Leonie-Prozess: Angeklagter weist alle Schuld weit von sich

10. Dezember 2019

Fast hätte man es so erwarten können: Der Stiefvater der sechsjährigen Leonie, die im Januar in Torgelow in Vorpommern starb, hat jegliche Schuld bestritten – das aber nicht selbst vor Gericht geäußert. „Es tut mir leid, dass Leonie verstorben ist“, hieß der letzte Satz einer vermutlich länger vorbereiteten schriftlichen Erklärung. Diese hatten seine beiden Anwälte am Montag in etwas mehr als einer Viertelstunde vor dem Landgericht Neubrandenburg verlesen, wo sich der 28-Jährige wegen Mordes und Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten muss. Nachfragen ließen der Stiefvater und seine Anwälte nicht zu.

In der Erklärung wurde geschildert, wie der 12. Januar und auch der 8. Januar – der Tag als sich die Mutter und der Stiefvater kräftig gestritten haben – verlaufen sind. Um es kurz zu machen: Eigentlich wie immer, wenn nicht „der Treppensturz von Leonie“ gewesen wäre.

So sei man am 12. Januar aufgestanden wie immer, es habe Frühstück gegeben, die Kinder hätten gespielt, die Erwachsenen in der Küche geraucht. Dann habe es Mittag gegeben, nach der Mittagsruhe sollte es zum Einkaufen gehen, für das Wochenende sollten etwa 30 bis 40 Euro reichen.

Als der Stiefvater – wie er angibt – noch eine in der Küche rauchte, müsse Leonie schon aus der Tür gegangen sein. Plötzlich habe er „ein eigentümliches Geräusch gehört.“ Da habe er das Mädchen auf einem Zwischenpodest der Treppe mit dem Kopf an einer Marmorplatte liegen sehen. Sie habe aus der Nase und vielleicht auch aus dem Mund geblutet. Da habe er sie hoch ins Bett getragen. Mit einem Kühlakku wurde Leonie der Kopf gekühlt. Ärztliche Hilfe habe das Mädchen aber nicht gewollt.

Dann sei – wie im Prozess schon beschrieben – der Nachmittag vergangen, bis man abends wieder „ein Geräusch aus ihrem Zimmer hörte.“ Erst dann habe er einen Arzt gerufen – die schlimmen Folgen sind bekannt. Leonie überlebte nicht und Gutachter fanden eine Vielzahl an Verletzungen bei ihr, die sie sich und Anderen bisher nicht erklären können.
Er habe das Mädchen und auch ihren Bruder weder vor dem 8. Januar geschlagen, noch nachher, erklärte der Angeklagte in seiner Einlassung. Doch er will einmal – so etwa nach Weihnachten – gesehen haben, wie die Mutter Leonie derart getreten hat, dass sie mit dem Kopf gegen eine Wand prallte. Irgendwie habe die Mutter wohl nicht gewollt, dass Leonie immer wieder einforderte, ihren echten Vater treffen zu können, mutmaßte der Angeklagte als Grund.

In der Verhandlung hatten Angehörige seiner Seite außerdem noch behauptet, dass die Mutter Leonie ausgerechnet da getreten haben soll, als sie die Treppe heruntergefallen war. Davon war beim Angeklagten nun keine Rede mehr. Überhaupt, erklärte er, sind die vielen widersprüchlichen Angaben von seiner Seite nur dadurch zustande gekommen, weil er so empört über die schweren Vorwürfe war, die ihm bei der Polizei gemacht wurden.

Nach gut zwei Stunden war die Verhandlung am Montag damit bereits vorbei. Nun geht es am 3. Januar weiter: Dann sind starke Nerven gefragt. Die Gerichtsmedizinerin will ihren Bericht vorlegen. Von dem wird mehr Klarheit erwartet, also von wann die vielen Verletzungen der Kinder stammten und woher sie kommen könnten. Auch der Psychiater will erklären, wie der Angeklagte psychisch und erziehungsmäßig bedingt handelt und was ihn wozu jeweils veranlasst haben könnte.

Am 6. Januar sollen die Plädoyers aller Seiten gehalten werden, am 9. Januar wäre das Urteil geplant, kündigte das Gericht an.


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