In keinem anderen Bundesland ist der Anteil diagnostizierter Alkoholkrankheiten größer als in Mecklenburg-Vorpommern. Das belegt eine aktuelle Analyse im BARMER Morbiditäts- und Sozialatlas. Demnach wurde bei 23,1 von 1.000 erwachsenen Personen im Jahr 2023 eine Alkoholsucht ärztlich festgestellt. Damit liegt der Anteil Betroffener in Mecklenburg-Vorpommern 56 Prozent über dem Bundesmittelwert von 14,8 je 1.000. Hochgerechnet sind wenigstens 37.000 Menschen im Land alkoholkrank. „Die Daten bestätigen den Trend der letzten Jahre: Mecklenburg-Vorpommern ist und bleibt trauriger Spitzenreiter bei Alkoholsucht“, sagt Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der BARMER. Diagnosedaten könnten allerdings nur die ,Spitze des Eisberges‘ abbilden, da höchstens 15 Prozent aller Suchtkranken ärztliche Hilfe in Anspruch nähmen. Neben der regionalen Verbreitung berücksichtigte der Morbiditäts- und Sozialatlas auch Faktoren wie Alter, Geschlecht, Schulabschluss oder Einkommen. Derart könne gezeigt werden, wer besonders von Alkoholsucht betroffen ist.
„Präventionsangebote und Hilfen können passgenau ausgerichtet werden, wenn wir wissen, wer ein erhöhtes Risiko für Alkoholsucht hat“, so Kutzbach.
Insgesamt zeigt die Analyse, dass das Geschlecht die Erkrankungswahrscheinlichkeit beeinflusst. So fällt die Rate alkoholabhängiger Männer in Mecklenburg-Vorpommern mit 37 Betroffenen je 1.000 mehr als dreimal so hoch aus wie bei den Frauen (10,2 je 1.000). Auch das Alter spielt eine Rolle. Die Betroffenheit steigt mit dem Lebensalter, bis die höchsten Raten im Alter von 60 bis 69 Jahre erreicht werden. Dementsprechend häufig sind Männer dieser Altersgruppe betroffen: 68,6 je 1.000 leiden an Alkoholismus – damit liegt die Betroffenheit fast 200 Prozent über dem (ohnehin schon hohen) Landesschnitt.
„Möglicherweise ist der Konsum von Alkohol, auch in großen Mengen, bei Männern dieser Generation gesellschaftlich sehr akzeptiert, beziehungsweise entspricht dem Rollenbild“, mutmaßt der BARMER-Landeschef. Obwohl das Trinken von Bier, Wein oder Schnaps keinen einzigen positiven Effekt auf die Gesundheit hat, wird es von der Gesellschaft oft verharmlost. „Alkohol ist ein Zellgift, das dem Körper immer schadet, egal wie viel man trinkt“, so Kutzbach. Bei einem riskanten Konsum drohten neben einem hohen Suchtpotenzial zahlreiche Krankheiten, darunter Gehirnschäden, Depressionen, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zur Schädigung des ungeborenen Kindes
Einkommen, Bildung und Branche als Suchtfaktoren?
Das Risiko von Suchterkrankungen ist laut BARMER Atlas von weiteren Faktoren abhängig. So liegt die Betroffenheit beispielsweise bei einem jährlichen Einkommen von unter 15.000 Euro im Nordosten achtmal höher als in der Einkommensklasse ab 50.000 Euro. Auch der individuelle Bildungsstatus (und damit verbunden Bildungschancen) spielen anscheinend eine Rolle. In den Daten zeigt sich eine niedrigere Betroffenheit, je höher der Bildungsstatus ausfällt (und andersherum). Landesweit die mit Abstand höchste Betroffenheit gibt es bei Menschen im Sozialhilfebezug (über 12-mal höher als bei Beschäftigten). Auch die Branchenzugehörigkeit beeinflusst das Risiko möglicherweise. So fällt zum Beispiel die Rate an Alkoholkrankheiten in der Baubranche doppelt so hoch aus wie in der Verwaltung und im Bereich Erziehung und Unterricht. „Es greift zu kurz, einzelne Faktoren wie Einkommen, Bildung oder Branche als ursächlich für Alkoholsucht anzusehen“, sagt Henning Kutzbach. Hierfür müsste tiefergehend analysiert werden, welche Zusammenhänge oder Hintergründe (z.B. fehlende Präventionsangebote und Hilfen, hohe Dunkelziffer, individuelle Aspekte) mitverantwortlich sind.
Schwerin deutschlandweit die am meisten belastete Kommune
Die Auswertung zeigt weiterhin, dass in allen Kreisen Mecklenburg-Vorpommerns die Rate an Alkoholismus deutlich erhöht ist: So liegt die Betroffenheit im Landkreis Rostock 36 Prozent über dem Bundesmittelwert, in Schwerin sogar 86 Prozent. Damit ist die Landeshauptstadt bundesweit die am meisten belastete Kommune. Zahlenmäßig erhielten im Jahr 2023 mehr Erwachsene in Schwerin die Diagnose Alkoholabhängigkeit als eine Diagnose zur Essstörung. Die Daten deuten auch daraufhin, dass sich das Problem Alkoholsucht in Zukunft noch verschärfen könnte: Demnach liegt die Diagnoserate bei jungen Männern in Schwerin bereits deutlich über dem Bundeswert. Beispielsweise fällt sie bei den 12- bis 17-Jährigen um 103 Prozent höher aus. „Es muss ein gesellschaftliches Umdenken darüber stattfinden, dass Alkohol nicht harmlos ist, sondern der Konsum drastische Auswirkungen haben kann“, so Kutzbach. Ein erster Schritt dahin sei, das begleitete Trinken ab 14 Jahren abzuschaffen. Die Initiative hierzu begrüße er sehr. Auch brauche es verlässliche Angebote der Suchtberatung und -therapie für Betroffene.
* Ausgewertet wurden ambulante und stationäre Diagnosen von schwerwiegendem Alkoholmissbrauch (ICD-10 F10) sowie Arzneimittelverordnungen, die auf eine Alkoholsucht hindeuten. Die Daten im Atlas sind hochgerechnet auf die Bevölkerung. Im Auswertungsjahr 2023 sind die Daten von rund 267.000 BARMER-Versicherten aus Mecklenburg-Vorpommern miteingeflossen, das entspricht 16,5 Prozent der Gesamtbevölkerung.












Deswegen heißt es ja auch, Mecklenburg Vorpommern, das Land der Bauern und Alkoholiker 😜.