Nach Parteitag in Ulrichshusen: Offener Brief an FDP-Chef

29. März 2021

Unser Beitrag über den Landes-FDP-Parteitag in Ulrichshusen mit Übernachtungen und Drei-Gänge-Menüs hat am Wochenende für viel Aufsehen und rege Diskussionen gesorgt. Auch auf dem Parteitag selbst. FDP-Chef René Domke, der in Ulrichshusen als Spitzenkandidat nominiert wurde, versuchte zwar – auch öffentlich – zu beruhigen, allerdings mit wenig Erfolg. So meinte der Liberale, dass die Teilnehmer ihr Essen schließlich selbst bezahlen müssten. Und Domke erklärte, dass die Kandidaten nur auf Präsenz-Veranstaltungen gekürt werden könnten, warum dafür aber zwei Tage mit allem Drum und Dran nötig gewesen sind, ließ er offen. Auch andere MV-Parteien haben ihre Kandidaten auf Präsenzveranstaltungen gekürt – zumeist in großen Turnhallen und innerhalb von wenigen Stunden.
Brigitte Rehfeldt hat sich jetzt in einem offenen Brief an René Domke gewandt. Diesen Brief veröffentlichen wir hier. Und da der Spitzenkandidat öffentlich meinte, dass es ja nur Wildgulasch gegeben habe, zeigen wir in diesem Beitrag zudem den Verpflegungsplan, den die Liberalen auf ihrer eigenen Homepage präsentierten.

Sehr geehrter Herr Domke,

nachdem ich am Wochenende auf der Plattform „Wir sind Müritzer“ und heute morgen im Nordkurier die Berichte über ihren Parteitag in Ulrichshusen gelesen habe, möchte ich mich persönlich an Sie wenden.

Ihre Aussagen im Nordkurier machen deutlich, dass Sie die Reaktionen und den Protest gegen diesen Parteitag in keiner Weise nachvollziehen können. Das finde ich sehr erschreckend, zugleich aber bedauerlich. Die FDP, die im Bundestag gerade erste kleine mutige Schritte gegen die unsägliche Politik der großen Koalition wagt, wird durch Ihre Art , einen Parteitag zu gestalten , und Ihre Aussagen dazu, geringe Chancen haben, den Bürger in Mecklenburg-Vorpommern zu erreichen.

Sie führen als Argument, dass der Parteitag stattfinden musste, an, dass es vorgeschrieben sei, die Kandidaten für die Bundestagswahl zu wählen. Das das so ist , wissen Sie und alle anderen Parteien nicht erst seit März dieses Jahres. Nachdem es in Deutschland inzwischen möglich sein soll , Ostergottesdienste digital abzuhalten ( schändlich!!!!) soll es auch Ihrer Partei nicht möglich gewesen sein, gegen einen Präsenzparteitag zu intervenieren?

Im Nordkurier stellen Sie die Frage, was an einem Rehgulasch von 12 Euro bitte sehr Luxus sein soll…. , diese rhetorische Frage von Ihnen zeigt eigentlich das vollkommene Unverständnis auf, dass Sie für die Situation der Menschen im Land an den Tag legen. Es geht nicht um den Preis des Gulasch, sondern darum , dass niemand (!)im Land im Moment nirgendwo (!)ein Rehgulasch in einer Gaststätte essen kann, noch nicht mal ein Bauernfrühstück ist möglich.
Sie führen an, dass im Vorfeld und während des Parteitages alle Hygiene Maßnahmen eingehalten wurden. Meinen Sie allen Ernstes, dass der Bürger zu dumm ist, genau diese Standards bei zum Beispiel des Geburtstages der Oma, der Einschulung des Kindes, der Beerdigung eines lieben Angehörigen nicht einzuhalten?

Für uns Bürger ist all das im Moment weder möglich noch ist es möglich in naher Zukunft derartige Begegnungen zu planen.
Ich führe als besonders tragisch in dieser Situation die vielen Geburtstage von hochbetagten Senioren an, die ersatzlos ausfallen. Die Chance, dass sie in einem Jahr noch einmal feiern können, ist oft gering.

