Prozess um das Martyrium eines Zweijährigen in Waren

23. Februar 2021

Es war eine Meldung wie viele andere auf „Wir sind Müritzer“: Nächtlicher Polizeieinsatz im Mai vergangenen Jahres in einem Haus in der Warener Wasserstraße. Häusliche Gewalt. Doch hinter dieser Meldung steckt das Schicksal eines kleinen, damals erst zwei Jahre alten Kindes. Wir nennen ihn John. Ein Junge, der in seinem kurzen Leben schon sehr viel Leid erfahren hat. Viel zu viel. Gestern sollte seine Mutter Sarah vor Gericht stehen. Der Vorwurf: Sie hat John schwer misshandelt. Sarah, 23 Jahre alt und inzwischen schon zweifache Mutter, erschien nicht zum Prozess. Dennoch fällte die Warener Richterin ein Urteil: Ein Jahr Freiheitsentzug, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Für Zeugen, die das Martyrium des kleinen John erlebt haben und helfen wollten, ein Prozess der Unmöglichkeit. Ein Prozess, der nach Meinung der Zeugen das fortsetzt, was sich viele Wochen lang abspielte – ein Prozess des Wegsehens.

„Wenn wir das nicht beendet hätten, wäre John womöglich nicht mehr am Leben. Wie die kleine Leonie in Torgelow“, erzählt eine Warenerin, die mit ihrem Mann nicht weggesehen, sondern gehandelt hat. Doch dabei fühlte sie sich von den Behörden, insbesondere vom Jugendamt des Landkreises, häufig allein gelassen.

Noch heute, fast ein Jahr später, gehen der Zeugin die Szenen nicht aus dem Kopf: Wie so oft in der Zeit davor ein Brüllen, Schreien, Klopfen und Knallen. Damit die Behörden den Zeugen endlich glauben, filmen sie die Szenen.

Nachdem sich die 23 Jahre alte, alkohol- und drogenkranke Mutter mit ihrem einstigen Lebensgefährten heftig gestritten hat, lässt sie ihre Wut am zweijährigen Sohn aus. Sie quetscht ihn zwischen ihre Oberschenkel und schlägt auf ihn ein. Sie drückt ihm die Hand aufs Gesicht, um die Schreie zu ersticken, sie schlägt mit der flachen Hand und der Faust auf das kleine Kind ein. Der Junge schreit verzweifelt, Zeugen rufen die Polizei. Endlich, so die Warener, kümmert sich das Jugendamt. Denn es gibt ein Video, das die Misshandlung zeigt. Ein Video, das entstand, weil den Zeugen zuvor niemand geglaubt hat. Ein Video auch fürs Jugendamt, dessen Mitarbeiter zuvor wohl mal vorbeigeschaut haben, aber nicht besonders engagiert reagierten.

John blieb in der Familie. Bis zu jenem Tag im Mai, bis zu jenem Tag, an dem die couragierten Zeugen ein Video als Beweis vorlegen konnten. Der Kleine lebt inzwischen in einer Pflegefamilie. Sicher und behütet. Auch das zweite Kind der 23-Jährigen ist nicht mehr bei der Mutter. Das, so die Informationen von „Wir sind Müritzer“, ist gleich nach der Geburt in eine andere Familie gekommen. Wahrscheinlich ist dem Neugeborenen dadurch einiges erspart geblieben.

Doch die Zeugen sehen nicht nur die Kinder als Opfer, sondern auch die junge Mutter, eine Frau, die in ihrer Kindheit selbst Schlimmes erfahren musste – Alkohol und Gewalt. Das soll natürlich keine Entschuldigung sein, zeigt aber auch, dass hier jemand durchs Raster gefallen ist. Durchs soziale Raster.

Die Zeugen, immer noch aufgewühlt und entsetzt, wurden gestern von der Richterin gar nicht erst angehört. Ein Urteil gab es trotzdem. Doch ist es angemessen? Hilft es dem kleinen Jungen und seinem jüngeren Bruder, und vor allem, hilft es der jungen Mutter, die alleine offenbar nicht zurecht kommt und jetzt angeblich in Warnemünde leben soll? Was, wenn sie wieder ein Kind bekommt und sich niemand kümmert? Ein Bewährungshelfer soll es richten, sagt die Warener Richterin, die gestern weder die Angeklagte noch die Zeugen gesehen hat.


9 Antworten zu “Prozess um das Martyrium eines Zweijährigen in Waren”

  1. AA sagt:

    „Doch dabei fühlte sie sich von den Behörden, insbesondere vom Jugendamt des Landkreises, häufig allein gelassen.“

    ….fürs Jugendamt, dessen Mitarbeiter zuvor wohl mal vorbeigeschaut haben, aber nicht besonders engagiert reagierten.“
    ————————————————————-
    Wie kann das sein? Aber leider hört man das immer wieder und deshalb müssen die Kinder noch länger leiden bzw. verlieren sogar ihr Leben.
    Woran liegt es, dass Jugendämter so spät eingreifen? Desinteresse, Überforderung, ….?

