Was Kerzenlicht bewirken kann – Sieben Kerzen erinnern in Waren an „Keine Gewalt“

8. November 2020

Morgen, an einem geschichtsträchtigen Datum, sollte es offiziell eingeweiht werden, doch daraus wird aus den bekannten Gründen nichts. „Wir sind Müritzer“ möchte das neue Wendedenkmal, das seinen Platz an der St. Marienkirche in Waren haben wird, aber schon einmal vorstellen: „Ich wollte, dass eine gewisse Dynamik von den Kerzen ausgeht und zugleich, dass sie auch Ruhe ausstrahlen“, sagt Franz Poppe, der sich schon vor der Wende und danach vehement für den Erhalt der Warener Altstadt eingesetzt hat. Der bekannte Kunsthandwerker aus Waren steht an seiner neuesten Kreation – sieben Kerzen aus Steinzeug, die bis zu 80 Zentimeter hoch sind, und auf einem kreisrunden Sockel stehen. Sie sind weiß glasiert und haben eine stilisierte Flamme aus rotem Ton.

„Die Idee dazu hatte die Ärztin Dr. Gisela Dunker, der künstlerische Vorschlag zur Umsetzung kam von mir“, erläutert der 81-jährige Franz Poppe den Werdegang. Mit der feierlichen Enthüllung am endgültigen Standort wird Waren – die Stadt, in der sich 1989 mutige Bürger als Erste im Norden auf die Straße trauten – künftig zwei Kunstwerke für einen sehr wichtigen Geschichtsabschnitt haben. Ohne die Wende, ist Poppe klar, stünde vielleicht die Warener Altstadt nicht mehr. Planungen für den Abriss der historischen, aber in der DDR-Zeit verfallenen Altstadt gab es schon. Dann wäre „sozialistische Architektur“, also Plattenbauten dort errichtet worden wie in anderen Innenstädten, was eigentlich keiner wollte.

Was passt besser als Kerzen, dachte Poppe. Der damit wohl nicht der einzige ist. Mit Kerzen in der Hand zogen die Demonstranten damals in Leipzig und später überall in Ostdeutschland durch die Städte. In Waren vom „geschützten Raum“ der Kirche St. Georgen nach St. Marien und dann zum Marktplatz, wo Pastor Hans-Henning Harder zu Ruhe und Besonnenheit aufrief. „Wir wussten ja wirklich nicht, ob wir vielleicht einkassiert werden von der Stasi“, erinnert sich Poppe. Wenn Gorbatschow nicht gewesen wäre, hätte es auch wie 1956 in Ungarn und 1968 in Prag wieder blutig ausgehen können. Am Ende der jeweiligen Montagsabendspaziergänge wurden die Kerzen abgestellt. Daran erinnert künftig das Kerzen-Denkmal.

Eine Herzensangelegenheit

Ein ähnliche Idee hatte es übrigens auch für das Kunstwerk gegeben, dass die Landesregierung am Alten Markt ausgeschrieben hatte. Acht Kerzensilhouetten mit spiegelglatten Edelstahloberflächen sah ein Vorschlag vor, der aber keine Mehrheit in der Jury bekam. Nun steht etwas Filigraneres dort. „Wenn Waren jetzt ein weiteres ‚Erinnerungszeichen‘ bekommt, das Warener selbst initiiert haben, unterstreicht das nur die wichtige Rolle, die der Protest damals auch im Land gespielt hat“, meint Bürgermeister Norbert Möller.

Für Franz Poppe ist diese Arbeit „ein Herzensanliegen“. Geld möchte er für das etwa 100 Kilogramm schwere Kunstwerk eigentlich nicht. „Ich hoffe, dass ich die Coronazeit ohne Probleme überstehe und noch recht lange gesund bleibe“, lautet sein wichtigster Wunsch. Zu tun hat der rüstige Kunsthandwerker noch genug, wie man in seiner Werkstatt sehen kann.


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