Was dürfen Fleisch und Wurst eigentlich kosten ? Debatte nach Großbrand in Riesen-Ferkelzucht

2. Mai 2021

Das Thema ist im Augenblick recht unappetitlich, aber man muss mal drüber reden: Es geht um Brandgefahr und den Zusammenhang von Fleischprodukten und Tierhaltung. Vor einem Monat brannte eine der größten Ferkelaufzuchtanlagen in Deutschland ab: In Alt Tellin nördlich der Seenplatte. „Das ist eine Tragödie hoch drei“, erklärt Landes-Agrarminister Till Backhaus (SPD), der jetzt als erster Politiker den Brandort besuchte und „Wir sind Müritzer“ konnte dabei sein.
Von den vielen Ställen – jeweils in Doppelreihe – ist kaum noch etwas übrig. Sage und schreibe mehr als 55 000 Ferkel und Muttersauen sind bei dem Großbrand am 30. März getötet worden. Die Kadaver lagen mehrere Wochen, nun sind sie entsorgt. Von der 2010 gebauten Sandwich-Platten-Anlage mit nur einer Brandmauer sind nur noch riesige Schrotthaufen übrig.
Solche Anlage werfen auch die Frage auf, was darf Fleisch und Wurst kosten?

Die politische Debatte ist bereits voll entbrannt. Vor dem Tor stehen Demonstranten von Linken, Grünen, Greenpeace und Tierschutzpartei, die „industrielle Tierhaltung“ ablehnen.

Backhaus will das auch nicht, eher kleinere Anlage mit mehr Tierwohl, aber bezahlbar müsse auch alles bleiben. So kostet ein Kilogramm Schweinefleisch aus „konventioneller Haltung“ derzeit 1,49 Euro, ein Kilogramm aus Bio-Haltung aber 3,52 Euro. So schlägt der Minister vor, an dem abgelegenen Standort etwa drei Kilometer von Alt Tellin entfernt nach der Aufarbeitung wieder eine kleinere, mehr auf das wohl der Tiere gerichtete Anlage aufzubauen, auch damit die Leute wieder Arbeitsplätze haben. Doch davon wollen die Demonstranten nichts hören. Sie fordern den Minister stattdessen zum Rücktritt auf.

Einige Greenpeace-Helferinnen aus Hamburg hatten morgens zunächst den Zaun überklettern wollen und so das Wachpersonal am Tor auf sich gezogen –- während andere gegenüber über den Zaun kletterten. Sie stiegen auf hohe Futtertürme, wo sie gelbe Banner befestigten und sich daran anseilten. Mit Backhaus reden sie nur kurz. Man wolle weniger Tiere, esse weder Fleisch, noch Fisch oder Käse, sagt eine Aktivistin.

Unterdessen fahren unten sieben Bagger auf extra ausgelegten „Baggermatrazen“ an den Kellerruinen vorbei, in denen noch jede Menge Gülleschlamm liegt. Sie holen Bauschutt heraus, der auf Lastwagen verladen wird. Betreiber ist die LFD Holding aus Roßdorf in Sachsen-Anhalt (Landwirtschaftlichen Ferkelzucht Deutschland), die bundesweit elf solcher Anlagen betreibt.

Mit ihnen hat Backhaus gesprochen, auch mit dem Eigentümer. Keiner will wieder solch eine Anlage, sagt der Minister. Nun liege es am Eigentümer, was hier passiert – wenn endlich geklärt ist, was die Brandkatastrophe auslöste. Das Feuer war am 30. März kurz vor neun Uhr gemeldet worden und hatte sich dann nach und nach durch fast die gesamte Stallanlage „gefressen.“ Nur etwa 1300 Schweine konnten gerettet werden. Die Staatsanwaltschaft hat den Schaden auf etwa 40 Millionen Euro geschätzt und ermittelt im Augenblick wegen Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung. Man hält aber auch einen technischen Defekt für denkbar, dann müsste aber geprüft werden, ob regelmäßig gewartet wurde. Und sogar eine vorsätzlich Brandstiftung hat noch niemand ausgeschlossen.

Backhaus rechnet damit, dass die Ermittlungen noch Monate dauern könnten – und hat von der Polizei schon mal eine Aufstockung der Ermittlungsgruppe verlangt.


