Wirtschaft zeigt sich erholt, ist aber von Normalität noch entfernt
„Die gewerbliche Wirtschaft in der IHK-Region Neubrandenburg zeigt sich von den pandemiebedingten Einschränkungen der Geschäftstätigkeit erholt. Dennoch kann von einer Normalität keine Rede sein.“ Dieses Resümee zieht Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern, mit Blick auf die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage im Herbst 2020. Zwischen dem 7. September und 2. Oktober wurden 915 Unternehmen der Wirtschaftszweige Industrie, Bau, Handel, Dienstleistungen, Verkehr und Gastgewerbe befragt.
In seiem Resümee bezieht sich Torsten Haasch auf die Tatsache, dass 91 Prozent der antwortenden Unternehmen ihre wirtschaftliche Lage als „gut“ und „befriedigend“ bezeichnen. Neun Prozent sagen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage „schlecht“ darstellt.
„Dennoch“, so Torsten Haasch weiter, „wir haben noch längst keinen regulären Zustand des Wirtschaftens wie vor Beginn der Corona-Pandemie erreicht“. Das spiegelt sich nach seinen Aussagen u.a. darin wider, dass aktuell noch 44 Prozent der Unternehmen im Jahr 2020 Umsatzverluste gegenüber 2019 erwarten und 45 Prozent der Unternehmen über negative Folgen der Covid-19-Pandemie auf die Finanzlage, insbesondere über Eigenkapitalrückgang (30 Prozent) klagen. Und der IHK-Hauptgeschäftsführer ergänzt: „Nur bei gut einem Drittel der Unternehmen ist die Geschäftstätigkeit wieder zur Normalität zurückgekehrt, knapp ein Viertel erwartet dies erst für 2021. Wegen des Fortbestehens der Pandemie erwarten nun sogar mehr Unternehmen eine Normalisierung der Geschäftstätigkeit nicht vor 2022.“
Der Blick auf die verschiedenen Branchen zeigt die Differenziertheit ihrer Entwicklungen:
Wenn auch für Industrieunternehmen im Allgemeinen kein Lockdown angeordnet wurde, litten sie dennoch unter seinen Auswirkungen in anderen Branchen und Ländern. Ende Juni beurteilten 23 Prozent der Industrieunternehmen ihre Lage als schlecht, 30 Prozent als befriedigend. Inzwischen funktioniert der internationale Warenhandel wieder weitgehend. Dementsprechend schätzen die hiesigen Industrieunternehmen ihre Umsatzentwicklung im Jahr 2020 gegenüber 2019 jetzt deutlich günstiger ein: 22 Prozent erwarten eine Umsatzsteigerung und 35 Prozent gehen von gleichen Umsätzen in beiden Jahren aus, nur noch acht Prozent erwarten Umsatzeinbußen zwischen 25 und 50 Prozent.
Der Blick auf die Zukunft hat sich ebenfalls aufgehellt und die Beschäftigungspläne positiv beeinflusst. Befürchteten Ende Juni noch 23 Prozent der Industrieunternehmen, dass sie Personal abbauen müssten, so sind es aktuell nur noch 14 Prozent.
Auch wenn die Erholung deutlich ist, arbeiten die Unternehmen zum großen Teil noch nicht im Normalbetrieb. 35 Prozent der Unternehmen erwarten erst für 2021 die Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit, elf Prozent nicht vor 2022.
Die Arbeit der Baubranche wurde in geringerem Maße durch die Pandemie behindert als die der anderen Branchen. Dementsprechend beurteilt aktuell kein Unternehmen seine Geschäftslage als schlecht. Fast 80 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Pandemie ihre Finanzlage nicht negativ beeinflusst hat. 53 Prozent der Betriebe arbeiten wieder im Normalbetrieb, ein deutlich höherer Prozentsatz als im Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft. Dennoch erwarten immerhin 26 Prozent der Baubetriebe Umsatzverluste zwischen zehn und 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gründe hierfür sind, dass im Ausland wohnende Arbeitnehmer in der Zeit des Lockdowns nicht nach Deutschland einreisen konnten, behördliche Genehmigungen länger auf sich warten ließen oder Aufträge aus stark von der Krise betroffenen Branchen storniert wurden. Hohe Auftragsbestände milderten allerdings die Auswirkungen solcher Stornierungen.
Die Handelsunternehmen haben in Abhängigkeit von den für sie geltenden behördlichen Einschränkungen, der Verfügbarkeit von Substituten im Onlinehandel oder eigenen Onlineaktivitäten in sehr unterschiedlichem Maß die bisherige Zeit der Pandemie durchlebt. Fast ein Viertel der Unternehmen erwartet eine Umsatzsteigerung in 2020 gegenüber 2019, 22 Prozent gehen von einem Umsatz ähnlich dem des Vorjahrs aus, 20 Prozent befürchten Umsatzeinbußen bis zu zehn Prozent, 16 Prozent Umsatzeinbußen zwischen zehn und 25 Prozent und elf Prozent Umsatzeinbußen zwischen 25 und 50 Prozent. Dementsprechend unterschiedlich stellt sich auch die Finanzlage der Handelsunternehmen dar. Bei der Hälfte der Unternehmen gibt es keine negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Finanzlage. Die andere Hälfte klagt vor allem über Eigenkapitalrückgang (30 Prozent), Forderungsausfälle (20 Prozent) und Liquiditätsengpässe (18 Prozent). Die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate sind im Handel pessimistischer als im Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft.
