Sexueller Missbrauch: Kargower soll sechs Jahre in Haft

5. Dezember 2023

Rund zweieinhalb Jahre Ermittlungen der Polizei, dann erst die Anklage der Staatsanwaltschaft, und anschließend ein Prozess, der im Juni begonnen und sich länger als geplant hingezogen hat: Der Fall des 49 Jahre Stephan R. hat viele Menschen in der Müritz-Region lange beschäftigt, wütend und sprachlos gemacht – nicht nur die betroffenen Jungen und ihre Familien. Gestern nun ist der Kargower vom Landgericht Neubrandenburg wegen sexuellen Missbrauchs und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu sechs Jahren Haft verurteilt worden – ohne Bewährung. Angeklagt waren mehr als 50 Fälle, das Gericht sieht laut Urteil 17 Fälle, davon vier als schwerer sexueller Missbrauch, als erwiesen an. Dass nicht alle Fälle verurteilt wurden, heißt nach Aussage von Richterin Daniela Lieschke aber nicht, dass es sie nicht gegeben hat.

Besondere Aufmerksamkeit für die Taten gab es in der Müritz-Region auch, weil der Angeklagte kein Unbekannter ist. Er hat viele Jahre lang die Öffentlichkeitsarbeit des DRK Mecklenburgische Seenplatte mitbestimmt, gab für das DRK kleinen und größeren Kindern Schwimmunterricht und betreibt mit dem „Müritzportal“ nach wie vor ein öffentliches Nachrichtenportal.

Das alles hat die Medien Mecklenburg-Vorpommerns auf einen Fall gelenkt, der für die betroffenen Kinder nur schwer zu ertragen war und nach wie vor ist. Denn wie Richterin Lieschke in der Urteilsbegründung unmissverständlich erklärte, leidet zumindest einer der betroffenen Jungen nach wie vor psychisch unter dem Missbrauch. Nämlich jener Junge, an dem sich der Müritzer im Alter von 10 und 11 Jahren mehrfach vergangen haben soll.

Beide Jungen waren Freunde des gleichaltrigen Sohnes des gestern Verurteilten, ein Betroffener zudem Teilnehmer eines DRK-Rettungsschwimmer-Kurses. Die Familien seien freundschaftlich bekannt gewesen, es habe ein Vertrauensverhältnis gegeben. Ein Betroffener habe mehrfach beim Sohn des Kargowers übernachtet. Dieses Vertrauen habe der 49-Jährige aber ausgenutzt. 

Richterin Daniela Lieschke ging in ihrer Urteilsbegründung gestern teilweise detailliert auf die einzelnen, verurteilten Fälle ein. Zum Schutz der Kinder verzichten wir an dieser Stelle auf die Wiedergabe ihrer Schilderungen. Nur so viel: Die Fälle haben sowohl im Haus des gestern Verurteilten im Kargower Einfamilienhaus stattgefunden, als auch im DRK-Bootshaus, in den Sauna-Räumen der Müritz Therme in Röbel, in der Wohnung eines Onkels des Kargowers namens Norbert sowie auf einem Kreuzfahrtschiff. 

Die beiden psychologischen Gutachter, die lange vor dem Prozess aktiv und während der gesamten Verhandlung dabei waren, haben die Aussagen der missbrauchten Jungen laut Richterin als glaubhaft und mit „konstantem Erlebnisbezug“ eingestuft. Auf Nachfragen hätten die Jungen widerspruchsfrei geantwortet.

Die beiden Jungen mussten vor Gericht aussagen, weil der 49-jährige Angeklagte geschwiegen hat. Beide Kinder hatten eine Betreuerin an ihrer Seite, um diese für sie unwahrscheinlich schwierige Situation besser überstehen zu können. Auch die Eltern der Kinder sind vor Gericht gehört worden. Ebenso der noch minderjährige Sohn des Verurteilten und seine Ehefrau.

Zugute gehalten hat das Gericht dem Kargower, dass er bisher nicht straffällig geworden sei und er keine körperliche Gewalt angewendet habe. Dennoch: Der Junge, der mehrfach missbraucht worden sei, leide nach wie vor psychisch unter den Taten. 

Die beiden Warener Anwälte der betroffenen Jungen und Nebenkläger, Sönke Brandt und Katja Schade, bezeichneten das Urteil nach der Verkündung im Gespräch mit „Wir sind Müritzer“ als angemessen. „Von gerecht kann in solchen Fällen nie die Rede sein, wenn man weiß, was die Kinder durchgemacht haben und womit sie ihr Leben lang zu tun haben werden“, so die Juristen.

Die Mutter eines betroffenen Jungen hörte sich das Urteil gestern im Neubrandenburger Landgericht tapfer an und zeigte sich nach der Verkündung mit Tränen in den Augen zumindest etwas erleichtert, das Stephan R. zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.

Die Kammer um Daniela Lieschke schloss sich mit dem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft an, die beiden Anwälte des Kargowers wollten hingegen einen Freispruch.  Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision innerhalb der nächsten acht Tage möglich.


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