. Dazu ist ein unbelastetes Miteinander unerläßlich.
    Ihr Charly