Die neunjährige Mathilde ist ein fröhliches, aufgewecktes Mädchen und geht mit ihrem Zwillingsbruder Theo in die vierte Klasse einer Potsdamer Schule. Vor neun Jahren wurden der damals neun Monate alten, gehörlosen Mathilde in der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie „Otto Körner“ der Unimedizin Rostock zwei Cochlea-Implantate operativ in das Innenohr eingesetzt. Für Mathildes Mutter Dr. Kirstin Sinnig ist die Entwicklung ihrer Tochter ein großes Glück: „Bereits im Neugeborenen-Hörscreening war das Baby auffällig, in den ersten Lebensmonaten hat sich dann gezeigt, dass die Kleine gehörlos ist. Das war erst einmal ein Schock, und wir mussten eine schwere Entscheidung treffen: Riskieren wir eine große Operation am Kopf eines gesunden Säuglings oder soll unser Kind gehörlos bleiben und sich mit Hilfe der Gebärdensprache verständigen?“ Die Eltern entschieden sich nach sensiblen Gesprächen für die OP.
Damit wurde die Grundlage für eine normale Sprachentwicklung des Kindes geschaffen. In den ersten Jahren erhielt Mathilde sehr viel Förderung über Musik, Sprache und Lesen, um richtig hören und sprechen zu lernen. Mathildes Leben unterscheidet sich inzwischen nicht von dem anderer Kinder in ihrem Alter. Sie hat gute schulische Leistungen, singt im Schulchor, erhält einmal pro Woche Klavierunterricht und verbringt ihre Freizeit sehr gerne mit ihren Freundinnen. Außerdem ist Mathilde sportlich und kann sehr gut schwimmen. In den Ferien besucht sie zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Theo regelmäßig die Großeltern in Rostock.
Schon mehrmals hat Mathilde am Ideenwettbewerb der Herstellerfirma des Cochlea-Implantats teilgenommen. Vor zwei Jahren konnte sie bereits einen dritten Platz gewinnen. In diesem Jahr gehört sie zu den Siegern des internationalen Wettbewerbs. Von allen deutschen Teilnehmern konnte Mathilde den ersten Platz erzielen.
Die junge Preisträgerin hat mit der Idee gewonnen, den Sprachprozessor am Ohr in Form von AirPods zu gestalten und statt eines Kabels eine kabellose Übertragung via Bluetooth an den sichtbaren Teil der Hörprothese zu gewährleisten. „Dann könnte man meinen Sprachprozessor kaum noch von normalen Kopfhörern unterscheiden, die andere Kinder tragen“, erzählt Mathilde.
Die Auszeichnungsveranstaltung fand in Innsbruck, dem Sitz des Herstellers, statt. Die ganze Familie durfte dort drei wunderschöne Tage verbringen und hatte Gelegenheit, Erfahrungen mit anderen betroffenen Kindern und Eltern aus der ganzen Welt auszutauschen. Bei der Preisverleihung zeigte die Grundschülerin auch ihre Talente am Klavier. Besonders spannend und aufregend war das Interview, das mit allen Preisträgern geführt wurde.
Mathildes Familie nahm diesen Erfolg zum Anlass, um sich bei Klinikdirektor Prof. Robert Mlynski und dem Team der Otto Körner Klinik zu bedanken. Er hat Mathilde als Baby operiert und ist über die Entwicklung seiner jungen Patientin sehr glücklich: „Das ist für uns die perfekte Erfolgsgeschichte. Es ist immens wichtig für eine normale Sprachentwicklung, dass gehörlose Kinder so früh wie möglich implantiert werden. Dass sich Mathilde auch noch mit der Technik auseinandersetzt, finde ich ganz besonders toll.“ Auch Dr. Wilma Großmann, Leiterin der Pädaudiologie und des Hörzentrums Nord-Ost, war sichtlich beeindruckt von den großen Fortschritten der Neunjährigen.
Die HNO-Klinik der Unimedizin Rostock ist als Cochlea-Implantat-versorgende Einrichtung für Kinder und Erwachsene zertifiziert. In ganz Mecklenburg-Vorpommern gibt es vier Kliniken, die diese Hörprothese operativ einsetzen. Dabei wird das Implantat in den Schädelknochen nahe dem Ohr platziert und Elektrodenträger in die Hörschnecke (Cochlea) eingeführt. Im Gegensatz zu anderen Implantaten muss ein Cochlea-Implantat nicht ausgetauscht werden, weil die Kinder wachsen. Die Hörschnecke und das Mittelohr sind knöcherne Strukturen, deren Größe sich im Laufe des Lebens nicht verändert.
Bild oben: Mathilde mit Prof. Mlynski: Prof. Mlynski freut sich, dass Mathilde sich auch für die Technik ihrer Implantate interessiert
Bild im Text: Mathilde mit Auszeichnung: Die Auszeichnung übernahm Geoffrey Ball, der Erfinder der Vibrant Soundbridge und CTO des Implantateherstellers Vibrant Med-El.
Bild unten: Familie: Mathilde (M.) bekam als Baby von Klinikdirektor Prof. Dr. Robert Mlynski (M. hinten) ein Cochlea Implantat eingesetzt. Mit Bruder Theo und Mutter Dr. Kirstin Sinnig besuchte sie die Rostocker HNO-Klinik. Dr. Wilma Großmann (r.) leitet die Pädaudiologie und das Hörzentrum Nord-Ost.
Bildquellen: Unimedizin Rostock und privat/Kirstin Sinnig