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Amtsgericht verhängt Freiheitsstrafe für polnischen Schleuser

Zwei Fahrten waren schon geglückt, die dritte Schleusung geplant – doch da machte dem Taxifahrer aus Stettin dann die Bundespolizei einen Strich durch die „Zuverdienst-Rechnung.“ Am 23. Oktober 2021 wurde der 34-Jährige als Fahrer eines Transporters an der deutsch-polnischen Grenze verhaftet. Er hatte 31 Menschen in einem abgeschlossenen Laderaum über 12 Stunden durch Polen  gefahren und war ertappt worden. Gestern wurde er vom Amtsgericht Pasewalk zu drei Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Es war bereits die dritte Haftstrafe, die Richter Gerald Fleckenstein in Sachen Schleusungen über die sogenannte Belarus-Route verhängt hat (WsM berichtete).

Erst vor wenigen Wochen war ein Paar, das 16 Flüchtlinge in einem Transporter hatte, ebenfalls zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Doch dieser neue Prozess war der bisher umfangreichste und bemerkenswerteste Fall. Der 34-Jährige hatte einmal 32 und einmal 31 Leute in seinem geliehenen Kleintransporter – jeder hatte 0,13 Quadratmeter Platz, die Insassen „stapelten sich sozusagen“.

Wie kommt man an einen solchen „Job“? Der Taxifahrer gab an, dass er bei einer Fahrt 2021 von einem Fahrgast angesprochen worden war, ob er denn genug Geld verdiene oder sich noch was dazuverdienen wolle. Vom Taxifahren kann man in Stettin wohl nicht gut leben. Der Angeklagte berichtete, dass er Schulden hatte, weil er sein Fahrzeug selbst bezahlen musste und dass ihm monatlich nach Abzug aller Kosten etwa 3000 Zloty, also rund 750 Euro, übrig blieben. 5000 Zloty Verdienst pro Fahrt wurden ihm angeboten.

Durch seinen Job und andere Kredite hatten sich aber schon etwa 11 000 Euro Schulden bei ihm und seiner Partnerin angehäuft. So war der Stettiner nicht abgeneigt. Er bekam eine extra SIM-Karte, besorgte sich ein Handy, bekam zudem 1000 Euro, um einen Transporter zu leihen und mit Kraftstoff und Verpflegung wie Brot, Äpfel und Wasserflaschen zu bestücken.

Dann wurde er sozusagen „ferngesteuert.“ Über eine GPS-App wusste sein Auftraggeber, mit dem er nur telefonisch Kontakt hatte, immer wo er war und dirigierte ihn zweimal zu Waldstücken an der weißrussischen Grenze. Dort will er jeweils die Türen geöffnet und nicht gesehen haben, wie viele Leute wirklich einsteigen. Die Flüchtlinge – meist Kurden aus dem Irak – waren froh, dass sie dem nassen und kalten Wald entkamen. Von den insgesamt 63 Menschen, viele auch barfuss, waren etwa 20 Kinder. Ein Baby war auch dabei.

Wie der Fahrer berichtete, wurde bei beiden Fahrten – jeweils zehn bis zwölf Stunden – keine Pause eingelegt, da alle Beteiligten am liebsten so schnell wie möglich nach Deutschland wollten, wie er sagte. Beim ersten Mal fielen Bundespolizisten abends einsame Passanten an der Straße in MV auf. Der Fahrer hatte ihr Aussteigen gefilmt, das dem Auftraggeber geschickt, und einen Tag später war sein Lohn auf seinem Konto. Er war weg.

Beim zweiten Mal kam er nicht mehr zum Beweisfilmen, denn der Transporter wurde gleich während der Fahrt am frühen Morgen in Vorpommern gestoppt. „Wir haben die Tür fast nicht aufbekommen, weil die Leute so eng dort saßen und standen“, sagte ein Polizist. Der 34-Jährige kam in U-Haft, Geld gab es wohl bisher nicht.

Nun hatte er die Nase offenbar voll. Hätte er nur auf seine Frau gehört, meinte er, und gestand umfangreich. Die Frau habe ihm schon nach der ersten Schleuser-Fahrt gesagt, dass solle er nicht machen. Wenn er ertappt wird, gehe er ins Gefängnis. „Man sollte auf die Frauen hören“, sagte der Richter.

Wegen der lebensgefährlichen Bedingungen: Der Laderaum hatte keine wirkliche Belüftung, aber zum Glück waren die Türen nicht ganz luftdicht.  Zudem gab es keine Sicherung und keinen direkten Kontakt zum Fahrer. Die Leute hätte ersticken können, sagte Richter Fleckenstein. So bekam der Mann 38 Monate Haft und muss auch die erhaltene erste Schleuserbelohnung wieder herausrücken.

Die Dimension der Schleusung – also 31 Menschen auf 4,5 Quadratmeter Ladefläche – beschäftigt die Bundespolizei noch bis heute. So laufen die Ermittlungen noch weiter, um die Hintermänner des Taxifahrers zu finden. Schließlich sind die Hälfte der eingeschleusten Migranten inzwischen in  Deutschland oder in der EU untergetaucht, sagte ein Polizist im Prozess. Den Haftbefehl für den Verurteilten, der auf eine Bewährungsstrafe gehofft hatte, behielt der Richter auch bei. Es bestehe – auch wenn der Mann schon sechs Monate im Gefängnis verbüßt habe – immer noch echte Fluchtgefahr.

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