
Das gab es in der Geschichte der jetzige Stadtvertretung bisher noch nicht: Bei einem brisanten Thema sind sich alle Politiker relativ einig, vermeiden Schuldzuweisungen und wollen bei der Suche nach Lösungen an einem Strang ziehen. Auf Antrag der AfD-Fraktion haben sich Warens Stadtvertreter am Mittwochabend auf ihrer Sitzung während einer „Aktuellen Stunde“ mit der Herrenseebrücke beschäftigt. Alle Parteien äußerten sich zu dem Dilemma, bekräftigten, dass sie helfen wollen, diese für alle Warener belastende Situation zu meistern, stellten aber auch knallharte Forderungen an Bürgermeister Norbert Möller und seine Verwaltung. Selbst „seine“ SPD-Fraktion machte unmissverständlich deutlich, was sie in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten vom Verwaltungschef erwartet. Auch eine Premiere.
„Wir brauchen einen Plan“, sagte AfD-Fraktionschef Frank Müller zur gesperrten Brücke und forderte eine „Task Force“, die sich intensiv mit der Suche nach Lösungen beschäftigt. „Die Sperrung der Herrenseebrücke ist ein tiefer Einschnitt in das Leben unserer Stadt. Dass Herr Möller am Freitag die Sperrung veranlasst hat, war vollkommen richtig, die Sicherheit der Einwohner geht vor“, sagte Müller und will, dass das Gutachten, das im Sommer vorgelegt wurde und der Brücke noch ein paar „gute Jährchen“ bescheinigte, jetzt veröffentlicht wird. Auch möchte seine Fraktion eine Auflistung der Ereignisse rund um die Herrenseebrücke in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. „Daraus können wir lernen.“ Hysterie und Schnellschüsse seien jetzt nicht angebracht, sondern vielmehr gut durchdachte Lösungen. Und vor allem Transparenz gegenüber den Einwohnern.
Das sieht auch Christian Holz (CDU) so und sprach zugleich die Hoffnung aus, dass die Brücke nach den jetzt anstehenden Untersuchungen doch noch wenigstens für den Pkw-Verkehr freigegeben werden könne. Dennoch brauche es eine zeitnahe alternative Strecke und: „Wir erwarten, dass die Herrenseebrücke ohne Einschränkungen Chefsache ist.“
Für Nadine Julitz (SPD) ist die plötzliche Sperrung der Herrenseebrücke die größte Herausforderung und schwierigste Situation mit tausenden Betroffenen seit Corona. Es gebe Auswirkungen auf fast jeden Einwohner – auf Einsatzfahrten von Rettungsdienst und Polizei, auf den Schülerverkehr, aber auch auf die kleinen Nebenstraßen, die jetzt als Umleitung genutzt werden und die bereits an ihrer Belastungsgrenze seien. Auch sie forderte, dass die Angelegenheit Chefsache sein und man umgehend überprüfen müsse, welche geplanten Investitionen eventuell verschoben werden können. „Es muss tagesaktuelle Informationen der Einwohner und Bürgerversammlungen geben, wir müssen über ein Park-and-Ride-System nachdenken, der ÖPNV muss mit an den Tisch und auch eine Interims-Brücke darf in den Überlegungen nicht ausgespart werden, obwohl hier der Markt sehr dünn ist“, erklärte Julitz für ihre Fraktion. Auch das Sondervermögen der Bundesregierung brachte die Landtagsabgeordnete ins Gespräch.
Für Sylvia Hänsel von den Linken war die Sperrung absolut richtig, jetzt seien sofortige Gespräche mit dem Landkreis, dem Land und der Bahn wichtig. Die Einwohner sollten immer und zu jeder Zeit mit einbezogen werden.
