
Das ist doch mal ein besonderer Geburtstag: Die Klinik Amsee ist stolze 100 Jahre alt. Gestern war der Geburtstag, eine große Party konnte es aus den bekannten Gründen nicht geben. Das Datum geht zurück auf den Start der Belegung am 14. Januar 1922 mit 40 an Tuberkulose erkrankten Frauen. In den zurückliegenden 100 Jahren hat die Einrichtung vier große politische Systeme er- und überlebt und einen großen Wandel vollzogen: von einer Tuberkulose-Heilstätte für Frauen zu einer hochspezialisierten Fachklinik für Lungenheilkunde, die weit über regionale Grenzen bekannt ist.
Durch die aktuellen Corona-Bedingungen ist es leider nicht möglich, diesen ganz besonderen Anlass entsprechend zu würdigen. Auf eine große Jubelfeier wird deshalb zunächst verzichtet. „In erster Linie leisten wir momentan unseren Beitrag zur medizinischen Versorgung der COVID-19-Patienten – zusätzlich zu den sonst bei uns behandelten schweren Lungenerkrankungen. Das ist eine große, andauernde Herausforderung für alle Mitarbeitenden. Wir holen die Feier aber sobald wie möglich nach.“, verspricht Geschäftsführerin Katharina Paetow.
Auch wenn zurzeit eine konkrete Planung der Feierlichkeiten eher schwierig ist, sollen im Jubiläumsjahr 2022 ein Festakt mit geladenen Gästen, ein großes Sommerfest für die Mitarbeitenden und ein Tag der offenen Tür für alle stattfinden.
Geschäftsführerin Katharina Paetow ist stolz, eine so gut aufgestellte Klinik zu leiten: „Den Erfolg unseres Hauses und die Qualität in der Patientenversorgung verdanken wir den Menschen, die hier täglich mit Engagement, Hingabe, Verständnis und hoher Expertise arbeiten. Ob Mitarbeitende in der Pflege oder im ärztlichen Dienst, in der Reinigung, der Haustechnik, der Verwaltung oder der Küche – jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter leistet einen persönlichen Beitrag und verdient größte Anerkennung. Auch in schwierigen Zeiten ist auf unsere Kollegen Verlass. Ich spreche allen aktiven und ehemaligen Mitarbeitenden meinen herzlichen Dank aus. Ihre dankenden Worte richtete die Geschäftsführerin zum Fototermin am Jubiläumstag des Hauses an ihre Mitarbeitenden. Als besondere Überraschung und Dankeschön gab sie die Auszahlung einer Jubiläumsprämie mit dem Januargehalt bekannt.
Hier schließt sich der Kreis: Die Anfänge der damaligen Heilstätte sind eng verknüpft mit einer Epidemie. Zur Bekämpfung der Tuberkulose erhielt die Einrichtung am Tiefwarensee ihre Bestimmung und erlangte im Laufe der Jahre den Status einer Landesinfektionsklinik. Katharina Paetow: „Seit zwei Jahren befinden wir uns nun erneut in einer epidemischen Lage. Die Klinik Amsee verfügt durch die Erfahrung in der Behandlung von Tuberkulosepatienten über die fachliche Expertise im Umgang mit Infektionskrankheiten und konnte dementsprechend auf die Pandemie reagieren.“
Aus der Heilstätte wurde im Laufe der Jahre eine offiziell anerkannte Lungenklinik. Während der DDR-Zeit war die Klinik Amsee Bezirksfachkrankenhaus für Lungenkrankheiten und Tuberkulose im Bezirk Neubrandenburg. Nach der Wende folgte die Privatisierung.
Noch heute arbeiten Mitarbeiter in Amsee, die diese Entwicklungen hautnah miterlebten. Die teilweise jahrzehntelang in Amsee tätigen Mitarbeitender sind ein Markenzeichen des Hauses. Die aktuell dienstälteste Kollegin ist Benita Noth, die im August 2022 auf eine 50-jährige Betriebszugehörigkeit zurückblicken kann.
100 Jahre nach der Gründung ist die Klinik Amsee ein Unternehmen der Johannesstift Diakonie und mit 50 Betten im Landesbettenplan verankert. In der Klinik werden alle Lungen- und Bronchialerkrankungen, Lungenkarzinome, Tuberkulose und COVID-19, schwere Allergien und Schlafapnoe behandelt sowie Entwöhnungen von Beatmungsgeräten (weaning), Anpassungen an die Heimbeatmung, Langzeitsauerstofftherapien und Intensivmedizinische Behandlungen durchgeführt. Die Klinik verfügt zudem über eine Palliativstation. Jährlich werden rund 3.500 Patienten stationär betreut.
