Mehr Gewebespender im Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg

16. Januar 2022

Trotz Corona-Pandemie ist es der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) erneut gelungen, die Gewebespende weiter auszubauen und mehr Patienten mit Augenhornhäuten, Herzklappen, Blutgefäßen und Amnionmembranen zu versorgen: Mithilfe der insgesamt 2.897 realisierten Gewebespenden war es der DGFG im letzten Jahr erstmals möglich, über 7.000 Patienten mit einem Gewebetransplantat zu versorgen, darunter 4.145 mit einer Augenhornhaut. Damit konnte die DGFG die Anzahl der zur Transplantation abgegebenen Gewebe in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppeln (2011: 3.143 vermittelte Gewebe). Mecklenburg-Vorpommern ist eines der spendenstärksten Bundesländer im Jahr 2021: Hier wurden 334 Gewebespenden realisiert. Als eine von fünf Gesellschafterkliniken engagiert sich auch das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg im bundesweiten Netzwerk der DGFG: Hier spendeten 50 Menschen nach ihrem Tod Gewebe. 2020 waren es 41. 60 Prozent aller potentiellen Gewebespender kamen aus medizinischen Gründen wie einer COVID-19-Infektion nicht in Frage. Corona sorgt vor allem an großen Kliniken mit Maximalversorgung für einen hohen Spenderausschluss.

Die Corona-Pandemie hält insbesondere die Medizinwelt weiter in Atem, führte jedoch bislang zu keinem Einbruch in der Gewebespende. Im Rahmen der 7.390 Aufklärungsgespräche wurde 3.103-Mal einer Gewebespende zugestimmt. Damit liegt die Zustimmungsquote in 2021 bei 42 Prozent. Insgesamt meldeten die Kliniken der DGFG 44.231 potentielle Gewebespender, davon kamen 901 Meldungen aus dem Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum. Obwohl ein Großteil aus medizinischen Gründen wie einer COVID-19-Infektion für eine Gewebespende nicht in Frage kam, führte die hohe Zustimmung in der Bevölkerung zu einem dennoch positiven Ergebnis in den Spendezahlen.

Mehr Menschen treffen zu Lebzeiten eine Entscheidung für die Gewebespende

Erfreulich ist auch die gestiegene Zahl an einer bereits zu Lebzeiten getroffenen Entscheidung: 28 Prozent haben 2021 in Deutschland ihren Willen zu einer Gewebespende bereits zu Lebzeiten geäußert oder dokumentiert, am Neubrandenburger Klinikum waren es sogar 33 Prozent. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil bundesweit bei nur 14 Prozent. Ist der Wille nicht bekannt, können Angehörige im Sinne der Verstorbenen entscheiden – 2021 war dies in Deutschland in mehr als zwei Dritteln der Fall (69,7 %). Der deutliche Appell der DGFG lautet daher: Treffen Sie Ihre Entscheidung bereits zu Lebzeiten und teilen Sie sie ihren Angehörigen mit. Schaffen Sie mit Ihrer Entscheidung Klarheit über den Tod hinaus.

Gewebespende auch unabhängig von Organspende möglich

Im Unterschied zur Organspende ist die Gewebespende nicht an die Hirntoddiagnostik gebunden. So wurde auch in 2021 der Großteil der Gewebespenden nach Herz-Kreislauf-Stillstand realisiert (85,7 %). Eine Entnahme von Herzklappen und Gefäßen ist bis zu 36 Stunden, eine Augenhornhautspende sogar bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt möglich. 2021 fand eine Gewebeentnahme am Bonhoeffer-Klinikum durchschnittlich nach 38 Stunden ab Feststellung des Todeszeitpunktes statt.

Nach wie vor ist die Organspende wichtig für die Patientenversorgung insbesondere mit kardiovaskulärem Gewebe (KVG), das heißt Herzklappen und Blutgefäßen: Insgesamt stammten in Deutschland 369 Gewebespenden von Organspendern (12,7 %). Bei 59 Prozent dieser Gewebespenden konnte das Herz für die Gewinnung der noch funktionsfähigen Herzklappen und Gefäße entnommen werden. Der Bedarf dieser Gewebe ist hoch. Mit 154 vermittelten Herzklappen konnte  2021 die Hälfte aller Anfragen bedient werden. „Das ist noch immer zu wenig. Hinter jeder dieser Anfragen steht ein Patient, dessen Leben auf dem Spiel steht“, so Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG. Aus diesem Grund treibt die DGFG die von der Organspende unabhängige KVG-Spende bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen voran und konnte seit 2017 insgesamt 122 solcher Spenden realisieren.