Die Dienstleistungsunternehmen bezeichnen zu 91 Prozent ihre Lage als befriedigend oder besser. 13 Prozent erwarten im Jahr 2020 Umsatzsteigerungen gegenüber dem Vorjahr und 44 Prozent gehen davon aus, dass ihre Umsätze eine ähnliche Größenordnung wie 2019 erreichen werden. 39 Prozent arbeiten schon jetzt wieder im Normalbetrieb, weitere elf Prozent erwarten dies bis zum Jahresende 2020. Hinter diesen guten Bewertungen stehen so verschiedene Branchen wie Finanz- und Versicherungsdienstleister, Wach- und Sicherheitsdienstleister, IuK-Dienstleister, Altenpflege, Garten- und Gebäudebetreuung, Grundstücks- und Wohnungswesen.
In der Verkehrsbranche sind die Auswirkungen der Pandemie im Güterverkehr andere als im Personenverkehr. Die Güterverkehrsunternehmen und Speditionen schätzen ihre Lage als „gut“ oder „befriedigend“ ein. Gut die Hälfte geht davon aus, dass der Umsatz 2020 nicht unter das Niveau von 2019 fallen wird und diese sehen daher auch keine Beeinträchtigungen ihrer Finanzlage. Die übrigen haben Umsatzverluste von weniger als zehn Prozent erlitten, sie klagen vor allem über Eigenkapitalrückgang. Auf die kommenden zwölf Monate blicken die Unternehmen mit Vorsicht. Dies äußert sich zum einen darin, dass mehr Unternehmen ihre Investitionsausgaben kürzen als ausweiten wollen. Zum anderen geht kein Unternehmen von einer steigenden Beschäftigung aus, obwohl fast die Hälfte offene Stellen längerfristig nicht besetzen kann.
Der Personenverkehr, insbesondere der Reisebusverkehr ist stark von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Ihnen war bis Ende Juni die Geschäftstätigkeit untersagt. Aufgrund der einzuhaltenden Abstände, der Sorge der Konsumenten vor Ansteckungen können die Reisebusunternehmen auch jetzt ihre Kapazitäten bei Weitem noch nicht auslasten. Sie beschreiben ihre Lage als „befriedigend“ oder „schlecht“ und leiden stark unter Eigenkapitalrückgang. Sie erwarten Umsatzrückgänge in diesem Jahr von i. d. R. mindestens zehn Prozent.
Die Covid-19-Pandemie hat sehr starke und andauernde Auswirkungen auf das Gastgewerbe. Es war vom Lockdown stark betroffen und ist noch immer mit Beschränkungen der Geschäftstätigkeit konfrontiert. Insofern lag die Stimmung unter den Gastronomen zu Beginn des Sommers am Boden. Ausgehend davon schätzen sie heute ihre Lage recht positiv ein. 65 Prozent der Unternehmen bezeichnen sie als „gut“, 14 Prozent als „schlecht“. Beide Zahlen liegen über dem Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft.
Während das Gastgewerbe in den Städten unter dem Wegfall des Städtetourismus und fehlenden Geschäftsreisenden leidet, kam Restaurants und Beherbergungsbetrieben an den hiesigen Urlaubsorten in den Sommermonaten die starke Nachfrage von deutschen Urlaubern zu Gute. Insgesamt erwarten zwölf Prozent der gastgewerblichen Unternehmen für 2020 höhere Umsätze als im Vorjahr und 46 Prozent erwarten Umsatzeinbußen zwischen zehn und 25 Prozent. Bei 39 Prozent der Unternehmen hat sich die Finanzlage pandemiebedingt nicht verschlechtert, aber 52 Prozent beklagen einen Eigenkapitalrückgang und 17 Prozent haben mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen.
Auf die kommenden Monate schaut das Gastgewerbe mit großer Sorge und voller Unsicherheit. Der Erwartungssaldo liegt bei -16 Prozentpunkten (gewerbliche Wirtschaft insgesamt: -3 Prozentpunkte). 30 Prozent der Unternehmen wagen derzeit keine Einschätzung, wann ihnen die Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit möglich sein wird. Die anderen erwarten sie frühestens für die 2. Jahreshälfte 2021.
Die weiteren Detailergebnisse für die Branchen sind auf den Internetseiten der IHK zu finden: www.neubrandenburg.ihk.de