Neustrelitz fehlt historische Mitte – Schlossneubau im Visier

31. Januar 2018

Die Residenzstadt Neustrelitz hat ein großes Problem: Ihr fehlt ihre architektonische Mitte – das Residenzschloss. Das wurde jetzt auf einem Forum der Stiftung Mecklenburg deutlich. „Die Stadt wurde im 18. Jahrhundert für das Schloss gegründet“, argumentierte die Architekturhistorikerin Sabine Bock. Bei jeder wichtigen Blickachse, ob vom Zierker See zum Schlosspark, vom Markt zum Park oder vom Theater zur Stadt – immer fehle der viergeschossige Bau.

„Das ist wie in Berlin, dort orientierte sich die gesamte Bebauung in der Höhe am Stadtschloss“, berichtete der Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss Wilhelm von Boddien. Ihn hatten sich die Neustrelitzer eingeladen, um zu hören, wie man einen Wiederaufbau organisieren könnte. Wer erinnert sich nicht, nach der Sprengung unter Walter Ulbricht hatte sich die SED den „Palast der Republik“ in Berlins Mitte setzen lassen.

Der Schlosswiederaufbau wurde nach langer Debatte – als „Humboldt-Forum“ – möglich, nun steht es in Berlin ja kurz vor der Fertigstellung.

Anlass für die neuerliche Debatte sind Pläne des Schweriner Finanzministeriums, den Schlosskeller in Neustrelitz – einziges Denkmal, des früheren Adelssitzes – erst beräumen und dann zuschütten zu lassen. „Das wollen wir nicht“, gab der Neustrelitzer Stadtpräsident Christoph Poland die Meinung einer Vielzahl Einheimischer wieder. „Das wäre Frevel“, erläuterte die Historikerin Bock.

Das Schloss wurde in den letzten Kriegstagen 1945 in Brand gesteckt. Die Ruine stand dann noch bis 1949. Sie hätte, wie bei anderen wichtigen Bauwerken, auch wieder aufgebaut werden können. Aber das Adlige war den Kommunisten ohnehin ein Dorn im Auge und man ließ die Schlossruine 1949 sprengen – mit 200 Kilogramm Sprengstoff. Viele Sammlunge waren da schon in Mecklenburg und Vorpommern verteilt worden, die Bibliotheken nach Rostock und Greifswald, die geologische Sammlung war nach Waren ins heutige Müritzeum gelangt.

Interessante Geschichte

Nun wollen die Schloss-Befürworter Ideen suchen, was man mit einem Neubau, möglichst mit historischer Fassade, anfangen könnte. Das Ganze hat auch touristisch Bedeutung. Wie ein Sprecher des Landestourismusverbandes sagte, hat Neustrelitz trotz Sanierungen und imponierender Architekturgeschichte und vieler Seen im Umfeld im Laufe der Jahre etwa 40 Prozent seiner Übernachtungen verloren.
„Die Stadt muss sich endlich wieder auf ihre einstige Bedeutung besinnen und klar sagen, was sie anstrebt“, forderten mehrere Redner auf dem Forum. Klar sei bisher nur: Zuschütten des Kellers, das will keiner.

Denn im Schloss, das im 18. Jahrhundert entstand und später erweitert wurde, wurde vor 99 Jahren mit dem Landesgrundgesetz die erste demokratische und parlamentarische Verfassung auf deutschem Boden beschlossen, damals am 29. Januar 1919 von den Abgeordneten des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, der nach dem Ende der Monarchie folgte.
1933 vollzogen die Nationalsozialisten dann die Zwangsvereinigung Mecklenburg-Strelitz mit Mecklenburg-Schwerin. Führende Landespolitiker wollen nun im Finanzausschuss des Landtages die Pläne zum Verfüllen des Schlosskellers stoppen.