Bedarf an Gewebe trotz steigender Spendezahlen noch immer nicht gedeckt

Der stete Ausbau des Spendeprogrammes im gesamten Bundesgebiet sowie die wachsende Bereitschaft in der Bevölkerung haben dazu geführt, dass die DGFG die Patientenversorgung mit Gewebe innerhalb der letzten zehn Jahre mehr als verdoppeln konnte. Um diesem hohen Spendevolumen gerecht zu werden, arbeiten 13 Gewebebanken im Netzwerk der DGFG für die Aufbereitung der Gewebe zusammen. Insgesamt haben die Gewebebanken allein im letzten Jahr 6.362 Spendeneingänge bearbeitet. Trotz steigender Zahlen herrscht in Deutschland jedoch noch immer ein Mangel an Gewebe: 2021 konnte die DGFG 73 Prozent aller Anfragen für ein Hornhauttransplantat zeitnah bedienen; bei den Herzklappen waren es nur 50 Prozent. Jede offene Anfrage bedeutet für die Patienten ein noch längerer, mit Leid verbundener Weg zum Erhalt eines erlösenden Transplantats.

Amnionmembran echte Alternative in der Behandlung schwerer Wundheilungen

46 Lebend-Gewebespenden konnte die DGFG in 2021 realisieren. Zur Lebend-Gewebespende zählt die Spende der Plazenta und der darin enthaltenen Amnionmembran im Rahmen einer geplanten Kaiserschnittgeburt. In der Augenheilkunde kommt sie zur Behandlung der Hornhautoberfläche zum Einsatz und kann als AmnioClip-plus ähnlich wie eine Kontaktlinse auf das erkrankte Auge gelegt werden. Insgesamt konnte die DGFG 2.072 Amniontransplantate, darunter 74 AmnioClip-plus, vermitteln.
Die wundheilungsfördernden und antientzündlichen Eigenschaften der Amnionmembran machen sie auch für die Versorgung weiterer Wundgebiete wertvoll – und führen zu wachsendem Interesse unter Medizinern: Zwölfmal kam die Amnionmembran bei chronischen Wunden in Form eines „Wundpflasters“ bereits erfolgreich zum Einsatz.

Erstmals berührungslose Hornhauttransplantation in Deutschland möglich

Eine weitere Errungenschaft im vergangenen Jahr im Netzwerk der DGFG war die Einführung der sogenannten LaMEK preloaded: Die bereits vorgeladene Hornhautlamelle, eine dünne Schicht der Spenderhornhaut, kann von Augenärzten bei einer speziellen Form der Hornhauttransplantation (DMEK) berührungsfrei injiziert werden. Diese dünne Schicht wird in einer Gewebebank im DGFG-Netzwerk bereits vorpräpariert und qualitätsgeprüft, was hohe Sicherheit für Operateur und Patient garantiert. Die Vermittlung der LaMEK preloaded erfolgt über die DGFG. Das Transplantationssystem wurde zusammen mit der Augenklinik Sulzbach und der Geuder AG entwickelt.

25 Jahre Gewebespende – 15 Jahre DGFG

In diesem Jahr begeht die DGFG ihr 15-jähriges Jubiläum. Von 1997 bis 2007 organisierte sie noch als Tochter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) als Gesellschaft für Gewebetransplantation (DSO-G) die Gewebespende. Heute profitiert die DGFG von ihren 25 Jahren Erfahrung in der Gewebemedizin und mit ihr die zahlreichen Patienten, die Jahr für Jahr mit Gewebe versorgt werden können. Diese beiden Jubiläen geben der DGFG den Anlass, am 2. Juni 2022 in Hannover im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung auf die Entwicklungen in der Gewebemedizin zurückzuschauen sowie Zukunftsperspektiven aufzuzeigen. Den Rahmen wird die jüngst mit dem German Design Award ausgezeichnete Fotografieausstellung Gewebespende erleben bilden. Entstanden sind die Patienten- und Berufportraits, Stillleben und Reportagen in einem mehrsemestrigen Kooperationsprojekt mit Fotografiestudierenden an der Hochschule Hannover (HsH).

Über die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG)

Die DGFG fördert seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland. Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen. Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen: Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg. Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der Unterstützung durch die Netzwerkpartner und ihrer Unabhängigkeit von privaten oder kommerziellen Interessen einzigartig in Deutschland.


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