Sehr emotional sprach FDP-Mann Toralf Schnur, der anmerkte, dass man die „kleineren“ Existenzen, die an der Brücke hängen, nicht vergessen dürfe. Egal ob Bäcker, Apotheke, Gaststätte oder Friseur – sie alle bräuchten Unterstützung und Transparenz. Auch, um Spekulationen vorzubeugen, die es jetzt schon gebe. So habe er beispielsweise mehrfach die Frage bekommen, warum Bahn und Autos unter der beschädigten Brücke noch fahren dürften. Auch sei ihm gegenüber Unmut darüber geäußert worden, dass man in den vergangenen Monaten nicht kontrolliert habe, ob die Tonnage-Begrenzung eingehalten werde. „21 500 Menschen machen sich jeden Gedanken darüber, wie es jetzt weiter geht“, so Schnur, der zudem erzählte, dass Bäcker Bünger – der einzige, den es in der Nordstadt noch gibt – gefragt habe: „Wollt‘ Ihr, dass jetzt auch der 27. Bäcker in der Stadt kaputt geht.“
„Eine der schwierigsten Entscheidungen“
Bürgermeister Norbert Möller versicherte, dass die Herrenseebrücke und ihre Sperrung Chefsache sei und man die Bürger zu jeder Zeit mitnehmen wolle. Gleichzeitig kündigte er einen WhatsApp-Kanal der Stadt an, über den man die Einwohner ab sofort informieren wolle. „Die Sperrung anzuordnen war eine der schwierigsten Entscheidungen in meiner Amtszeit, aber ich hatte keinen Ermessensspielraum“, gab er zu. Die Ausschilderung der Umleitungen sei inzwischen erfolgt, könne aber bei Bedarf jederzeit angepasst werden. Da sich die sichtbaren Risse oberhalb der Gleise befinden, soll es dort in der Nacht am 12. Dezember eine tiefgreifende Untersuchung geben. Der Bahnverkehr müsse in dieser Zeit ruhen. Möller sprach von etwa zweieinhalb Stunden.
Auch an der Entlastungsstraße zwischen dem Möwe-Teigwarenwerk und den Mecklenburger Backstuben arbeite man, obwohl das wegen des Insolvenzverfahrens der Backstuben nicht gerade einfach sei. „Aber glauben Sie mir, wenn dafür ein schneller Beschluss nötig ist, machen wir auch noch am Heiligabend eine Sitzung“, erklärte Möller und berichtete, dass es volle Unterstützung vom Landkreis und intensive Gespräche mit dem Land gebe.
Während der Sitzung beschlossen die Stadtvertreter, dass ein sogenanntes Bauwerksmonitoring für die Herrenseebrücke beauftragt werden kann. Das kostet etwa 960 000 Euro. Die Stadt will dadurch weitere Informationen über den Zustand der etwa 50 Jahre alten Brücke erlangen. Untersucht werde unter anderem mit Schall und Wärmebild, und zwar auf höchstem Niveau. Dennoch gab es Bedenken. „Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein Ingenieurbüro das Risiko auf sich nimmt und diese Brücke noch einmal frei gibt, und ich weiß nicht, ob ich bereit bin, für so ein Monitoring noch einmal 960 000 Euro auszugeben. Wir stecken hier Geld in eine Sache, die schon kaputt ist“, warf René Drühl (CDU) in die Diskussion ein. Doch Bürgermeister Norbert Möller überzeugte auch ihn von der Wichtigkeit dieses Beschlusses. „Nur nach diesem Monitoring können wir reagieren. Jetzt gar nichts zu machen bedeutet, dass die Brücke gesperrt bleibt“, so Möller.
Letztendlich stimmten alle Stadtvertreter für das fast eine Million Euro teure Monitoring, die Stadt hat also freie Hand und kann umgehend loslegen.