    In diesem Fall haben Menschen nicht weggesehen (wie leider auch häufig), es anscheinend öfter gemeldet und es hat sich nichts getan. Unverständlich!

    Den engagierten „Zeugen“ verdanken die beiden Knirpse ihr Leben. Danke fürs Nicht-Wegsehen und die Beharrlichkeit.

  2. Anja sagt:

    Den Zeugen sollte ein Orden verliehen werden. Sie haben diesen Jungen und das Baby gerettet!

  3. Kerstin sagt:

    Lächerliches Urteil ! Tut mir leid, solche Menschen gehören weggesperrt, und bitte keine Entschuldigungen, wie selber
    schwere Kindheit erfahren usw. !

  4. Anke sagt:

    Wie schön die Kommentare alle sind und alle auf der Mutter jetzt Umherhacken aber keiner komischer Weise auf den Kindsvater der sich schön aus der Affäre zieht.Der daran auch mit Schuld ist.Das haben die sogenannten Zeugen wohl vergessen den auch zu erwähnen.Am Anfang steht Häusliche Gewalt durch ihn Mal wieder deswegen kam es alles so schlimm.
    Nein ich nehme die Mutter nicht in Schutz aber ich finde es furchtbar das er nichts bekommt und sich als Super Daddy darstellt er ist kein Stück besser und dafür gibt es Beweise die auch den Jugendamt vorliegen aber die das wohl nicht sehen wollen!

  5. Suse sagt:

    Man sollte auch im Jugendamt mal kräftig aufräumen. Wer keine Lust zum Arbeiten hat, der sollte gehen. Wie kann es sein, dass dort die Augen verschlossen bleiben. Desinteresse oder Faulheit????

  6. Delos sagt:

    Was nützen all die Konventionen und Regelwerke für Kinder angefangen von der UNO bis hin zum Grundgesetz dieses Staates , wenn sie keine Anwendung finden ?????
    Es zeigt sich immer wieder , leider , in diesem Staat haben Kinder keine Lobby . Sprechblasen allerdings von Politik und Ämtern gibt es dafür genug .
    Das Handeln bzw. Nichthandeln des hier genannten Jugendamtes hat mich so manches mal in meinen Grundmauern als Pädagogin in den letzten Jahren erschüttert.

  7. John sagt:

    Ganz einfach beide Mutter wie Vater Zwangssterilisieren beide sind kein Verlust für die Welt.

    Und dieser Bullshit mit der schweren Kindheit.. die hatten viele von uns aber das rechtfertigt nichts und entschuldigt noch weniger.. Rational betrachtet haben beide ihre Daseins Berechtigung verwirkt also einfach weg mit den Animals.

  8. Schulz sagt:

    Vom Jugendamt bin ich persönlich so enttäuscht. Da bekommt man keine Hilfe. Da werden die Kinder total in Stich gelassen. Wenn so eine Rabenmutter umzieht, werden die Akten geschlossen. Informationen untereinander gibt es nicht. Arme Kinder.

  9. Stefan sagt:

    Ich möchte hier definitiv nichts verharmlosen oder entschuldigen, aber ist Ihnen allen eigentlich klar, dass auch die Mitarbeiter des Jugendamtes Menschen sind? Menschen die nicht überall gleichzeitig sein können. Menschen die auch Familie und Kinder haben. Menschen die täglich mit Elend, Ungerechtigkeit und dem was am Boden der Gesellschaft noch als Kaugummi unterm Schuh kleben geblieben ist, konfrontiert werden?

    Wir leben in einem Landkreis der größer ist als so manch ein Bundesland und haben bitte wieviele Mitarbeiter im Jugendamt? Wahrscheinlich wettern Sie im Aldi auch es möge eine zweite Kasse geöffnet werden während eine Kollegin die Eier aufwischt die Oma Müller gerade hat fallen lassen, die andere die Regale auffüllt damit alle Nutella kaufen können und die nächste sich mit letzter Kraft nach einer Stunde drückender Blase endlich zur Toilette rettet…

    Wie Eingangs erwähnt möchte ich absolut nichts verharmlosen und bin selbstverständlich auch nicht mit der Situation zufrieden oder einverstanden, aber ich möchte auch um kein Geld der Welt mit den Mitarbeitern des Jugendamtes tauschen, denn ich bin mir sicher mich nach vier Wochen im Dienst in der Psychiatrie wieder zu finden weil ich mit dem Erlebten nicht fertig werden würde!