Zum Namen der Klinik Amsee: Wer genau sich den Namen „Amsee“ einfallen ließ, ist nicht überliefert. Es ist naheliegend, dass dieser Name aus der Lage „am See“ abgeleitet wurde. Bei der Gründung bestanden die Stadtväter auf eine Bezeichnung, die keinesfalls den Stadtnamen Warens enthalten sollte, um einen negativen Einfluss auf den Fremdenverkehr auszuschließen. Es wurde befürchtet, dass das Vorhandensein einer Tuberkuloseheilstätte in Waren dem Tourismus schaden könnte. Man einigte sich auf „Genesungsheim Amsee bei Falkenhagen in Mecklenburg“.
Mittlerweile ist Amsee nicht mehr nur der Name der Klinik, sondern auch die Straßenbezeichnung. Der ursprüngliche Falkenhäger Weg wurde 1991 zur Malchiner Landstraße und im April 2016 in Amsee umbenannt.
Und hier ein Auszug aus einer alten Broschüre mit dem Titel „Genesungsheim Amsee bei Waren“. Wie alt diese Broschüre genau ist, weiß man nicht, doch die Texte dürfte vor etwa 70, 80 Jahren geschrieben worden sein:
Das Genesungsheim „Amsee“, das frühere Schöllerheim, ist 1914 erbaut. Zu Kriegsbeginn musste es geschlossen werden. Es war bis Januar 1922 stillgelegt. Am 15. Januar 1922 wurde es als Heilstätte eingerichtet und wieder eröffnet. Sommer 1931 wurde der Neubau in Betrieb genommen, in dem in erster Linie moderne Behandlungsräume untergebracht sind. Er hat auch ferner 2 Krankengeschosse mit je 15 Betten, desgleichen die Privatstation mit gleichfalls 15 Betten.
Lage und Klima: Das Heim liegt unmittelbar am Tiefwarensee, 25 Minuten von der Stadt entfernt, gegen die Winde durch Höhenzüge geschützt. Unmittelbar am Heim beginnt ein herrlicher alter Wald. Die ursprüngliche Ansicht, dass der Süden und das Gebirge besondere Vorzüge für die Behandlung Lungenkranker bieten, ist wohl jetzt allgemein aufgegeben worden. Denn es hat sich im Gegenteil gezeigt, dass der Kranke am besten seine Kuren in einem Klima durchführt, das dem gleicht, in dem er leben muss. Das hiesige Klima ist somit besonders geeignet für Kranke aus dem mittleren und nördlichen Deutschland. Die Erfolge sind im Winter und Sommer gleich gut. Der Kranke muss sich möglichst sofort nach Feststellung seiner Erkrankung in Behandlung begeben. Er kann die Kur nicht auf die wärmere Jahreszeit verschieben, da die Krankheit sonst in der Zwischenzeit fortschreitet.
Kurmittel:
1. Im Vordergrund stehen die Freiluftliegekuren, die nach genauer ärztlicher Vorschrift durchgeführt werden. Die Hauptliegehallen liegen nach Süden und stehen in direkter Verbindung mit den Häusern. Auch im Wald und Garten stehen Liegehallen zur Verfügung.
2. Die Abhärtung erfolgt maßvoll (Abreibung, Packungen, Vollbäder mit und ohne medikamentösen Zusatz), Luft- und Sonnenbäder werden nach ärztlichen Vorschriften durchgeführt. An besonders warmen Tagen können die Kranken, die sich dazu eignen, in dem See baden. Leichtkranke und sogenannte Prophylaktiker spielen unter ärztlicher Leitung auf dem eigenen Anstaltsplatz Golf. Dieses wird auch nach überstandenen Rippenfellentzündungen und zur Überleitung in die Berufstätigkeit verordnet.
3. Pneumothroaxanlagen und Nachfüllungen werden selbstverständlich ausgeführt. Ein moderner Operationsraum ermöglicht auch sämtliche anderen chirurgischen Eingriffe, wie Zwerchfellnervenschnitt (Frairese), Strangdurchbrennung, Plombierung und Plastik.
4. Das Röntgeninstrumentarium ist auch zu therapeutischen Röntgenbestrahlungen ausgestattet. Zur Unterstützung der übrigen Heilmittel und zur allgemeinen Kräftigung werden Bestrahlungen mit künstlicher Höhensonne, Langwellenlampe usw. ausgeführt.
