Wie eine Müritzerin die Weihnachtszeit in Indien erlebt

25. Dezember 2015

Sv1Die 18-Jährige Eve-Svenja Callies aus Grabowhöfe betreut im indischen Bopahl ein Projekt mit Straßenkindern und hat uns seit Beginn ihrer Arbeit bereits mehrfach von ihren Erfahrungen berichtet.

Auch einige Spenden von Mal- und Unterrichtsmaterial aus der Müritz-Region sind bereits bei ihr in Indien eingegangen.

Jetzt hat Svenja und über ihre Weihnachtszeit in Bopahl geschrieben. Sehr emotional:

„Es ist gelinde gesagt, recht schwierig bei 30°C im Schatten in eine ordentliche Weihnachtsstimmung zu gelangen. Statt bibbernder Zähne Sonnenbrand und anstelle von Glühwein nur Chai Tee.

Dieses Weihnachten ist das erste, das ich gut 6700 Kilometer entfernt von meiner Heimat und ohne einen Verwandten verbringe. Da schleicht sich die melancholische Stimmung ganz automatisch durch die Hintertür in meine Gedanken ein.

Sv4Es ist nämlich gleichzeitig auch das erste richtige Weihnachten, das mein kleiner Neffe bewusst erlebt. Plätzchen backen, Schneeengel machen, den Weihnachtsbaum schmücken. All das sind Momente, die ich in diesem Jahr leider verpassen muss. Und auch das schönste Skypegespräch ersetzt nicht die traditionellen Abende in meiner Familie, bei denen wir zum hundertsten Mal die Schicksalsjahre einer Kaiserin verfolgen und immer noch ergriffen „Sissi“ und „Franz“ mitseufzen.

Indien macht mir erst bewusst, wie wichtig mir Weihnachten und seine teilweise albernen Bräuche wirklich sind. Was würde ich nur alles dafür geben, jetzt auf dem Weihnachtsmarkt zu stehen und meine Füße vor lauter Kälte nicht mehr spüren zu können!

Auch wenn die für die Adventszeit gesparte zwanghaft fröhliche Stimmung einem in Deutschland mitunter zur Weißglut bringen kann, lassen die bunten Lichter und der verführerischer Geruch der Vanillekirpfel eine ganz besondere Atmosphäre entstehen, ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit.

Also habe ich mich entschlossen, einen Hauch Weihnachtsglück nach Indien zu bringen und die Kinder mit deutschen Traditionen zu verzaubern.

Sv3An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei allen Müritzern bedanken, die mir mein Weihnachtsprojekt erst ermöglicht haben! Durch die zahlreichen Sachspenden, kam ich auf die Idee, einen ganz besonderen interkulturellen Adventskalender für mein Learning Center zu basteln.

Da Schokolade bei den hiesigen Temperaturen hoffnungslos schmilzt, habe ich ein wenig improvisiert und für jeden Tag bis zum Heiligabend ein kleines Päckchen gepackt und sie unter einem Weihnachtsplakat gestapelt.

Täglich darf ein anderes Kind das Geschenk öffnen und findet nicht nur eine kleine Überraschung für sich, sondern auch stets ein neues Präsent für das gesamte Center. Durch das wunderbare Paket aus Deutschland ist mein Adventskalender aufregend vielfältig gestaltet, von Memorie, über Stifte, Spiele bis zu Wasserbomben gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken.

Natürlich ist mir bewusst, dass ich nicht alle Bräuche in Indien umsetzen kann, so fehlt mir leider der Ofen für die himmlischen Plätzchen meiner Mutter. Doch das tut der Vorfreude meiner Schützlinge keinen Abbruch, die Kinder sind schon ganz aufgeregt bei der Planung unseres gemeinsamen Heiligabends.

Ein Weihnachtsfilm auf Hindi

Es ist rührend, wie interessiert die Kleinsten an der Kultur eines so fernen Landes wie Deutschlands sind. Tagtäglich löchern sie mich mit Fragen über Sinn und Zweck unseres Weihnachtsfests. Denn auch wenn der 1. Weihnachtsfeiertag offizieller Festtag ist, leben in Indien nur knappe 2,5 Prozent Christen, so dass die Weihnachtsgeschichte für viele eher einem geheimen und alten Märchen anmutet.

Sv2Daher ist der gemeinsame Heiligabend mit den Kindern natürlich vorrangig der Aufklärung und kulturellen Erweiterung gewidmet. Ich plane eine kleine Power Point Präsentation, mit welcher ich ihnen den Weihnachtsmann und seine Rentiercrew etwas näher bringen möchte. Ich bin schon gespannt, ob sie der Anblick unseres Bärtigen Geschenkespenders in Staunen oder Furcht versetzen wird. Die Aufregung meiner Schützlinge überträgt sich zunehmend auch auf mich, schließlich schlüpfe ich das erste Mal in meinem Leben aus der Rolle des Kindes, das Weihnachten tagelang verwöhnt und beschenkt wird und muss Verantwortung übernehmen, schenken und Kinderaugen zum Strahlen bringen.

Doch tatsächlich ist das eine Aufgabe, die mir bereits in ihrer Vorbereitung erstaunlich viel Freude bereitet. So kann ich mich momentan kaum auf etwas anderes konzentrieren, als auf die perfekte Auswahl kitschiger Weihnachtslieder, Kinderspiele und meiner persönlichen Mammuttaufgabe, das Ausgraben eines Weihnachtsfilms auf Hindi.

Ich bin schon sehr gespannt und hoffe auf ein buntes, lustiges Fest, das den Kindern mindestens ebenso viel Freude bereiten wird wie mir! Und vielleicht entzünde ich in ihnen sogar die Lust, andere Kulturen kennenzulernen und zu verstehen, denn glüht sie erst, wird sie so schnell nicht mehr erlöschen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.


Eine Antwort zu “Wie eine Müritzerin die Weihnachtszeit in Indien erlebt”

  1. antje bobzien sagt:

    Svenja … super !!! Mir sind beim Lesen die Tränen gekommen…. Ein schönes Weihnachtsfest und liebe Grüße
    Onkel Dieter und Tante Antje