Frühchen-Station: Große Unterstützung und ein emotionaler Brief

30. September 2022

Das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum erfährt in diesen Tagen großen Zuspruch aus der Region und dem Land für den Erhalt der Frühchen-Versorgung im Perinatalzentrum Level 1. „Das bestärkt uns sehr, weiter für die Versorgung der Kleinsten in unserem Haus zu kämpfen. Wir möchten uns bedanken bei den vielen Menschen, die uns unterstützen wollen, damit auch künftig in Neubrandenburg frühgeborene Kinder mit einem Geburtsgewicht unterhalb von 1250 Gramm behandelt werden können. Denn Frühchen-Eltern brauchen neben den besten fachlichen und technischen Voraussetzungen, die hier in hoher Qualität gegeben sind, auch kurze Wege in unserem Flächenland“, heißt es aus dem Klinikum.
Zu den Unterstützern zählt auch ein Ehepaar, deren Zwillinge Neo und Levi (Foto) nach einer komplizierten Schwangerschaft Anfang August das Licht der Welt im Bonhoeffer-Klinikum erblickten. Das Paar schildert in einem emotionalen Brief, wie wichtig diese Station für die Region ist.

„Stellvertretend möchten wir uns insbesondere bei Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Sozialministerin Stefanie Drese bedanken, die sich für eine Ausnahmegenehmigung für das Zentrum in Neubrandenburg einsetzen, aber auch bei den Bundes-, Landes- und Stadtpolitikern, die sich für die Frühchen-Versorgung stark machen. Zu unseren Unterstützern gehören seit langem die Biker Friends MV, die eine Petition gestartet, Unterschriften gesammelt und uns zur Unterschriftenübergabe nach Schwerin begleitet haben. Sie organisieren am 5. Oktober um 15 Uhr vor dem Neubrandenburger AOK-Gebäude in der Alfred-Lythall-Straße mit großer Unterstützung der Stadt Neubrandenburg eine Mahnwache und rufen zur Teilnahme auf.“

Auch zahlreiche Eltern, deren frühgeborene Kinder in Neubrandenburg behandelt wurden, haben ihre Unterstützung zugesichert. Die Familie der Zwillinge Neo und Levi, die in unserem Level-1-Zentrum versorgt wurden und erst vor wenigen Tagen nach Hause konnten, hat einen Brief geschrieben, den wir hier veröffentlichen.:

Kürzlich haben meine Frau und ich erfahren, dass im Moment die Schließung der Frühchen-Station in Neubrandenburg für die kleinsten Frühgeborenen im Gespräch steht. Um aufzuzeigen, wie wichtig diese Station für uns war, möchte ich Ihnen einmal unsere persönliche Geschichte schildern.

Ich fange dafür von vorne an. Meine Frau wurde im Januar 2022 schwanger. Als wir davon erfuhren, waren wir überglücklich. Als beim zweiten Ultraschall plötzlich ein zweiter kleiner Embryo zu sehen war, war die Überraschung erst groß und nach ein paar Tagen das Glück umso größer. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir allerdings noch nicht erahnen, was uns in den folgenden Monaten bevorstehen wird.

Bei weiteren Ultraschalluntersuchungen und dem Erst-Trimester Screening stellte sich heraus, dass sich beide Zwillinge eine gemeinsame Fruchtblase und Plazenta teilen. Schwangerschaften mit sogenannten monoamniotischen Zwillingen sind selten – ungefähr eine von 10.000 Schwangerschaften ist betroffen, oder ungefähr 1 % aller Fälle von eineiigen Zwillingen. Diese ist nicht selten mit möglichen Komplikationen verbunden. Auf jeden Fall war ab diesem Moment klar, dass eine engmaschige Kontrolle des Schwangerschaftsverlauf bei verschiedenen Spezialisten notwendig sein wird.

Schon früh wurde uns mitgeteilt, dass vor allem die zunehmende Größe der Kinder mit Risiken verbunden sein wird. Aufgrund der geteilten Fruchtblase sind Nabelschnurkomplikationen nicht selten. Aus diesem Grund stellten wir uns darauf ein, dass eine Aufnahme in die Klinik ab der 24. Schwangerschaftswoche und ein Kaiserschnitt für die 32. SSW geplant war. Als Anlaufstelle kam für uns das Klinikum in Neubrandenburg (2x 30min Fahrtzeit) in Frage. Dieses bietet die Möglichkeiten einer sogenannten Level-1 Versorgung für Frühchen mit weniger als 1250g. Wir mussten davon ausgehen, dass unsere Kinder dieses Gewicht nicht überschreiten werden. Die danach nächstliegende Möglichkeit wäre in Greifswald (2x 75min Fahrtzeit) gewesen, wobei aber auch hier eine Schließung der Station diskutiert wird. Die drittnächste Möglichkeit wäre dann in Berlin gewesen. Fahrten nach Berlin wären mit einer Reisezeit von mindestens 3 Stunden verbunden, aber auch nur wenn man Glück hat und ohne Störungen auf dieser hochfrequentierte Strecke durchkommt.

