Nach 135 Jahren ist für eine Warener Traditionsbäckerei Schluss

16. November 2022

Bislang waren es nur Gerüchte, die viele Warener traurig gestimmt haben, doch die Gerüchte sind wahr: Die Warener Traditionsbäckerei Lebzien schließt. Und das schon Mitte Dezember. Nach 135 Jahren ist am 15. Dezember Schluss. Schweren Herzens haben sich Senior-Chefin Sieglinde Lebzien und ihr 58 Jahre alter Sohn Andreas entschlossen, die Bäckerei mit Hauptsitz in der Bahnhofstraße sowie je einer Filiale auf dem Papenberg und in Waren-West zu schließen. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht unbedingt in den seit einigen Monaten massiv gestiegenen Kosten zu suchen. Vor allem Personalmangel macht der Familie seit langem mächtig zu schaffen. So sehr, dass sie die Reißleine ziehen mussten.

„In der Bäckerei sind zum überwiegenden Teil nur noch mein Sohn Andreas und mein Enkel Martin tätig. Jede Nacht, fast ohne Pause und Urlaub. Für sie ist das alles nicht mehr zu schaffen“, erzählt Sieglinde Lebzien, die ihr Leben lang in und für die Bäckerei gearbeitet hat. Mit ihren 86 Jahren ist die Senior-Chefin noch jeden Tag im Einsatz. Sie kümmert sich um den Papierkram und unterstützt, wo sie kann. Aber auch sie kommt an ihre Grenzen. Ihr Mann Carl-Friedrich ist schon lange im Ruhestand, verfolgt die Entwicklung der Bäckerei aber nach wie vor sehr interessiert. Nach Jahrzehnten in der Backstube wacht er immer noch nachts auf. Der Rhythmus ist einfach drin.

Seit fünf Generationen gehört die Bäckerei Lebzien zu Waren wie die Schiffe im Hafen. Sie hat viele verschiedene Krisen erlebt und überstanden. Auch zu DDR-Zeiten hatten es die privaten Bäcker nicht gerade leicht – nach der Wende mussten sie sich erneut umorientieren und haben auch das mit Bravour gepackt. Doch jetzt geht nichts mehr.

„Wir bräuchten viel mehr Leute in der Backstube. Mein Sohn Andreas konnte seit Jahren keinen Urlaub mehr machen, hat sich aber nie beklagt. Und auch ich will mich jetzt zurückziehen. Ohne Nachfolger und auch ohne fähiges Personal in der Backstube geht das aber nur, wenn wir schließen“, sagt Sieglinde Lebzien. Sie hat neben der Arbeit im Unternehmen drei Söhne und eine Tochter groß gezogen, freut sich über acht Enkel und inzwischen zehn Urenkel. Dass sie mit 86 Jahren noch jeden Tag arbeitet, findet sie gar nicht besonders. „Ich bin ja noch fit“, meint die 86-Jährige, die vor zwei Jahren von der Stadt Waren gemeinsam mit der Bäckerei Bünger für ihr Engagement ausgezeichnet wurde.

Auch über die Bäckerei Bünger, die ihren Hauptsitz ebenfalls in Waren-Nord hat und die es seit über 60 Jahren gibt,  kursieren derzeit Schließungs-Gerüchte. Doch die dementiert Heiko Bünger im Gespräch mit „Wir sind Müritzer“ vehement. „Das ist mir auch schon zu Ohren gekommen, aber da ist nichts ‚dran. Wir kämpfen zwar wie alle anderen mit den gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen, hoffen aber, dass wir es schaffen“, so Heiko Bünger, der sich über viele Stammkunden freut. „Sie halten uns die Treue, und das ist schön.“ Momentan duftet es in seiner Backstube bereits nach Pfeffernüssen, die Jahr für Jahr weggehen, wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln.

Doch zurück zur Bäckerei Lebzien. Die Geschäftsräume in Waren-West und auf dem Papenberg sind bereits gekündigt, auch die Mitarbeiter. „Das ist uns wirklich sehr schwer gefallen, wir haben ganz tolle Verkäuferinnen, die zum Teil sehr lange bei uns sind“, sagt Sieglinde Lebzien, die in ihrem Leben kaum Urlaub gemacht hat und auch nur sehr wenige Tage aus Krankheitsgründen fehlte. Ein Leben für die Bäckerei. Ein Leben für die Kunden. Ein Leben für die Familie.

