Richter Kasberg: Zutts Äußerung war Schmähkritik

5. Mai 2015

Die NPD-Stadtvertreterin Doris Zutt ist heute Nachmittag vom Amtsgericht Waren wegen Beleidigung während einer Stadtvertretersitzung zu einer Geldstrafe von 2400 Euro verurteilt worden. Sie muss damit deutlich mehr zahlen als im ursprünglichen Strafbefehl der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft festgelegt. Gegen diesen Strafbefehl hatte die 59-Jährige Einspruch eingelegt (WsM berichtete).

Und darum ging’s: Auf der November-Sitzung der Warener Stadtvertreter sprach Jochen Eicke vom BUND zum Einwohnerantrag, mit dem die Initiatoren versuchen wollten, die Ortsumgehung wieder auf die Tagesordnung zu hieven. Eicke fand dafür nur ablehnende Worte und stellte in seiner emotionalen Rede auch das Demokratieverständnis der Warener Stadtvertreter in Frage. Als Beispiel dafür führte er zudem die vorangegangene Wahl des stellvertretenden Stadtpräsidenten an, bei der fünf Volksvertreter offenbar kein Problem mit der NPD-Kandidatin hatten.

Als Eicke zum Platz zurück gekehrte, rief Doris Zutt für viele gut hörbar: „Heißen Sie Hitler?“ Der BUND-Vertreter selbst hat erst später davon erfahren, zeigte die 59-Jährige aber daraufhin wegen Beleidigung an.
Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg verhängte in einem Strafbefehl – also ohne Verhandlung – eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen je 20 Euro, insgesamt 800 Euro, Zutt erhob Einspruch, so dass es heute zur Verhandlung im Amtsgericht Waren kam.

„Angriff auf eigene Person“

Gavel, symbol of judicial decisions and justiceDoris Zutt, die ohne Anwalt aber in Begleitung von drei jungen, schwarz gekleideten Männern erschien, verteidigte sich selbst, trat aber – anders als in einigen Stadtvertretersitzungen – recht zurückhaltend und besonnen auf.
Die gelernte Altenpflegerin gab zu, Herrn Eicke zugerufen zu haben „Heißen Sie Hitler“, erklärte allerdings, dass sie sich durch die Worte des BUND-Mannes persönlich angegriffen gefühlt habe. Die NPD sei eine zugelassene Partei, die Stimmen für sie bei der Stadtpräsidentenwahl müsse man deshalb auch akzeptieren.
„Ohne diesen Angriff auf meine Person wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, so etwas zu sagen. Beleidigen wollte ich Herrn Eicke nicht“, sagte Zutt und wollte die Einstellung des Verfahrens oder einen Freispruch.

Staatsanwältin Heilwig Voß sah das anders und forderte 40 Tagessätze a 60 Euro. Die Gleichsetzung mit Adolf Hitler sei eine Beleidigung, sei Schmähkritik, die nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei.
„Adolf Hitler ist der personifizierte Inbegriff des Nationalsozialismus und ein Verbrecher“, argumentierte die Neubrandenburger Staatsanwältin. Zugute gehalten werde könne Doris Zutt, dass sie ihre Bemerkung vor Gericht nicht abgestritten habe, doch nicht so positiv habe sich ausgewirkt, dass es die Politikerin an Reue fehlen ließ. Die NPD-Stadtvertreterin habe diese Äußerung vor vielen Menschen gerufen und zudem wohlwissend, dass sie damit auch in den Medien zitiert werde.

„Da wird einem schlecht.“

Richter Michael Kasberg folgte der Staatsanwältin und verurteilte Doris Zutt zu der Geldstrafe von 2400 Euro, zu zahlen in monatlichen Raten von 200 Euro. Außerdem muss sie die Kosten des Verfahrens tragen. Die Rede von Jochen Eicke und seine Schelte sind nach Meinung des Richters kein persönlicher Angriff auf die NPD-Vertreterin gewesen, einen Vergleich mit Hitler könne man ohnehin durch nichts rechtfertigen.

„Gerade in diesen Tagen wird in den Medien wieder sehr viel über die Gräueltaten des Systems berichtet, für das Hitler verantwortlich war. Da wird einem schlecht. So ein Vergleich geht überhaupt  nicht. Die Grenze zur Schmähkritik wurde eindeutig überschritten“, so Michael Kasberg, der sich während der Verhandlung große Mühe gab, den Zusammenhang, in dem der Satz gefallen ist, zu verstehen. Dazu waren fünf Zeugen geladen, darunter Warens Bürgermeister Norbert Möller, Stadt- und Pressevertreter.

„Ich kann sogar nachvollziehen, dass sie wegen der Rede des Herrn Eicke, der auch übers Ziel hinausgeschossen ist,  aufgebracht waren, ihre Reaktion allerdings geht so nicht. Das war eine Beleidigung“, erklärte der Richter.

Doris Zutt hat jetzt die Möglichkeit, innerhalb einer Woche Revision oder Berufung einzulegen.

Und auch diese Information gehört der Vollständigkeit halber zu diesem Artikel: Die Autorin des Beitrags war als Zeugin beim Prozess zugegen.

Foto unten: Doris Zutt (links), einer ihrer Begleiter, der nichts mit der Verhandlung zu tun hatte und den wir deshalb unkenntlich gemacht haben, im Hintergrund Richter Michael Kasberg und Staatsanwältin Heilwig Voß (rechts)

Zutt

 


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