Bereits die Kontrolltermine bis zur 24. SSW ließen wir in Neubrandenburg bei Frau Dr. Kissing-Pahl auf der Station A31 machen. Bis zur Einweisung in die Klinik verlief die Schwangerschaft glücklicherweise ohne jegliche Komplikationen, die Zwillinge entwickelten sich normal und wurden beide in gleichem Maße versorgt.

Mit der Einweisung in die Klinik wurden dann zweimal täglich die Herztöne der Kinder mittels einer CTG-Untersuchungen überwacht. Außerdem fanden alle 3 Tage Ultraschalluntersuchungen statt, um die Entwicklung noch genauer beobachten zu können. Für meine Frau wurden die Stunden und Minuten zunehmend länger und eintöniger. Lichtblicke für uns Beide waren die täglichen Besuche, die durch die Anbindung möglich gewesen sind.

Ab der 27. SSW kam es vor, dass die Herztöne eines Zwillings gelegentlich abfielen. Dies könnte auf eine mögliche Nabelschnurkomplikation hindeuten. Von da an hätte es in jedem Moment bereits zu einem Not-Kaiserschnitt kommen können, bei dem jede Sekunde zählen würde. Für uns war das ein Zeichen, dass wir in Neubrandenburg an der richtigen Adresse waren, damit die Kinder im Notfall auch schnell und bestens versorgt werden könnten.

In der 30. SSW wurde schließlich entschieden, die Kinder mit einem geplanten Kaiserschnitt zu holen, da nun davon ausgegangen werden konnte, dass das Risiko-Nutzen Verhältnis größer geworden ist.

Am Morgen des 02. August 2022 erblickten unsere Söhne Neo und Levi dann das Licht der Welt. Die Geburt lief ohne Komplikationen ab. Im Anschluss an die Geburt kamen unsere Kinder auf die Kinderintensivstation K21 und wurden dort versorgt. Die Untersuchungen ergaben, dass die Kinder dem Entwicklungsstand entsprechen und gesund sind, aber natürlich noch nicht ohne jegliche Hilfe lebensfähig waren. Sie bekamen eine Atemunterstützung und wurden über eine Sonde ernährt und lagen ab diesem Moment in einem Inkubator, der die Temperatur der Kinder stabil halten soll.

Meine Frau entschied sich für die ersten Wochen noch weiter im Krankenhaus zu bleiben, um sich vom Kaiserschnitt zu erholen und für die beiden Kleinen bestmöglich da zu sein. In dieser Phase ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Kinder und Eltern eine gemeinsame Bindung aufbauen. Das Team der Frühchen-Station hat es uns dabei einfühlsam an die neuen Herausforderungen herangeführt.

Nach 9-wöchigem Krankenhausaufenthalt kam meine Frau dann endlich nach Hause. Diese lange Zeit war nicht mühelos zu überstehen und sie verdient hohen Respekt dafür, welche Strapazen sie dabei auf sich genommen hat.

Von da an fuhr sie dann täglich nach Neubrandenburg, um für die Kinder möglichst lange da zu sein. Ich begleitete sie jeden zweiten Tag. Diese Phase war für uns unglaublich schön, da wir die schnelle Entwicklung unserer Söhne miterleben konnten. Jeder Tag brachte neue schöne Überraschungen mit sich. Relativ schnell waren die Kleinen die Magensonde und die Atemunterstützung los. Sie wanderten aus dem Inkubator in ein Wärmebett und wenige Tage später in ein normales Zwillingsbett. Wir konnten eine immer intensivere Zeit miteinander verbringen, konnten die Beiden füttern, stillen, wickeln und mit ihnen kuscheln.

Nicht zuletzt die kurze und günstige Anbindung nach Neubrandenburg hat uns und unseren Kinder ndiese Möglichkeit gegeben. Die Zeit nach einer Geburt ist mit jeder Menge bürokratischem Aufwand und den Vorbereitungen zuhause verbunden. Außerdem blieb für mich der Gang zur Arbeit auch nicht aus. Jede freie Minute ist unendlich kostbar.

Seit dem 22.09.2022 sind die Kinder nun endlich in ihrem Zuhause angekommen. Wir können es nicht in Worte fassen, wie dankbar wir dem Team der Station A31 und K21 für Ihre Arbeit sind. Zu jedem Zeitpunkt haben wir das volle Vertrauen in alle Beteiligten und ihre Fähigkeiten stecken können.

Wir sind überglücklich, dass uns zwei gesunde Kinder geschenkt worden und diese in dieser Art versorgt worden sind. Wir sind dankbar dafür, dass wir diese intensive Lebenszeit zusammen mit den Kindern verbringen durften. Wir können uns nicht ausmalen, wie es gewesen wäre, täglich zu überlegen, ob ein Besuch überhaupt möglich ist.

Wir hoffen so sehr, dass auch zukünftig werdende Eltern von Frühchen aus dieser Region noch dieselben Möglichkeiten haben werden, um diese schwere Zeit bestmöglich zu überstehen.

Alles Gute und viele Grüße

Neo, Levi, Juliane & Axel

 


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