Tragisch auch die Beisetzungen ohne Trauergäste. Ich weiß nicht, inwieweit Sie persönlich an Beerdigungen teilgenommen haben, aber der Abschied von einem geliebten Menschen war immer auch begleitet von einer Runde, die mit Erzählungen und Erinnerungen über den Toten ihren eigenen Schmerz und den der Angehörigen versucht haben zu mildern. Nichts von alledem ist gerade möglich und wäre doch so wichtig und unter den von Ihnen genannten hygienischen Bedingungen durchaus möglich.

So lassen wir Omas und Opas in Stich und verscharren unsere Toten, erbärmlich!

Aber auch den Kindern werden unwiederbringliche Erinnerungen genommen, Erinnerungen an fröhliche Geburtstagsfeiern, Einschulungen usw. Derartige Veranstaltungen werden in Deutschland dieser Tage schon mal mit Hilfe der Polizei aufgelöst.

Und nun kommen Sie, wohl wissend um all diese Zustände , und verteidigen allen Ernstes die Notwendigkeit eines Parteitages, ich kann nur sagen: Schämen Sie sich Herr Domke.
Eine Partei und ihr Vorsitzender, die sich nicht in die Sorgen und Nöte der Bevölkerung hinein versetzen kann, hat es nicht verdient auch nur ein bisschen politische Verantwortung in Mecklenburg-Vorpommern zu tragen.

Brigitte Rehfeldt

Hier der Verpflegungsplan:

 

Foto: Hans Blossey:Alamy Stock Foto


11 Antworten zu “Nach Parteitag in Ulrichshusen: Offener Brief an FDP-Chef”

  1. Ute SengebuschZ3P4 sagt:

    Es ist nicht zu glauben. Als ob es um Wildgulasch für 12€ geht oder darum, dass die Beteiligten ihr Essen alleine zahlten. Es geht darum, dass ich und viele andere gerne in einem Lokal sitzen möchten , mit Abstand und allem drum und dran. Warum dürfen das nicht 2 Personen oder 3 oder 4 , wenn es Parteimitglieder dürfen. Wir sind die Partei der normalen Bürger.

    • Dr. Hans-Joachim Radisch sagt:

      Liebe Frau Sengebusch, Ihre Kritik und die anderer hier ist nur zu berechtigt. Ja, warum dürfen nicht auch die „normalen Bürger“ abseits eines Parteitages zu 2, 3 oder auch 4 Personen unter strikter Einhaltung der Hygieneregeln in einem Restaurant Speisen, wenn dies denn FDP-Delegierten bei einem Parteitag dürfen? Nicht, daß dies FDP-Mitgliedern in Ulrichshusen legal gestattet war, ist skandalös: Ein ungeheuerer, auch und gerade von der FDP in MV beklagte Skandal ist, daß die Landespolitik dies nicht jedem Bürger gestattet, obwohl jedes Einkaufen in Supermärkten, jede Fahrt in öffentlichen Verkehrsmittel und die Anwesenheit an den verschiedensten Arbeitsplätzen deutlich höhere Infektionsrisiken für die Bürger darstellen als ein Restaurantbesuch bei Einhaltung der Hygienestandards. Empören müssen wir uns über die Landesregierung und die sie tragenden Politiker die sich ohne Sinn und Verstand durch das Verbot von Restaurant- und Hotelbesuche an selbstverständliche Freiheitsrechten der Bürger und den Restaurant- und Hotelbetrieben vergreifen. Was ohne Gefahr für die Gesundheit der Bürger Parteideligierten gestattet werden kann, muß durch die Behörden nach den gleichen Kriterien selbstverständlich und erst recht „Otto und Else Normalbürger“ gestattet sein und umgehend gestattet werden.

      • Stefan sagt:

        Vielleicht sprechen Sie besser wieder zu Ihren Mitstreitern auf Telegram. Diese scheinen für solch einfache Manipulation empfänglicher.
        Was Sie hier versuchen ist eine Umkehr von Schlussfolgerungen um damit simple Gemüter zu beeinflussen. Ihrem Berufsstand machen Sie damit auf jeden Fall alle Ehre.

      • Der Anwalt sagt:

        Ja ja, immer die gleichen Worte von Ihnen und ähnlich denkenden Menschen.

        Dabei vergessen Sie aber den wichtigsten Fakt überhaupt:

        Man versucht die Ansteckungsorte so stark zu mindern wie nur möglich, gleichzeitig aber unter Fortführung der größtmöglichen Teile des Wirtschaftslebens!

