Wenn alle Schulbücher zusammen nur ein paar Gramm wiegen

7. April 2024

Wenn die 280 Schüler des privaten Internatsgymnasiums Schloss Torgelow am morgigen Montag nach den Osterferien in die Klassenräume zurückkehren, haben sie sämtliche Schulbücher in der Tasche. Das heißt aber nicht, dass sie ordentlich Gewicht mit sich herum schleppen. Denn auf Schloss Torgelow wird seit Anfang dieses Schuljahres ab der 7. Klasse mit iPads gearbeitet. Während digitale Tafeln in den meisten Schulen inzwischen schon Standard sind, gehören Tablets in Mecklenburg-Vorpommern eher noch zu den Ausnahmen. Dabei hat die Arbeit mit den iPads viele Vorteile – für Lehrer und Schüler gleichermaßen. Das zeigen die Erfahrungen der vergangenen Monate in Torgelow am See und auch die Berichte aus Bremen. Denn dort arbeiten die Mädchen und Jungen schon länger mit Tablets.

Bereits im zweiten Halbjahr des vergangenen Schuljahres blätterten die Torgelower Zehnklässler in Tablets statt in Büchern. Eine ganz bewusste Entscheidung der Schulleitung. „Wir haben mit den älteren Schülern begonnen, um erste Erfahrungen zu sammeln, eventuelle Fehler auszumerzen, und auch, damit die Lehrer eine gewisse Routine bekommen. Außerdem konnten die ‚Großen‘ dann am Anfang dieses Schuljahres den jüngeren Schülern helfen. Dafür haben sie sogar Sprechstunden abgehalten. Die wurden von den Jüngeren auch gut genutzt“, erzählt Mario Lehmann von der Trägerfamilie des privaten Internatsgymnasiums (Foto links).
Seine Großmutter Erna Lehmann hat bereits 1961 das Kurpfalz Internat bei Heidelberg in Baden-Württemberg gegründet. Sein Vater Helge Lehmann entdeckte nach der Wende Schloss Torgelow und eröffnete 1994 direkt am See das erste private Internatsgymnasium der neuen Bundesländer. Schloss Torgelow feiert also in diesem Jahr den 30. Geburtstag. Inzwischen ist auch schon die nächste Generation am Start: Die Töchter von Mario Lehmann und seiner Frau Kirsten, Clara, Annika und Marie, haben alle auf Schloss Torgelow gelernt und arbeiten zum Teil auch in der idyllisch gelegenen Einrichtung. Ein ganz klassisches Familienunternehmen also.

Doch zurück zu den iPads. Die mussten die Eltern nicht kaufen, sondern wurden von der Schule gestellt. Lediglich für gewünschte bessere Ausstattungen sind Kosten für die Eltern angefallen. Die gleichen sich aber auch wieder aus, denn die Lizenzen für Schulbücher, die jetzt alle auf den iPads liegen, sind deutlich geringer als die für die „normalen“ Schulbücher.

Klar gab es hier und da auch auf Schloss Torgelow ein paar Vorbehalte, aber nur wenige, und die sind inzwischen fast alle verflogen. Vor allem die Sorge der Eltern, dass ihre Kinder jetzt noch mehr im Netz „rumhängen“, haben sich nicht bestätigt. Denn die Mädchen und Jungen können mit den Tablets nur das machen, was Lehrer und Schulleitung zulassen. Apps wie WhatsApp, Snapchat, Instagram und Co. erhalten keinen Platz auf den Pads. Alles, was auf den Schüler-Tablets passiert, können Lehrer und Administratoren genau verfolgen. „Es kommt nur rauf‘, was wir genehmigen. Zudem werden die Tablets abends auch automatisch abgeschaltet. Generell gibt es für unsere Schüler festgeschriebene Handy-Zeiten“, so Mario Lehmann. Der 61-Jährige ist ein großer Verfechter der Digitalisierung, seine Schule wurde auch dafür bereits ausgezeichnet. Doch auf dem Weg dorthin musste er mit seinem Team viele Hürden nehmen. Denn mal eben iPads kaufen und los geht’s – in Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich.

Das größte Problem: Torgelow am See liegt sozusagen im Tal der Ahnungslosen. Zumindest, was das Internet angeht. Wer auf dem Schloss-Gelände steht und telefonieren will, braucht entweder Glück oder einen ganz bestimmten Standort, von dem man sich dann während des Gespräches auch nicht einen Zentimeter wegbewegen darf. Vom Surfen im Internet ganz zu schweigen. Zwar ist der Schulleitung einst versprochen worden, dass man das Gymnasium 2019 ans schnelle Internet anschließt – doch das ist bis heute nicht passiert. Vielleicht wird’s aber bis Ende 2025 etwas. Dank Elon Musk gibt’s aber dennoch fixe Verbindungen ins weltweite Netz – Schloss Torgelow nutzt Starlink. Das läuft schnell und sicher.

„Wir sind Müritzer“ hat sich die Anwendung der iPads im Biologieunterricht einer Klasse angeschaut. Lehrerin Luisa Bartsch (Foto rechts) hat mit einem Blick auf ihr Tablet genau im Auge, welcher Schüler gerade was macht oder auch, ob er überhaupt etwas macht. Mal eben ein bisschen dösen ist nicht, das fällt sofort auf.
Die Jugendlichen beschäftigen sich mit dem Thema Muskelschwund, verschiedene Gruppen erhalten unterschiedliche Aufgaben. Die Ergebnisse sind mit einem Klick an der Tafel oder besser auf dem Smartboard. Die Schüler können ihre Ergebnisse untereinander verschieben, sich digital austauschen und haben die Ausarbeitungen der anderen Gruppen dann auch auf ihrem Pad. „Das hat auch den Vorteil, dass kranke Schüler den Stoff, der behandelt wurde, schnell erhalten“, sagt Mario Lehmann. Und: Auch wenn das iPad mal verloren geht, ist der Unterrichtsstoff nicht verschwunden, er liegt in der Cloud. Die verloren gegangenen Pads werden gesperrt, alles, was dort gespeichert war, kann auf das Ersatz-Tablet übertragen werden.

Generell arbeiten Schüler und Lehrer flexibler, sind nicht darauf angewiesen, was in gedruckten Schulbüchern steht, sondern können neue Entwicklungen schnell einarbeiten. Denn die Zahl der Lern-Apps wächst ständig. „Unsere Lehrer schauen selbstständig, ob sie neue Apps finden, die für die Schüler und den Stoff interessant sind. Da ist viel Bewegung auf dem Markt“, erzählt Mario Lehmann und kommt fast ins Schwärmen, wenn er über die vielen neuen Chancen des digitalen Unterrichts spricht. Die Möglichkeiten sind längst nicht ausgeschöpft.

Und die gute, alte Handschrift? Die ist ein Grund, warum erst in der 7. Klasse mit den iPads begonnen wird, vordem sollen die Mädchen und Jungen ihre Schrift festigen. Aber auch die 12- und 13-Jährigen schreiben nach wie vor auf Papier. Vor allem im Deutschunterricht. Das Abitur muss in Mecklenburg-Vorpommern ohnehin noch handschriftlich abgelegt werden. Noch. Denn der Trend zeigt auch hier auf digitale Varianten. Vielleicht lösen die Zwölftklässler ihre Prüfungsaufgaben ja spätestens bis zum 35. Geburtstag von Schloss Torgelow ohne Block und Stift. Und dann hoffentlich über eine superschnelle Glasfaserleitung.

www.schlosstorgelow.de

 


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