Wann spricht endlich der Angeklagte im Fall Leonie?

23. Oktober 2019

Im Prozess um den gewaltsamen Tod der sechsjährigen Leonie aus Torgelow in Vorpommern wird der Druck für den Angeklagten immer größer. Nach der Mutter, die dem Mann am Montag angelastet hatte, dass er an jenem 12. Januar allein mit Leonie in der Wohnung war, haben weitere Zeugen von Widersprüchen in den Aussagen des Mannes berichtet. Der 28-Jährige musste gestern am Landgericht Neubrandenburg mit anhören, wie seine Version von einem „noch ansprechbaren Kind“, das er der Rettungsstelle gemeldet haben will, widerlegt wurde. Ein Rettungssanitäter erklärte den Richtern als Zeuge, dass der Angeklagte ihn und sein Team bereits unten am Hauseingang mit den Worten empfangen habe, „sie atmet nicht mehr.“

Demgegenüber hatte er noch beim Notruf – der viereinhalb Stunden nach dem angeblichen Treppensturz erfolgte und mehrfach im Gericht abgespielt wurde – davon gesprochen, dass Leonie „ansprechbar“ sei. Außerdem soll das Mädchen nicht in „stabiler Seitenlage“ gelegen haben – wovon der Angeklagte bei der Polizei gesprochen hatte – sondern auf dem Rücken „leblos und halb zugedeckt“, sagte der erfahrene Sanitäter. Ihm seien Verletzungen bei Leonie am Daumen und am Auge aufgefallen, der Notarzt habe weitere Verletzungen an Rippen und am Kopf festgestellt. „Uns wurde auch wegen der Verletzungen schnell klar, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist“, sagte der Zeuge. Er habe daraufhin die Polizei alarmiert.

Der 28-jährige Stiefvater von Leonie und ihrem dreijährigen Bruder muss sich wegen Mord durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten (WsM berichtete).

Eine Mitarbeiterin, die im Auftrag des Jugendamtes am 12. Januar in der Wohnung war, konnte Vorwürfe entkräften, die Geschwister seien nicht schnell genug in Obhut genommen worden. Sie sei wegen eines Unfalls dorthin geschickt worden, bei dem die Familie ein Kind verloren hatte. In so einer Situation nimmt man nicht weitere Kinder in Obhut, ohne das es Not tut. Aber es müsse geklärt werden, ob die geschockten Eltern die anderen Geschwister versorgen können oder Hilfen brauchten. Das sei nicht der Fall gewesen und eine Notfallseelsorgerin habe ihr versichert, dass es den kleinen Kindern bei der Mutter gut gehe.

Die Staatsanwaltschaft hat trotzdem gegen die Frau ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht eingeleitet.

Der Prozess wird mit weiteren Vernehmungen der Mutter – ohne Öffentlichkeit – von Polizisten, Kinderärzten sowie dem leiblichen Vater,  der Nebenkläger ist, in den nächsten Tagen fortgesetzt. Der Angeklagte will sich nach jetziger Planung vielleicht Anfang November äußern.


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