Haft für Macheten-Angriff – Verurteilter hält sich Ohren zu
Der Prozess um die lebensgefährliche Macheten-Attacke in Bartow – einem kleinen Dorf im Norden des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte (WsM berichtete) – ist gestern mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu Ende gegangen. „Fünfeinhalb Jahre Haft wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung“, sagte Richterin Daniela Lieschke am Landgericht Neubrandenburg. Der Version des 70 Jahre alten Täters, dass er nur in Notwehr gehandelt habe, weil der Nachbar ihn nicht nur mit Worten, sondern auch mit Fäusten auf seine Beleidigungen gegenüber der Frau „hingewiesen haben“ soll, schenkten das Gericht und die Staatsanwaltschaft keinen Glauben. Die tiefen Wunden an Kopf, Schulter und Armen des 36-jährigen Nachbarn , die die Gerichtsmedizinerin mit eindrücklichen Bildern im Gerichtssaal zeigte, zeugten von einer Hiebattacke, nicht von angeblicher Verteidigung, hieß es.
Dem blutigen Vorfall im Mai waren jahrelange Streitigkeiten zwischen dem 70-Jährigen und einer Reihe von Dorfbewohnern vorausgegangen (WsM berichtete). Selbst Bürgermeister René Nast hatte gesagt, dass der Mann, der vor etwa 12 Jahren aus Schleswig-Holstein nach Bartow gezogen war, sich mit einer Vielzahl von Bürgern gestritten und regelmäßig auf „sein Reich“ an der „Straße der Zukunft“, hingewiesen und Leute beschimpft habe. Seine Hunde liefen immer wieder die Straßen entlang, ohne dass er das unterbunden hätte. „Die Leute haben es zuletzt schon gemieden, überhaupt an seinem Haus vorbeizugehen“, sagte der Bürgermeister.
Und das Grundstück des Seniors war nicht klein: Er hatte bei einer Auktion einen Wohnblock mit sechs Wohnungen – also den Neubau von Bartow – gekauft. Dort wohnten nur der 70-Jährige und seine Hunde. Der 36-jährige Geschädigte lebte gegenüber mit Lebensgefährtin und zweijährigem Kind.
Am Tattag, dem 10. Mai, war erst die Lebensgefährtin bei dem Senior vorbei geradelt, das Kind mit einem Laufrad vorbei gerollt. Als der Junge etwas zu den Hunden sagte, habe der Senior die Frau beschimpft. Diese schickte ihrem Partner eine Nachricht, so dass dieser kam und den älteren streitsüchtigen Herrn darauf hinwies, dass man, andere Leute nicht zu beschimpfen und Kinder nicht zu bepöbeln habe.
Dann hatte sich der 36-Jährige wieder seiner Familie zugewandt, sagte die Richterin. Der 70-Jährige soll dagegen geschrien haben „Ich schlachte dich ab.“ Dabei habe er eine Waffe hinter dem Rücken gehalten und den Jüngeren aufgefordert, heraus zu kommen. Der kam auch, dann schlug der Senior zu.
Der Schwerverletzte konnte dem Mann die Machete entreißen und sich zu seinem Haus schleppen, eine Notoperation rettet ihm das Leben, denn am Kopf waren im Schläfenbereich mehrere Blutgefäße durchtrennt.
Die Heilung dauerte bis zu vier Monate.
Mit dem Urteil entsprach die Kammer weitgehend der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte sechs Jahre Haft gefordert. Der Anwalt des Seniors wollte dagegen Freispruch, da sein Mandant in Notwehr gehandelt habe. Maximal wäre es eine Körperverletzung, so dass es höchstens einer Bewährungsstrafe bedürfe, sagte der Anwalt. Das sah das Gericht grundsätzlich anders. Die Richterin beschrieb den Rentner auch als „Mann, der keine Kritik verträgt.“ Deshalb hielt sich der Verurteilte wohl auch die Ohren demonstrativ zu, als die Richterin das Urteil begründete.
Zwei Dinge sind nun so gut wie sicher: Erstens wird der Verurteilte wohl Revision einlegen, aber er muss in Haft bleiben. Das Gericht hob den Haftbefehl nicht auf. Zweitens will er sein großes Haus verkaufen und nicht wieder in das Dorf zurück. Eher nach Hamburg oder Schleswig-Holstein, zum Beispiel Eckernförde, wo er einst herkam, wie es hieß. In Bartow wird wohl kaum jemand traurig darüber sein.