Internet: http://www.residenzschloss-verein.de/aktuelles.php


5 Antworten zu “Neustrelitz fehlt historische Mitte – Schlossneubau im Visier”

  1. Peter Sohr sagt:

    Ein schönes Schloss war es mal, ob an dieser Stelle wieder ein Schloss stehen muss, sei sehr fraglich. Als Mitgrund für die ins Auge gefasste Neuerrichtung müssen stagnierte Übernachtungszahlen herhalten. Wenn Neustrelitz im 18. Jahrhundert wie von der Architekturhistorikerin Sabine Bock angegeben für das Schloss gegründet wurde, muss es nicht zwangsläufig postum wieder neu errichtet werden. Fehlende Sicht- und Blickachse auf der einen und immense Kosten auf der anderen Seite. Mit einem Verweis auf die Hauptstadt Berlin als Zentrum in mehrerer Hinsicht ist es dabei nicht getan. Was dort geht präsentiert Deutschland in der Welt. Ganz andere Besucherzahlen stehen da zur Debatte und werden kaum vergleichbar mit den zu erwartenden fehlenden Übernachtungszahlen in Neustrelitz und Umgebung generiert werden können. Wie viele Übernachtungen werden wie lange nötig sein um den festgestellten Schwund an Urlaubern wettmachen zu müssen? Ich glaube kaum, das das avisierte Schloss diese derzeitige Flaute an Urlaubern umkehren kann. Da liegen die Ursachen rückgängiger Übernachtungszahlen mit Sicherheit nicht am fehlendem Schloss.

    Einer sinnvollen Nutzung und dem Schutz der bestehenden Kellerräume allerdings stehe ich sehr aufgeschlossen gegenüber. Führende Landespolitiker wollen ja im Finanzausschuss des Landtages die Pläne zum Verfüllen des Schlosskellers stoppen. Bei diesem Plan wünsche ich Durchsetzungskraft und Erfolg.
    Lasst uns im Sinne der historischem sowie der durchaus sehr interessanten und bewegten Geschichte den Keller als Überbleibsel auch für künftige anfassbaren Begegnungsort erhalten.
    Ich bin mir sicher, mit derzeit vorhandenen Elan sowie Unterstützung der Bewohner und den Stadtoberhäuptern von Neustrelitz gepaart mit Unterstützung der Landesregierung einen Weg finden zu können, der allen Beteiligten und der finanziellen Möglichkeiten gerecht wird.

  2. Neustrelitzer sagt:

    Bevor man ein riesiges Schloss aufbaut, sollte man diese große Geldsumme (bestimmt 50 Millionen Euro oder mehr) in Kindergärten, Schulen oder Sozialarbeiter stecken.
    Das bringt der Bevölkerung mehr.
    Ein Schloss wäre schon ein schönes Bauwerk, keine Frage.
    Aber ob die 40% Einbruch in den Übernachtungszahlen vom Mangel eines Schlosses kommen, kann ich mir nicht ganz vorstellen.

  3. HaPe sagt:

    Die kommunistischen Kulturbanausen haben während ihrer unseligen Dikdatur u.a. viele Baudenkmäler von geschichtlichem Wert mutwillig zerstört. Das NeustrelitzervSchloß wieder zu errichten trägt dazu bei, wichtige Zeugnisse unserer Vergangenheit, unserer Kultur, zurück zu gewinnen. … Ohne Vergangenheit ist die Gegenwart und ohne Gegenwart ist eine kultivierte Zukunft nicht denkbar.

  4. Simo sagt:

    Ja, für Prachtbauten ist Geld da, aber bei jeder Gelegenheit wird dem Großteil der arbeitenden Bevölkerung „verklickert“, dass die Rente nicht reichen wird, was?? In deutschen Großstädten sammeln Rentner Flaschen aus dem Müll!!!
    Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum und keine Schlösser.

  5. Otto sagt:

    HaPe,
    Erst informieren , dann einen Kommentar abgeben.
    Das Schloss Neustrelitz würde 1945 bei Kampfhandlungen zerstört und ist ausgebrannt.
    1949 wurden die nicht wieder aufbaufähigen Ruinen gesprengt.
    Zu dieser Zeit hätte man andere Probleme als den Wiederaufbau eines Schlosses.
    Wikipedia lässt grüßen, bevor Sie den 30 – jährigem Krieg auch den “ bösen “
    Kommunisten anhängen.