Rechtsanwalt gibt Einblick in Betriebsschließungsversicherungen

27. Mai 2020

„Betriebsschließungsversicherung und Bauernfängerei“ ist das heutige Thema in unserer Rubrik „Recht im Alltag“. Ein Thema, das sehr aktuell ist, denn durch Corona mussten zahreiche Firmen ihre Türen schließen. Der Warener Jurist Sönke Brandt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, gibt hier wichtige Einblicke:
Der eine oder andere Betriebsinhaber, insbesondere in der Gastronomie, der in den letzten Wochen unter der Betriebsschließung durch die Landesregierung gelitten hat, besitzt eine entsprechende Betriebsschließungsversicherung. Tatsächlich versuchen aber nunmehr die Versicherungen, mit einer vermeintlich unsicheren Rechtslage Vergleiche anzubieten, wobei die für Versicherungen günstigen Meinungen regelmäßig von Rechtsanwälten vertreten werden, die der Versicherungswirtschaft nahe stehen.
Der eine oder andere Autor gehört dann einer Kanzlei an, die ausschließlich Versicherungsgesellschaften vertritt.

Von großem Interesse ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Landgerichts Mannheim, die in einem Verfahren bezüglich einer beantragten einstweiligen Verfügung ergangen ist (LG Mannheim, Urteil vom 29. April 2020 – 11 O 66/20 -). Zwar hat hier die Versicherung aus Gründen obsiegt, die mit dem Versicherungsrecht an sich wenig zu tun haben. Nichtsdestotrotz hat das Landgericht ohne Not sich zu wesentlichen versicherungrechtlichen Fragen geäußert.
Insbesondere hat es sich mit der Klausel befasst, die in diesem Fall lautete wie folgt:
„1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetz (IfSG)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt; (…)
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in den § § 6 und 7 IF SG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger (…)“

Das Landgericht kommt zu folgendem Schluss: „Zunächst ist bei der gebotenen Auslegung von § 5 Nr. 2 der… Bedingungen 2010 das SAS-Corona-Virus ein meldepflichtiger Krankheitserreger bzw. sind die dadurch ausgelösten Erkrankungen meldepflichtige Krankheiten.
Gerade hinsichtlich dieser Frage wird in der Fachliteratur derzeit gestritten. Die von dem Unterzeichnenden als unabhängig eingeschätzten Versicherungsrechtsexperten sehen es im Regelfall wie das Landgericht Mannheim. Abweichende Meinungen werden insbesondere von der Versicherungswirtschaft und für diese tätige Juristen vertreten. Hintergrund ist, dass das Corona-Virus im Infektionsschutzgesetz nicht namentlich aufgeführt wird.

Das Gericht stellt hinsichtlich des Maßstabes der Auslegung darauf ab, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen muss. Wen es interessiert, das Urteil ist im Internet veröffentlicht.

Der Auslegungsmaßstab entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

Darüber hinaus kommt es Landgericht Mannheim zu dem Ergebnis, dass von der Bedingung umfasst sind so genannte faktische Betriebsschließungen. An dieser Stelle darf zitiert werden:

„. Die gebotene Auslegung der Klausel führt zu dem Ergebnis, dass faktische Betriebsschließungen von ihr umfasst sein sollen. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der Wortlaut gerade von einer behördlich angeordneten Schließung des Betriebs spricht und durch die in Berlin und Hamburg mittels Rechtsverordnung und Allgemeinverfügung getroffenen Regelungen lediglich touristische Übernachtungen untersagt wurden, was den weiteren Hotelbetrieb für Geschäftsreisende grundsätzlich gestattet. Unstreitig sind Buchungen von Geschäftsreisen in den Hotels der Verfügungsklägerin derzeit noch möglich. Dennoch stellt sich die aktuelle Situation so dar, dass diese Beschränkung des Hotelbetriebs sich wie eine faktische Schließung auswirkt.“

Zur korrekten Information des Lesers gehört an dieser Stelle, dass Betriebsschließungsversicherungen nicht alle die gleichen Klauseln enthalten. Es kommt – wie immer in der Juristerei – auf den Einzelfall an. Es gibt durchaus auch Klauseln, die den Corona-Virus nicht mit umfassen.
Darüber hinaus ist es natürlich auch so, dass es keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Rechtsfragen gibt. Die hier wichtigen Rechtsfragen sind genauso neu wie der Corona-Virus. Allerdings sollte niemand ohne vorherige Beratung die derzeit kursierenden Vergleichsangebote der Versicherungen annehmen, die pauschal 15 % der Versicherungsleistung gegen eine Abfindungserklärung anbieten.


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