Es wird ernst: Mutter von Leonie in Neubrandenburg vor Gericht

3. Dezember 2021

Am Amtsgericht Neubrandenburg hat gestern der Prozess gegen die Mutter der 2019 gestorbenen Leonie aus Torgelow in Vorpommern begonnen. Wie erwartet, beantragte die Verteidigung der 27-jährigen Frau einen Ausschluss der Öffentlichkeit, denn ihre Mandantin wollte sich erklären. Da aber „schutzwürdige Interessen“ berücksichtigt werden müssten, nur hinter verschlossenen Türen. Dem folgte das Gericht. Es gehe auch um sexuelle Belange, sagte die Verteidigerin. Der Ausschluss soll für die Dauer der Aussage der Frau gelten, wie Richterin Tanja Krüske erklärte. Für den Prozess ist es sicher förderlich, wenn die Angeklagte „nicht mauert“, wie es der Anwalt der Nebenklage, Falk-Ingo Flöter, ausdrückte.

Was die Angeklagte sagte, blieb also vorerst unklar, denn die Vernehmung dauerte bis in den Nachmittag hinein. Erklären muss die Frau, die mit Mund-Nasen-Schutz, Sonnenbrille und wasserstoffblondem Haar kaum erkennbar war und mit einem Stofftier erschien, wohl einiges. Denn bei „pflichtgemäßem Handeln“ hätte das Mädchen mit einiger Wahrscheinlichkeit das Ganze überlebt, sagte die Staatsanwältin. Unklar sei, warum der Mutter der schlechte Zustand von  Leonie nicht schon an jenem Nachmittag aufgefallen ist, als sie vom Einkaufen wiederkam und Leonie mit Kühlakkus am Körper im Bett lag.

Die Mutter hatte sich wohl mit der Erklärung zufrieden gegeben, dass Leonie eine große Treppe im Hausflur heruntergefallen sein soll. Eine Schutzbehauptung, wie sich im Prozess gegen den Stiefvater herausstellte. (WsM berichtete).

Die Mutter hatte sich dem damals zwei Jahre alten Bruder Leonies, der jetzt fünf ist und beim leiblichen Vater lebt, zugewandt und vor allem dem Baby, dass sie zusammen mit dem Stiefvater hat und das bei ihr lebt. Trotzdem hätte sie an jenem Tag viel eher Hilfe holen müssen, wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor. Konkret heißt das: „Fahrlässige Tötung durch Unterlassen.“

Das sechsjährige Mädchen war am 12. Januar 2019 tot in der Familien-Wohnung in Torgelow gefunden worden. Mediziner hatten noch versucht, die Kleine zu retten, doch sie waren zu spät alarmiert worden. Der Stiefvater hatte das Mädchen schwer misshandelt, wollte aber nicht, dass das herauskommt und hatte der Frau ihr Handy weggenommen, damit sie niemanden informiert. Als die Mutter beim Baden dann endlich sah, wie schlimm ihre Tochter zugerichtet wurde, sollte der Stiefvater endlich wirklich Helfer anrufen, da täuschte er nur einen Anruf vor. Letztlich war es zu spät.

Der Mann hatte vor Gericht geschwiegen, die Mutter aber nicht. Sie wurde zur „Kronzeugin der Staatsanwaltschaft“, wie es hieß. In der Folge muss sie sich auch „nur“ wegen des Vorfalls am 12. Januar verantworten, obwohl der damalige Partner ihre beiden Kinder aus Wolgast schon vorher mehrfach misshandelt haben soll, was etliche Frakturen bewiesen.

Mit im Gerichtssaal auch Leonies leiblicher Vater Oliver Ehmke, der als Nebenkläger schon im Prozess gegen den verurteilten Stiefvater seiner Tochter dabei war und erneut als Nebenkläger auftritt. Vor dem Gericht  demonstrierte ein neuer Kinderschutzverein aus Neubrandenburg gegen Gewalt an Kindern.

Der Prozess wird am 14. Dezember fortgesetzt.

In einem ähnlichen Verfahren in Niedersachsen, bei dem auch ein neuer Partner einer Frau deren Tochter so schwer misshandelte, dass sie starb, bekam die dortige 33 Jahre alte Mutter eine Bewährungsstrafe. Das Gericht sprach die Frau aus Hildesheim der „unterlassenen Hilfeleistung“ schuldig. Sie bekam ein Jahr Freiheitsstrafe angedroht, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Ihr neuer Mann hatte sieben Jahre Haft bekommen. Er soll das Kind misshandelt haben, weil sie ihn nicht akzeptieren wollte und wieder einmal eingenässt hatte.  Das Mädchen war erst vier Jahre alt und hieß auch Leonie.

Fotos: Felix Gadewolz


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