Verbraucherzentrale geht erfolgreich gegen Widerrufsfolgen einer Sofortrentenversicherung vor

27. März 2021

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart) hat der Allianz Lebensversicherungs-AG verboten, die Widerrufsfolgen bei Sofortrentenversicherungen einzelfallunabhängig zu berechnen. Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte gegen diese Praxis des Versicherers geklagt. Ausgangspunkt der Klage war der Fall einer 84-jährigen Dame, die 50.000 Euro in eine „Allianz PrivatSofortRente Klassik“ investiert hatte. Daraus sollte sie jährlich knapp 4.200 Euro Rente erhalten. Der Vertrag beinhaltete wie üblich eine Widerrufsbelehrung. Auch die Widerrufsfolgen waren geregelt. Demnach sollte die Verbraucherin über 138 Euro pro Tag bis zum Widerruf zahlen. Hätte die Betroffene erst am Ende der gesetzlichen Frist von 30 Tagen widerrufen, so hätte sie über 4.100 Euro an die Allianz zahlen müssen (Urteil des OLG Stuttgart vom 21. Januar 2021, Az. U 565/19).

„Diese Widerrufsfolge ist geeignet, um Verbraucher vom Widerruf abzuhalten“ sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Gut, dass das OLG Stuttgart der Praxis einen Riegel vorgeschoben hat.“

Pauschale Lebenserwartung darf nicht Berechnungsgrundlage sein

Die Allianz muss es nach dem rechtskräftigen Urteil des OLG Stuttgart unterlassen, für die Zeit bis zum Widerruf einen Betrag zu verlangen, der sich nach der Formel berechnet: „Tagessatz lebenslange SofortRente = Einmalbetrag / ((erwartetes Lebensalter – Eintrittsalter der versicherten Person) x 360)“. Für den vorliegenden Fall bedeutet das: Tagessatz = 50.000 Euro / ((85-84) x 360) = 50.000 Euro / 360 = 138,88 Euro.

Diese Berechnung werde dem tatsächlichen Risiko der Allianz nicht gerecht, so das Gericht. Nach dem OLG Stuttgart dürfe der zu zahlende Betrag nicht so bemessen sein, dass er als Vertragsstrafe ausgelegt werden könne. Die im Urteil formulierte Unterlassung bezieht sich auf den Fall, dass die Allianz eine Lebenserwartung von 85 Jahren zugrunde legt und das Eintrittsalter der Versicherten bei 84 Jahren liegt.

Umstritten war zudem, ob die Allianz während der Widerrufsfrist überhaupt eine Versicherungsleistung erbringt, die sie bepreisen kann. Das OLG Stuttgart hat klar ausgeführt, dass die Allianz für die Zeit bis zum Widerruf kein wirtschaftliches Risiko übernommen hat und auch sonst keine Leistung für die Verbraucherin erbringt. „Die Allianz hatte somit ein Risiko kalkuliert, das gar nicht existierte“, sagt Klug.

Verbraucherschützer raten zur Prüfung von Verträgen

Verbraucher sollten grundsätzlich gut überlegen, ob eine Sofortrentenversicherung für sie das richtige Produkt ist. Ist die Versicherung mit so hohen oder ähnlich hohe Kosten verbunden, kann der Vertrag im Einzelfall noch beanstandet werden.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart ist relevant für alle Rentenversicherungen gegen Einmalprämie. Betroffene, die im Fall eines Widerrufs Beiträge gezahlt haben, sollten deren Rechtmäßigkeit daher insgesamt überprüfen lassen, rät Verbraucherschützerin Klug. Das gelte auch dann, wenn man mit der Sofortrentenversicherung grundsätzlich unzufrieden sei und überlege, aus dem Vertrag auszusteigen.


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