4 Antworten zu “Was dürfen Fleisch und Wurst eigentlich kosten ? Debatte nach Großbrand in Riesen-Ferkelzucht”

  1. Beppo Straßenkehrer sagt:

    Was soll man von einem System erwarten, in dem der Profit im Zentrum allen Strebens steht? Mit Waffen verdient man sich am Tod dämlich, die Finanzwelt ist ein einziger Sumpf (Wirecard, Cum Ex Geschäfte etc.) und reißt ganze Staaten in den Abgrund usw. Was sind da 55.000 verbrannte Schweine, die auch schon ohne das Feuer ein Sch…leben hatten? Hauptsache, das Rad dreht sich und die Profitrate stimmt. Übrigens exportieren wir Schweinefleisch in Unmengen nach China. Und die Chinesen bauen um ihre großen Ballungszentren herum sogenannte „Schweinehochhäuser“ mit Platz für über 150.000 Tiere (kann sich Till Backhaus ja mal im Web ansehen). So etwas würde sich doch in unserer schönen Heimat auch nicht schlecht machen. Die Stückkosten lassen sich damit sicher noch weiter drücken. Wie dem auch sei: freiwillig gibt die Schweinelobby keinen Millimeter nach, also muss der Gesetzgeber ran, zum Schutz der Umwelt und der geplagten Kreatur. Vielleicht kümmert sich die zukünftige grüne Kanzlerin darum….:-)

  2. Antje sagt:

    Den vielen Empfindlichen sollte man mal vor Auge halten, dass auch sie im Sommer völlig unnötig Lebewesen töten und das ohne sie zu essen. Mücken!
    Manchmal sogar kleine Käfer und Insekten mit Giftfallen umbringen. („Gartenschädlinge“ oder unangenehme „Hausbewohner“)

    Hier werden nun Lebewesen gehalten und umgebracht, damit viele nicht so empfindliche Menschen Nahrung haben und ein gutes Leben führen können.

    WO ist das Problem?
    Gegen Massentierhaltung ist an sich nichts auszusetzen, weil es einfach effizienter ist und auch besser für die Tiere.

    Bei sehr großen Ställen haben die Unternehmen nämlich eigene sehr geschulte Mitarbeiter für einzelne Aufgaben (studiert und Masterabschluss) und in den kleinen Betrieben wird da teilweise noch mit sehr alten Methoden gearbeitet weil sie es nicht besser wissen oder finanziell nicht anders umzusetzen sind.
    Gegen Brände muss man natürlich etwas tun, aber das sind Unfälle die nun mal immer vorkommen können und man niemals ausschließen kann.

  3. DirkNB sagt:

    Was die betreuenden Fachleute betrifft, mag das mit dem Bildungsstand ja stimmen. Aber eine naturnahe Haltung von Tieren ist das nicht im Massenstall. Wenn Schweine bspw. ihr kurzes Leben lang nur auf Spaltenbeton in ihren eigenen Exprementen stehen (umfallen können sie ja nicht, weil sie dafür keinen Platz haben), industriell und medizinisch aufgepumpt sowie nie in ihrem Leben Sonnenlicht gesehen …
    Dann doch lieber Tiere in naturnaher Haltung, gern auch etwas kleinteiliger, mit Auslauf und Bauern, die neben ein wenig Studium auch jahrhundertelange Erfahrung einbringen und noch wissen, wie von Natur aus gesunde Schweine aussehen und leben.
    Und dann müssen wir auch mal was gegen die gedankliche Verdrängung der Tiererzeugung machen: Wer Fleisch isst, muss sich die Tiefaufzucht, das Schlachten und die weitere Verarbeitung auch mal ansehen. Industriell und Hofschlachtung naturnah. Damit ein wenig Realität in die Diskussion kommt.

  4. Simon Simson sagt:

    Antje, ich gebe Ihnen recht. Hinzuzufügen ist aber, dass sich die Großbetriebe einiges erlauben und dies die Grundlage für den Minimalpreis bildet, den der Handel fordern kann. Dabei sei erwähnt, dass das Futter (Soja) großenteils aus Südamerika kommt, für das dort unter sehr südamerkanisch agierenden Machtstrukturen der Regenwald hemmungsloser den je abgebrannt wird. Die nach dem Stoffwechsel entstehende Gülle wird aber nicht nach Südamerika verschifft. Sie wird, um Kosten zu sparen, auf (keiner hat´s gesehen) in so nahem Umkreis, wie gerade noch nicht auffällt, breitgegossen, dass die Pflanzen unter Überdüngung leiden und das Grundwasser in immer größeren Regionen nicht mehr als Trinkwasser verwendbar ist. Das ist das Problem. Sicher geht nachhaltig auch in großem Maßstab. Davon sind wir aber weit entfernt. Die Politik hätte meine volle Unterstützung, würde sie nicht mehr oder weniger heimlich mit den Großerzeugern paktieren, um deren Wettbewerbsfähigkeit unter den ganz Großen sicherzustellen. Wir als Wähler müssten mehr einfordern. Dann wäre es weniger dramatisch, wenn der normale Müritzer kiloweise in Folie eingeschrumpften Schweinekamm als Angebot der Woche für die zünftige Grillparty in den Einkaufswagen flatscht.