        Wenn nun also in einem Bereich aus naheliegendsten Gründen keine Maske getragen werden kann (beim Essen), dann wird dieser Bereich (Restaurantbesuche) dicht gemacht damit dort keine Ansteckungen mehr stattfinden.
        Denn egal wie gut das Hygienekonzept ist, es würde selbstverständlich viele Ansteckungen geben (weil ohne Maske gegessen/getrunken wird).

        In anderen Bereichen, in denen man nur ganz kurz im Verhältnis zur restlichen Arbeitszeit die Maske nicht tragen kann (Beispiel Mittagspause) wird NICHT dicht gemacht, weil man halt an 7,5 Stunden von 8,0 Stunden mit Maske arbeiten kann und somit das Wirtschaftsleben am Laufen hält.
        Ähnlich verhält es sich zum Nahverkehr. Ohne diesen liegt das Wirtschaftsleben flach – also muss der Nahverkehr fortgeführt werden. Selbstverständlich muss versucht werden dort so viele Ansteckungen wie nur möglich zu verhindern (Maskenpflicht). Leider kann man Busse und Straßenbahnen und deren Fahrer nicht aus dem Hut zaubern, deshalb sind manche Busse auch morgens noch voll. Deshalb ja auch die Homeoffice-Pflicht. Damit noch weniger morgens im Bus sitzen und stehen und mehr Platz zwischen den Fahrgästen ist (Ansteckungen verringern).
        Einkaufen in Supermärkten erklärt sich wohl von selbst wieso dies ermöglicht werden muss. Auch hier wieder mit Maske und Abstand.
        Restaurants sind nun mal nur ein ganz ganz kleiner Teil des gesamten Wirtschaftslebens und ist entbehrlich.
        Auch wenn es hart klingt.
        Hotels sind eine bisschen andere Sachlage, allerdings können die wenigsten Hotels ohne Restaurantbetrieb öffnen. Das lohnt sich sehr oft nicht. Gleichzeitig sind viele Firmenkunden weggefallen (weil allgemein weniger getroffen werden soll und mehr über Telefonkonferenzen gearbeitet werden soll).
        Dann noch die weggefallenen Veranstaltungen (Messen, Hochzeiten etc.)
        Am Ende sind sich die Wissenschaftler einig, dass ein Umherreisen, also ein Weiterverbreiten der Virusvarianten unterbunden werden muss. Also alle Bürger schön in ihrem Umfeld bleiben sollen.
        Ein Verbot von Touristischen Reisen bringt da sehr viel.
        Wenn aber auch die Touristen den Hotels als Gästen wegfallen, lohnt es sich überhaupt nicht mehr zu öffnen.
        Sie sehen – das hat schon seinen Sinn, dass Hotels und Restaurants geschlossen werden. Das hat auch nichts mit Freiheitsrechten zu tun.
        Oder warum gibt es Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Bundesstraßen? Da könnte man dann auch argumentieren, dass ich dort ja so schnell fahren kann wie ich möchte (Freiheitsrecht). Das große ganze Bild muss man sich halt auch vorstellen können und wollen und nicht nur verbissen auf die Sachlage schauen.

        Dass die Restaurantbetreiber und Hoteliers vielleicht mehr entschädigt werden müssten, ist eine ganz andere Frage und ich glaube ja, das müssten sie.

  2. Twixx sagt:

    Hallo, gehts noch? Wie dem Plan zu entnehmen, wurden doch, während der Veranstaltung, alle Hygienestandards eingehalten. Das In Selbstbedienung gereichte Essen, gestreckt über einen langen Zeitraum, hat nichts mit „Luxus“ zu tun. Fast jeder steht hinter dem Konzept der Schulöffnungen, von denen mit Sicherheit mehr Ansteckungsgefahr ausgeht. Wer einmal in dieser Zeit im Berliner Berufsverkehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren musste, wird nur kopfschüttelnd diese Berichterstattung verfolgen.
    Ulrichshusen, als fester Bestandteil der Kultur in unserem Landkreis, sei es gegönnt, in dieser Zeit die Veranstaltung durchgeführt zu haben, um wenigstens einen kleinen Obolus in die Kasse zu bekommen.
    Liebe Frau Rußbüldt-Gest, ich schätze ihre Arbeit, freue mich über ihre Informationen, dieser Bericht aber tat keinem gut.
    Wie sollte alle die Kirche im Dorf lassen….. auch in Ulrichshusen

    • 2021 sagt:

      Bitte alles noch einmal lesen. Wenn nicht verstanden, dann bitte noch einmal lesen, verinnerlichen und noch einmal ganz viel Empathie und logischen Menschenverstand dazugeben.
      Vielen Dank.

