Leonie-Prozess: Anklage will wieder „lebenslänglich“

16. Februar 2021

Im Revisionsprozess gegen den Stiefvater der kleinen Leonie (WsM berichtete) soll am 25. Februar das neue – und hoffentlich endgültige – Urteil fallen. Das Spektrum für die Revisionskammer ist allerdings sehr groß. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt wieder „lebenslänglich“ für den inzwischen 29 Jahre alten Mann verlangt, der Nebenkläger, der den leiblichen Vater des Opfers vertritt, fordert sogar, dass die Kammer wegen Mordes über „lebenslänglich“ und eine „Sicherungsverwahrung“ nachdenken soll.

Verteidiger Bernd Raitor sieht dagegen gar kein Motiv für einen Mord. Für die Anwälte des Stiefvaters waren die Misshandlungen von Leonie „Körperverletzung mit Todesfolge“, die Misshandlungen des damals erst zwei Jahre alten Noah „Körperverletzung“. Dafür solle ihr Mandant einmal fünf Jahre und einmal ein Jahr Haftstrafe erhalten. Raitor schätzte das Vorgehen seines Mandanten so ein, dass er „seine Erziehungsmaßnahmen mit körperlicher Gewalt unterstützen wollte.“ Der Anwalt vermied auffallend stärkere Formulierungen und sprach meist von „Züchtigungen.“

Liste der Verletzungen kaum zu ertragen

Dabei war die Liste der Verletzungen der Kinder so lang, dass einige Besucher die Aufzählungen der Rechtsmedizinerin Britta Bockholt fast nicht ertragen konnten. Von früheren Misshandlungen zum Jahreswechsel und am 8. Januar zeugten ein gebrochener Daumen des Mädchens und drei gebrochene Rippen. „Kinderknochen sind sehr elastisch, da braucht es ganz viel Gewalt, bis es zu einem Bruch kommt“, beschrieb es die Fachfrau. Dazu kamen diverse weitere Verletzungen an der Kopfhaut und sogar ein Riss in der Leber. „Nichts davon wurde medizinisch versorgt“, sagte die Rechtsmedizinerin.

Als Hauptmotiv arbeitete die Kammer heraus, dass der Stiefvater krankhaft eifersüchtig und kontrollsüchtig war. Vor allem nach dem Umzug der Familie von Wolgast nach Torgelow Mitte 2018. Dann kam das gemeinsame Kind, ein Junge, zur Welt. Die Mutter kümmerte sich vor allem um den Kleinen, der Stiefvater um die „Großen“. Wenn sie nicht im Haushalt funktionierten wie Erwachsene, gab es Hiebe.

So teilte er das Geld ein, kontrollierte sogar das Handy der Mutter. Das uferte derart aus, dass sich die Frau dann wieder von ihm trennen wollte. Das habe ihm Leonie auch gesagt. Der Stiefvater habe seine Machtstellung in der Familie mit Gewalt durchsetzen wollen, sagte der Staatsanwalt. Und wer derartige Gewalt gegen Kinder anwende, der handele aus „niederen Beweggründen.“ Dieses Motiv sollte die Revisionskammer nach dem Willen des Bundesgerichtshofes in dem Verfahren ja überprüfen.

Angeklagter wollte sich erhängen

Grundsätzlich hätte der Stiefvater, der sein Leben bisher allein organisiert hatte, erkennen können, dass solche Misshandlungen tödlich enden könnten, meinte ein psychiatrischer Gutachter. Trotzdem hatte er keine medizinische Hilfe geholt und auch verhindert, dass die Mutter welche holte. Für Verteidiger Raitor ist sein Mandant allerdings wohl nicht der einzige, der Gewalt ausgeübt haben soll. Beweise dafür, dass auch die Mutter mit Schlägen agierte, legte er aber nicht vor. Auch der Stiefvater blieb bei seinem Schweigen. Eine bereits vorbereitete Erklärung, die die Verteidiger verlesen wollten, blieb in der Aktenmappe. Der Angeklagte lehnte das ab.

Vor Gericht wurde außerdem bekannt, dass der Mann schon im Februar 2019, kurz nach seiner Festnahme und der Unterbringung im Knast in Bützow, einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Er habe versucht, sich zu erhängen, sagte ein Gutachter. Inzwischen sei der Angeklagte aber durch Medikamente wieder stabilisiert. Dem Gutachter gegenüber habe er auch erklärt, dass er unschuldig sei und Gewalt gegen Kinder sogar ablehne. Ob ihm das Landgericht das abnimmt, wird man am 25. Februar sehen.

Fotos: Felix Gadewolz


Eine Antwort zu “Leonie-Prozess: Anklage will wieder „lebenslänglich“”

  1. Jürgen sagt:

    Ich hoffe der Richter wird ein Urteil sprechen das dieses Individuum sein Lebensabend hinter Gittern verbringt.