Er lag wie ein Häufchen Elend – Zeugen berichten über Fall Lärz

3. November 2021

Im sogenannten Selbstjustiz-Fall von  Lärz hat das Landgericht Neubrandenburg jetzt die ersten Zeugen gehört. Dabei handelte es sich um Bewohner des kleinen Ortes Schillersdorf bei Wesenberg, die den schwer verletzten Geschädigten am 1. März 2021, einem Montag, als Erste sahen sowie etliche Polizisten. Der 39-Jährige Mann aus Lärz war am 28. Februar von einer Gruppe in Lärz brutal misshandelt, dazu gequält und später bei Schillersdorf in einen Bunker gestoßen worden, wo er sterben sollte, wie es in der Anklage heißt (WsM berichtete). Aus diesem Bunkerschacht – auf einem ansonsten abgesperrten Ex-Militärgelände, das nur Einheimische kennen – war dem Mann wider Erwarten die Flucht gelungen.

„Der hat wie ein Häufchen Elend bei uns vor dem Haus gelegen“, sagte eine Frau aus Schillersdorf. Die Hände des Mannes seien derart geschwollen gewesen, dass er nicht mal eine Tasse Tee halten konnte. Außerdem habe der Mann am ganzen Körper gezittert, vermutlich vor Kälte. Zudem sei er extrem ängstlich gewesen – wohl verständlich, bei dem was das Opfer durchgemacht haben soll.

Die Frau aus Schillersdorf alarmierte Polizei und Rettungskräfte, die den Mann damals auf die Intensivstation eines Krankenhauses brachten. Dort nahmen ihn die ersten Ermittler in Augenschein. Mehrere Beamte erklärten nun vor Gericht, dass sie so extrem viele Verletzungen an einem Menschen bisher gar nicht oder sehr selten gesehen haben. Der Geschädigte hatte fast überall Hämatome, dazu Abschürfungen im Gesicht und an den Beinen.

Die vier Angeklagten nahmen die Schilderungen  bisher recht passiv auf. Die 26-jährige Hauptangeklagte wirkte sogar eher gelangweilt am zweiten Prozesstag.

Die Frau soll damals – so die Ermittlungen – mehrere Männer manipuliert haben, bei dem Gewaltakt mitzumachen. Angeblich habe der 39-Jährige ihren Sohn  sexuell missbraucht, ihr war wohl nicht geheuer, dass der Sohn bei Treffen oft auf dem Schoß des Mannes saß, wie sie gesagt haben soll.

Bei den Mitangeklagten handelt es sich laut Anklage um den 47-jährigen Vater ihrer zwei Kinder, von dem sie sich aber getrennt hatte, ihren 23-jährigen aktuellen Partner und einen weiteren 23-jährigen Kumpel.

Der 47-Jährige und die Frau müssen sich zudem wegen Drogenhandels mit nicht geringen Mengen verantworten. Bei ihnen waren Amphetamine gefunden worden. Die Polizisten erklärten, dass sie schon am 1. März im Plattenbau in Lärz waren und dort mit Nachbarn und der 26-Jährigen gesprochen hatten. Die meisten Befragten hatten nichts von dem Gewaltakt gehört. Nur von der gemeinsamen Grillparty wurde schon berichtet, bei der die Sache wohl ihren Anfang nahm.

Erst ein paar Tage später habe sich der Geschädigte, dem es dann besser ging, daran erinnert, dass einer der vermummten Angreifer von Ende Februar wohl der jetzige junge Partner des Frau war. Daraufhin war dieser festgenommen worden, danach kam man den anderen Angeklagten wohl auf die Spur.

So soll die 26-Jährige später gesagt haben, dass der Mann nun eine Lektion bekommen habe. Diese sollte wohl damit enden, dass der Geschädigte in dem Bunker ums Leben kommen sollte, so dass ihn dort am besten niemand findet. Weitere Einzelheiten der Ermittlungen werden erst in den nächsten Wochen ans Licht kommen. Dann wollen die Prozessbeteiligten Bilder von den Tatorten ansehen und schließlich auch den Geschädigten befragen. Das soll im Dezember am besten  ohne die Angeklagten im Saal passieren, vor denen der Mann immer noch große Furcht hat.

Die Angeklagten schwiegen bisher zu dem Fall. Das ist zwar ihr gutes Recht, aber ihr Gewissen dürfte das nicht erleichtern. Die Hauptangeklagte wurde zudem noch gerügt, weil sie in der U-Haft versucht hatte, über eine Mitgefangene einen Brief hinauszuschmuggeln. Damit habe sie die angeordnete Postkontrolle zu umgehen versucht, sagte die Richterin. Diese ist nötig,  damit es auch nicht Absprachen zwischen den Angeklagten gibt und möglichst die Wahrheit aufgeklärt werden kann.

Die Verhandlungstermin reichen bereits bis in den Februar 2022 hinein.


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