  3. Peter sagt:

    Die Antwort oder Rechtfertigung vom FDP-Chef zeigt doch jedem schön, dass sich die FDP eben NICHT verändert hat und weiterhin die Partei der „Besseren“ oder „Besserverdiener“ ist und eben nicht die Partei der Bürgerrechtler.

    Man steht in dieser Partei über dem normalen Bürger, das denkt man und das lebt man auch vor.
    Die Beweise sind die vorgelebten Parteitage, die öffentlichen Äußerungen von Parteimitgliedern und Parteifunktionären (Kommunal, Land, Bund) und die Aktionen, mit denen einige Parteimitglieder auffallen.

    Es mag für eine Partei dieser Art eine Wählerschicht geben, ich gehöre nicht dazu.

  4. Jürgen sagt:

    Nun haben die Besserverdienenden ihren Parteitag abgehalten,haben sich bestimmt über das dumme Wahlvolk lustig gemacht,Wasser gepredigt und Wein gesoffen.Diese Veranstaltung musste ja von sämtlichen Behörden genehmigt werden,sowas würde den Wahlmichel mal interessieren, die ganzen Kumpels die sowas genehmigen in den Ämtern und wahrscheinlich gerade die Ordnungsbehörde,aber die werden schon wieder unterwegs sein die Menschen abzukassieren weil sie keine Maske aufhaben,dort sollte man mal nachhaken ???????

  5. Landei sagt:

    Danke für die Berichterstattung über die FDP auch im Volksmund Partei der Unternehmer genannt. Deren Art als Partei ist die gleiche wie die Privatversicherung beim Arzt gegenüber dem Kassenpatienten.
    Schon eigenartig wenn Behörden diese Art der Wahl erlauben aber anderen verweigern.
    Wir haben 2021 ein Wahljahr aber einfacher wird das für den Wähler nicht?
    Für mich als Wähler der aus Protest zwei mal der AFD die Stimme gab, gibts nicht mehr weil dort Corona und Masken abgelehnt werden. CDU hat nur noch das eigene Profit im Blick und der Amtor hat die Nase höher als Er gehen kann, dazu viel zu Jung und keine Erfahrung was die Wähler alles schon im Leben durch gemacht haben sowie bedrückt.
    Die SPD kümmert sich lieber um Migranten und Zuwanderer, die Grünen sind mir einfach zu Grün, die feiern mir einfach Zuviel BIO. denn ich komme aus der Landwirtschaft und kann aus Erfahrung sagen das ich BIO nur so lange glaube wie ich es sehe, denn da wird Zuviel Schindluder hinter einem Logo betrieben. Bei den LINKEN wird nicht schlechter gelogen als vor 30 Jahren.
    Was bleibt da noch übrig nicht wählen oder eine eigene Partei zu gründen, aber da würden die Behörden bestimmt nicht solch eine Erlaubnis für eine Gründung und Wahl der Kandidaten in Öffentlichen Räumen geben wie für eine Unternehmerpartei der FDP?

  6. Dr.Hans-Joachim Radisch sagt:

    Twixx hat es auf den Punkt gebracht, besser läßt es sich sagen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist auch völlig untergegangen, daß für Geschäftsreisen bundesweit zum Beispiel die Unterkunftsgewährung in Hotels zu keinem Zeitpunkt untersagt war und ist. Wen für die Notwendigkeiten des „Geschäftes“ Demokratie, das ohne Bestimmung von Kandidaten der Parteien für Wahlen nicht machbar ist, die gleichen Übernachtungsmöglichkeiten gewährt werden, ist das doch nur konsequent.

    • Dr.Hans-Joachim Radisch sagt:

      Natürlich soll es in meinem Kommentar heißen „…besser läßt es sich nicht sagen.“