Blick in die ostdeutsche Seele: Komödie nach TV-Serie „Warten auf’n Bus“ im Theater
Wer wissen will, wie Ostdeutsche „ticken“ und warum sie in energiepolitisch unsicheren Zeiten einen verfrühten Kohle- und Kernenergieausstieg eher ablehnen, der kann sich ab sofort in Neubrandenburg ein Bild davon machen. Im Schauspielhaus hatte am Wochenende das Schauspiel „Warten auf’n Bus“ Premiere – und die ist beim Publikum sehr gut angekommen. Die nächste Vorstellung ist am 8. Oktober, weitere folgen am 14. und 22. Oktober und in den folgenden Monaten.
Bushaltestellen haben im Osten eine bewegte Vergangenheit. Das „Baikanour ins Leben“, nennt es ein Schauspieler. Sie waren Treffpunkt für Viele auf dem Weg zur Arbeit, da nicht jeder ein Auto hatte. Beim Warten auf den Linien- oder auch Schulbus kam man ins Gespräch, teilte Probleme und Freuden, auch Kritik am DDR-System. Für Jugendliche waren die Haltestellen, in Ermangelung von Jugendräumen auf dem Dorf, auch die ersten Treffpunkte. Dort rauchte man heimlich, traf sich mit den Mopeds und fuhr zum Kino oder zur Disko in andere Orte.
Das alles hat sich Autor Oliver Bukowski zu eigen gemacht und ein Stück geschrieben, das es als TV-Comedy-Serie im rbb zu einiger Beliebtheit gebracht hat. Es heißt eben „Warten auf’n Bus“ und kann im rbb oder in der ARD-Mediathek angeschaut werden.
In Neubrandenburg wird nun die Theater-Fassung von Katrin Hentschel gezeigt. Um es vorwegzunehmen, sie streift alle Klischees, aber dringt auch tiefer in die Seele der Hiesigen zwischen Dresden und Kap Arkona ein. Sie hinterfragt vieles und stellt dar, weshalb Ostdeutsche nicht immer gleich jubeln, wenn westdeutsche Berufspolitiker und ostdeutsche Möchtegern-Politiker ihre Visionen jenseits von Realitäten ausleben wollen – auf Kosten der arbeitenden Leute.
Einen Ausgangspunkt erklärte Ralle, einer der beiden Männer an der Haltestelle, im besten Berlinerische: „Die haben uns damals blühende Landschaften versprochen und se haben nich mal jelogen“, Denn „die Industrie is platt, die Natur kann blühen.“.
Rasant greifen die Männer – Schauspieler Thomas Pötzsch und Matthias Horn – und zwei junge Frauen viele Themen auf, von der Abwanderung junger Leute weil Hunderte Betriebe in den 1990er Jahren schlossen, über die unterschiedlichen Versuche, Menschen über den zweiten Arbeitsmarkt eine Perspektive zu geben. Aus der „Ich AG“ wird dabei die „Icke AG“. Hat aber auch nicht so gefruchtet, dass die Menschen eine dauerhafte Perspektive bekamen.
Selbst Psychotherapeuten sind schwer zu bekommen, wie Ralle sagt: „Hier findste keene, und die da sind, brauchen selber welche.“ ; Was er auf Brandenburg münzt, gilt ebenso für die dünn besiedelte Seenplatte. Man braucht nur an die zu wenigen Fachärzte in der Region zu denken oder die Pläne, die Behandlung ganz kleiner Frühchen in Neubrandenburg auch noch zu schließen. Oder der Bau von Windrädern und Solarparks in Regionen, die bisher davon verschont blieben und die finanziell nur Anderen nutzen, oft in Süd- und Westdeutschland.
Letztlich kommen Hannes und Ralle nicht drum herum: Sie müssen ihr Leben selbst in die Hand nehmen – und treten zu zweit zur Bürgermeisterwahl an. Dafür braucht man heute natürlich ein YouTube-Video . Vorher kommt noch eine Nichte aus dem Westen zu Besuch. Aus ihrer Sicht sind die Ost-Männer „Widerstandskämpfer von damals“. Ihr Beispiel will sie nutzen, um bei „Fridays for Future“ und der militanten „attac“-Bewegung Karriere zu machen,
Dafür sollen Ralle und Hannes die Hauptfiguren in ihrem Film werden. Die junge Frau hat schon die Regie und die Bilder im Kopf als sie kommt, ohne ihren Onkel je gesehen zu haben. Ihr Kameramann soll die Bilder liefern – aber am besten nichts sagen. Ralle und Hannes durchschauen das Ganze aber – und brechen ab. Der Osten wolle sich nicht wieder nur benutzen lassen….