5. Die Behandlung von Hals- und Kehlkopfkrankheiten erfolgt durch die fachärztlich ausgebildeten Anstaltsärzte.
6. Auch Kranke, die an sogenannter chirurgischer Tuberkulose leiden, werden aufgenommen. Sie werden in erster Linie mit den bewährten konservativen Methoden nach Bier und Kisch behandelt.
Neben dem Chefarzt sind noch 2 Fachärzte angestellt. In der Hauptanstalt sind 4 Schwestern und 2 Pflegerinnen, in dem Kinderheim 2 Schwestern tätig. In dem Haupthaus I sind die Prophylaktiker und geschlossenen Fälle, in dem Haupthaus II die Offentuberkulosen in 1, 2 und 3 Bettenzimmer untergebracht. Die Kinderabteilung ist von dem Hauptgebäude vollkommen getrennt und hat 36 Betten. Die Zimmer haben fließendes Wasser. Eine moderne Zentralheizung ist vorhanden.
Unterhaltung: Die Bibliothek des Heims umfasst ungefähr 800 Bände. Zu Spaziergängen stehen die herrlichen Wälder der Umgebung und die schönen Ufer des Sees zur Verfügung. Im Sommer ist reichlich Gelegenheit zu Dampfer- und Motorbootfahrten über die Mecklenburgische Seenplatte vorhanden. Im Winter finden Vortrags- und Konzertabende statt. Eine besondere Kurtaxe wird nicht erhoben.
Die Verpflegung besteht aus 1. und 2. Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Abendessen. Sie ist abwechslungsreich und durchaus reichlich. Neben genügend großen Fleischportionen wird Wert auf reichlich Gemüse und Obst gelegt. Die Verpflegung wird ärztlich überwacht. Ärztlich verordnete Sonderdiäten werden nicht besonders berechnet.
Aufnahmebedingungen: Zur Behandlung eignen sich sämtliche Lungen-, Hals- und Kehlkopfkranke ferner solche, die an sog. chirurg. Tuberkulose leiden. Auch Prophylaktiker werden aufgenommen. Männliche Jugendliche werden in der besonderen jugendlichen Abteilung nur bis zum 20. Lebensjahr aufgenommen, auf der Privatstation jedoch in jedem Alter. Jeder Kranke verpflichtet sich zur Anerkennung der Hausordnung.
Bei der Aufnahme muss eine Anzahlung von 80,- RM geleistet werden. Diese wird auf die letzte Rechnung in Anrechnung gebracht. Zwischenrechnungen werden wöchentlich ausgestellt und müssen innerhalb von 5 Tagen bezahlt werden. Der Tag der Aufnahme und Entlassung wird voll berechnet. Die Kündigungsfrist beträgt 8 Tage. Verlässt der Kranke gegen ärztlichen Rat vor Ablauf dieser Frist die Anstalt, so müssen dennoch die 8 Tage voll bezahlt werden. Röntgenaufnahmen, -bestrahlungen, -durchleuchtungen, Höhensonnenbestrahlungen und operative Eingriffe werden besonders berechnet. Für Medikamente wird der Selbstkostenpreis in Anrechnung gebracht. Für einmaliges Waschen der Leibwäsche werden 30 Pfg. berechnet. Ein Bad kostet 30 Pfg. Wenn die Bettwäsche von der Anstalt geliefert werden soll, erhöht sich der Verpflegungssatz um 10 Pfg. pro Tag. Im Winter wird ein Heizungszuschlag von Pfg. täglich erhoben.
Es empfiehlt sich mitzubringen: Leibwäsche zum mindestens 3maligen Wäschewechsel, 2 Paar feste Lederschuhe, 1 Paar Hausschuhe, 1 warmen Mantel bezw. Jacke, 1 Regenschirm. Es wird gebeten, keine unechte, gefärbte Wäsche mitzubringen.
Die Abholung erfolgt von der Bahnstation Waren (Schnellzugstrecke Berlin – Warnemünde) mit dem Anstaltsauto. Rechtzeitige Anmeldung ist notwendig, damit das Auto an der Bahn ist.
Erfüllungsort für beide Teile ist Amtsgericht Waren i. M. Anschrift: Genesungsheim „Amsee“, Post und Bahnstation Waren-Müritz i. Meckl., Tel. 483/484.
Foto oben: Jörn Tirgrath










Herzlichen Glückwunsch. ☺
Macht weiter so, und ich hoffe, dass die Klinik noch lange erhalten bleibt.
Was für ein schöner Beitrag!