Und so schwer der Abschied auch vielen Warenern fällt, sie gönnen sowohl der Senior-Chefin als auch Geschäftsführer Andreas endlich mehr Zeit für sich, Zeit miteinander sowie viele, viele Tage, die nicht schon morgens um 1 Uhr am Teigkessel und Backofen beginnen.

Foto im Text: Sieglinde Lebzien und ihre Verkäuferin Kerstin Miletzki


6 Antworten zu “Nach 135 Jahren ist für eine Warener Traditionsbäckerei Schluss”

  1. „Hut ab“ vor dieser Leistung – 135 Jahre Unternehmerfamilie! Große Leistung.
    Wir wünschen Familie Lebzien alles Gute und einen wohlverdienten Ruhestand.
    Joachim und Elke Griebsch

  2. Als ehemaliger Lehrling und auch Geselle zu der mich die Stadtbäckerei Lebzien gemacht hat , finde ich es auch sehr schade von der Schließung zu lesen. Bei einem konnte man sich immer bei der Stadtbäckerei sicher sein , die Qualität war immer dieselbe. So wie die Ware 2000 geschmeckt hat, so schmeckt sie auch heute noch genauso gut. Das fand ich immer schon klasse.
    Vielen Dank für eine lehrreiche Zeit an Frau Lebzien Senior , an Ihren Mann , meinem Altmeister, an Andreas Lebzien und vor allem auch an Norbert Lebzien , mit dem das Arbeiten damals immer sehr viel Spaß gemacht hat.
    ich wünsche der Familie nur das Beste .
    Viele Grüße , Daniel Lüdemann ( Blaui )

  3. Stefan sagt:

    Wirklich schade für die Stadt und die Mitarbeiter, welche hoffentlich bereits alle neue Arbeitgeber gefunden haben.
    Ich wünsche Herrn Lebzien und seiner Familie einen ausgedehnten Urlaub – sie haben es sich verdient.

    Traurig ist nur, dass die Schließung sofort wieder für politische Motive genutzt wird.
    Holger Anton hat den Artikel auf Telegram verlinkt und kommentiert:
    „Da haben wir die Auswirkungen der letzten Jahrzehnte durch die Regierenden!“

    Herr Anton, wo in diesem Artikel steht etwas davon?
    Das Handwerk hat seit Jahren massive Nachwuchsprobleme und das Bäckereigewerbe bildet hier keine Ausnahme, ganz im Gegenteil. Wie viele junge Menschen kennen Sie persönlich, die davon träumen so früh aufzustehen und in der Backstube zu stehen?
    Das Problem ist vielmehr gesellschaftlicher Natur. Eine Ausbildung ist nichts mehr wert. Nur ein Studium wird geachtet. Eltern ist es peinlich zu erzählen, dass ihr Kind kein Abitur hat und Maurer, Friseur, oder Koch lernt.
    Jeder dieser Berufe ist wichtig und die Ausübenden sollten dafür geachtet werden.
    Fangen wir also einfach bei uns an und lehren unseren Kindern etwas soliden Grundverstand – dann wird das mit dem „goldenen Handwerk“ auch wieder.

  4. Ja es ist schade das so ein Unternehmen auf hört aber man kann es auch verstehen und ich denke das so einige Firmen aufgeben werden wie gesagt die Qualität war ist immer super gewesen vor allem das gute sauerteigmischbrot

  5. Mone sagt:

    Schade! Wie gern haben wir in der Kindheit so eine Platte Streuselkuchen oder Zuckerkuchen oder Schnecken gekauft, um dann – glücklich mampfend – zu erkennen, dass das Leben doch gut ist. Und die schönen Brötchen erst! Muss mir unbedingt noch welche holen. So ein Bäcker sollte eigentlich irgendwie geschützt werden, als wichtiges Kulturgut.
    Jedenfalls wünsche ich der Familie Lebzien alles Gute und DANKE für die schönen Backwaren, die Sie für uns hergestellt haben.

  6. Doris Dönges sagt:

    Auch ich sage Schade, aber die Personalprobleme bestehen im ganzen Land.
    ich wünsche der Familie Lebzien alles Gute für die Zukunft.