Kommentar:
Das soll nach diesem Artikel jetzt kein langer Kommentar werden, sondern einfach einmal eine Anerkennung für die Stadtvertreter. Denn sie haben erstmals in dieser Legislaturperiode gezeigt, dass sie – zumindest nach ihrem wortreichen Bekunden – unabhängig von Parteien ein Ziel gemeinsam verfolgen können. Ohne große Parteipolitik, ohne Häme, Beschuldigungen und heftige Angriffe. Die Herrenseebrücke ist für alle derzeit offenbar das wichtigste Thema. Und das ist gut so! Schließlich geht’s um alle Warener, um Rettungseinsätze und auch kleine Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten könnten. Dass es hier und da Bedenken wegen der jetzt anstehenden Ausgaben gibt, ist normal und berechtigt. Dass letztendlich aber alle sagen: Egal, wir müssen das jetzt machen, lässt hoffen. Hoffen auf schnelle Lösungen, hoffen auf praktikable Lösungen und hoffen auf Lösungen, die MIT den Einwohnern und für FÜR sie getroffen werden.
Ein guter Anfang, weiter so, werte Stadtvertreter! Antje Rußbüldt










in Anlehnung an d. Gedanken/Bedenken v. René Drühl hoffen wir dann mal, dass das Bauwerksmonitoring für 960 000 Euro ergibt, dass die Brücke weiterhin und vor allem längerfristig genutzt werden kann…..
Das stimmt. Die Stadtvertreter haben anders, als in Sachen Gesundheitspolitik u.a. nicht die gewohnte Verhalten gezeigt: Die alles dominierende AfD mit einer kleinen Fraktion in regelmäßiger Gefolgschaft und alle anderen, nur noch Randgruppen gegeneinander, wobei klar ist, dass die Alternative keine mehr ist, da sie sich bei allen strittigen Themen durchsetzt, da sie die Fdp/MUG-Truppe fast immer auf ihrer Seite weiß. Da seit Jahren klar ist, dass die Brücke ersetzt werden muss und da es dafür immer wieder Sperrpausen bei der Bahn gab, mögen wir uns aber fragen, warum dafür nicht einmal eine Planung angesetzt wurde. Nach langem Beklagen des Zustands durch den Beantragenden der aktuellen Stunde (AfD), gab es keine Nachfragen in der Richtung. Alle anderen verhielten sich die gesamte Sitzung lang über alle Themen, wie gewohnt, maulfaul: Tagesordnung aufgerufen-Abstimmung-Sieg der rechten Seite. Null Diskurs. Bei der Vollsperrung der Bahn 2012 hätte sogar ein billige, höhengleiche Überfahrt den Verkehr aufnehmen können. Aber ein bisschen geht es ja noch, dachte man schon damals. Weiter setzt Herr Möller auf die Karte, dass die Brücke irgendwie doch noch wieder befahrbar wird. JA und dann muss eben für temporäre Notlösungen improvisiert werden. Dafür will er sich stark machen. Da er die Brücke auf satte 100 Millionen Euro schätzt, werden die auch noch lange Zeit gebraucht, aber auch, weil er in absehbarer Zeit auch weiter keine Planung für einen tatsächlichen Ersatz zu beauftragen gedenkt. Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich meine, vor allem seine.
Die Ausschilderung scheint nicht eindeutig und für jeden sofort ersichtlich, denn „A. Wiesengrund“ fahren die Fahrzeuge weiterhin bis zur Warener Tafel oder ganz Mutige direkt zum Buchenweg gerade durch.
Wäre schön, wenn es dazu Kontrollen geben würde, sowie die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Zunächst ein Herzliches Dankeschön an den Bürgermeister Möller für sein umsichtiges Handeln, Sperrung der Brücke.
Und ich stimme der Frau Rußbüldt zu, es geht auch gemeinsam – ohne Hetze und ohne Beleidigungen. Die Ausstrahlung der Stadtvertreter in der Gesamtheit nach Außen, verkörpert hier die Wahrnehmung der Bürgerinteressen.
So sollte es bleiben, das ist zielführend!
Wenn dann auch noch die örtlichen Medien unterlassen, die Spaltung der Bürger zur Stadtverwaltung zu aktivieren und fortzusetzen – so ist ein großer Schritt in eine nutzbringende Zukunft der Stadt Waren getan.
Weiter so!