Stromschlag-Prozess in München: Ein Opfer aus der Müritz-Region

22. Januar 2020

Ein 30 Jahre alter Mann, der sich als Arzt ausgegeben hat und junge Frauen überredete, sich für eine angebliche Studie schwere Stromschläge zuzufügen, hat in diesen Tagen deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Er wurde jetzt vom Landgericht München zu elf Jahren Freiheitsstrafe und Unterbringung in der Psychiatrie wegen versuchten Mordes in 13 Fällen  und 7 Fällen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.
Auch eine junge Frau aus der Müritz-Region, die zum Zeitpunkt der Tat gerade Anfang 20 war, gehört zu den Opfern des Verurteilten. Ihre Anwältin, Katja Schade (Foto) aus Waren, hat die Nebenklägerin im so genannten Stromschlag-Prozess vertreten. Sie war bei fast allen Prozesstagen in München dabei.

Der verurteilte Mann aus Würzburg hat sich als Arzt ausgegeben und junge Frauen dazu gebracht, sich lebensgefährliche Stromschläge zuzufügen. Über einen Live-Chat sah er seinen Opfern dabei zu – offenbar, um sich sexuell zu erregen.

„Er hat mir das Licht ausgeknipst“

Ursprünglich war der Mann wegen 88-fachen versuchten Mordes angeklagt. Das Gericht wertete aber nicht alle Fälle, die per Video dokumentiert sind, als versuchte Morde, sondern ging in einigen von Körperverletzung aus. Einige Fälle flossen aus Gründen der „Verfahrensverschlankung“ nicht in das Urteil ein. Er soll sein Unwesen über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren getrieben haben.

Besonders schwerwiegend waren aus Sicht der Kammer die Fälle, in denen der junge Mann seine Opfer dazu brachte, sich metallene Gegenstände an beide Schläfen zu halten, „was bedeutet, dass das menschliche Gehirn im Stromweg liegt“, wie der Vorsitzende Richter sagte. Dabei hätten die Opfer heftige Schmerzen erlitten. „Es hat mir das Licht ausgeknipst“, zitierte der Richter eines der Opfer. Oder: „Es hat peng im Kopf gemacht.“

Der Mann soll aus einem sexuellen Fetisch heraus Frauen und Mädchen dazu gebracht haben, sich selbst lebensbedrohliche Stromschläge zuzufügen. Der 30-Jährige gab sich als Arzt oder Professor aus, um seine Opfer für eine angebliche Studie zum Mitmachen zu bewegen. Er sprach gezielt junge Frauen und Mädchen an, die über eine Onlineplattform Nebenjobs suchten. Er schrieb die späteren Opfer an und gab sich dabei als Mitverantwortlicher einer Studie im Rahmen einer Schmerztherapie aus.Dabei stellte er den Opfern hohe Prämien in Aussicht.

Ein sexuelles Motiv

Via Skype soll der Angeklagte dann per Video verfolgt haben, wie sich manche Opfer über das 230 Volt führende Stromnetz selbst an den Schläfen oder nackten Füßen Stromschlägen aussetzten. Einen Teil der Opfer habe er dazu gebracht, unter Strom stehende Weidezäune anzufassen.

Das Motiv für die Taten war aus Sicht des Gerichts ein sexuelles. Insbesondere das Anbringen von Elektroden an nackten Füßen habe ihn erregt. Die Chats und Videos der Handlungen habe er ohne Wissen der Opfer aufgezeichnet. Videos davon habe er zu seiner weiteren sexuellen Stimulation genutzt und teilweise auch im Darknet verkauft.

Schmerzensgeld schon gezahlt

„Für Außenstehende mag das jetzt ziemlich absurd klingen, aber der Verurteilte hat die Menschen perfekt manipuliert und ihnen eine glaubhafte Geschichte aufgetischt. Niemand kann sich davon freisprechen, auf so etwas hereinzufallen. Unter den Opfern ist sogar eine Medizinstudentin, die inzwischen als Ärztin arbeitet“, kommentierte Katja Schade den Fall.

Für die Warenerin, die seit 16 Jahren als Anwältin in Waren tätig ist, war es juristisch gesehen ein hoch spannender Fall, den man nicht alle Tage habe. „Es war sehr interessant, weil man an vielen Ecken hätte anders abbiegen können“, so Katja Schade, die auch zugibt, dass der Aufwand – auch wegen der Reisen nach München – enorm gewesen sei. Sie und ihre Mandantin aus der Müritz-Region seien mit dem Urteil, das in dieser Woche verkündet wurde, zufrieden. Gleichzeitig sei auch ein Schmerzensgeld für die Müritzerin verhandelt und bereits gezahlt worden.


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